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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.11.2004 06:00

Humane embryonale Stammzellen: Erfahrungsbericht eines ETH-Diplomanden
Erste Schritte mit embryonalen Stammzellen

Embryonale Stammzellen sind verheissungsvolle Kandidaten, um Krankheiten wie Alzheimer oder Querschnittlähmung zu heilen. Sie werfen jedoch auch zahlreiche Fragen über die Menschenwürde und den Schutz des frühen menschlichen Lebens auf. Thomas Krähenbühl, ehemaliger ETH-Student, absolvierte seine Diplomarbeit in den USA. Er berichtet von seinen Erfahrungen in der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen.

Von Anne Laurence Klein

Embryonale Stammzellen (ES-Zellen) werden als „Zellen mit grossem Potenzial“ gepriesen und als viel versprechend für die Heilung verschiedenster Krankheiten gehandelt. Ethisch sind sie jedoch heftig umstritten und ihre therapeutische Umsetzung wird von Gegnern der Stammzellenforschung oft angezweifelt. Thomas Krähenbühl, ETH-Maschineningenieur mit Vertiefung in „Biomedical Engineering“, hat jedoch selbst erfahren, wie die Forschung an ES-Zellen bereits erste Erfolge verbucht. Er führte im Frühling dieses Jahres seine Diplomarbeit in Boston im Labor von Robert Langer (1) aus, welches zwischen der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) eingebettet ist. Seine Arbeit sollte an den kürzlich erzielten Durchbruch seines Coaches Shulamit Levenberg anknüpfen: Drei- dimensionale, räumliche Nervengewebe entwickeln auf der Basis menschlicher embryonaler Stammzellen.

Hoffnung für querschnittgelähmte Patienten?

Das Ziel von Krähenbühls Arbeit bestand darin, aus embryonalen Stammzellen ein höher organisiertes, drei-dimensionales Nervengebilde zu entwickeln. Das ausserhalb des Körpers entwickelte Nervenzellgebilde soll sich zum Beispiel bei der Heilung querschnittsgelähmter Patienten bewähren. Bis heute wurden die embryonalen Stammzellen vor allem in flachen Schalen kultiviert und zur Bildung bestimmter Zelltypen angeregt. Die drei-dimensionale Struktur dieses Nervengebildes entspricht der natürlichen Organentwicklung aber besser. „Je vergleichbarer das künstliche mit dem natürlichen Gewebe ist, desto schneller könnte es sich nach der Einpflanzung in das verletzte Rückenmark, integrieren“, sagte Krähenbühl. In Tierversuchen war diese Methode bereits erfolgreich, doch Krähenbühl meinte: „Wir werden keineswegs nächstes Jahr ähnliche Transplantationen am Menschen durchführen. Eher in 15 bis 20 Jahren. Zunächst ist weiterhin die Grundlagenforschung gefordert.“

In Boston nahm Krähenbühl diese Herausforderung an. Aufgrund bisheriger Erkenntnisse wurde die Hypothese aufgestellt, dass im menschlichen Körper abbaubare Kunststoff-Träger die Stammzellen physikalisch bei der Entwicklung von stabilem drei-dimensionalen Gewebe unterstützen könnten. Er identifizierte auch Nerven-Wachstumsfaktoren, welche die Differenzierung der ES-Zellen gezielt in Richtung Nervenzellen lenken sollten. Die Zugabe des chemischen Faktors „NT-3“ habe sich dabei als „der grosse Renner“ erwiesen. Der Erfolg der Studie: Nach nur 14 Tagen im Inkubator wurde aus menschlichen embryonalen Stammzellen, Nerven-Wachstumsfaktoren und dem biologisch abbaubaren Kunststoffträger ein stabiles Nervengewebe.

Stammzellenforschung in den Staaten

Angesprochen auf die ethischen Fragestellungen des Umgangs mit menschlichen embryonalen Stammzellen, erläuterte Krähenbühl, dass er in einem mehrtägigen Kurs, den das MIT für all jene organisiert, die mit embryonalen Stammzellen arbeiten wollen, intensiv auf seine Arbeit vorbereitet wurde: „Mit einem Geschichtsrückblick bis zur Nazizeit wurden uns die Umstände und Folgen der Experimente am Menschen in Erinnerung gerufen. Man muss sich immer bewusst sein, dass man mit menschlichen Zellen arbeitet.“ Es sei selbstverständlich gewesen, diese Zellen mit grösster Sorgfalt und Respekt zu behandeln. Die Experimente seien minutiös geplant worden, so dass keine Zellen vergeudet wurden. Auf die Frage, wie er die Arbeit persönlich erlebt hat, meint Krähenbühl, er habe während seiner Forschungsarbeit nicht das Gefühl gehabt, an einem Menschen gebastelt zu haben. Vielmehr sei ihm wichtig, die Balance zwischen dem Respekt vor den embryonalen Stammzellen und dem Leben jener Patienten, die auf Heilung warten, zu wahren.

Thomas Krähenbühl hatte sich für die embryonale Stammzellen- Forschung in den USA entschieden. Diese Forschung ist dort erlaubt, wenn sie mit privaten Mitteln finanziert wird, und eingeschränkt, wenn staatlich subventioniert (siehe Kasten).


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Sammelte erste Erfahrungen im Umgang mit menschlichen embryonalen Stammzellen in den USA: ETH-Diplomand Thomas Krähenbühl. gross

Professor Ralph Müller vom Institut für Biomedizinische Technik der ETH und Universität Zürich (2) vermittelte ihm die Kontakte und begleitete ihn in seinem Vorhaben. Das Ziel solcher Austausche ist, dass motivierte Studierende mit diesen neuen Techniken vertraut werden, um so besser abschätzen zu können, was die Nutzen aber auch Nachteile solch kontrovers diskutierter Studien sind.

Stammzellenforschung in der Schweiz

Am 28. November 2004 wird auch in der Schweiz über die Zukunft der Stammzellen- Forschung entschieden. Mit dem vorgeschlagenen Stammzellenforschungs- Gesetz wird der Umgang mit menschlichen ES- Zellen geregelt (3). Thomas Krähenbühl betrachtet dieses Gesetz als wichtigen und richtigen Schritt: „Das Gesetz gibt den Forschern in der Schweiz klare ethische und wissenschaftliche Richtlinien. Die Vorlage verschafft dem Embryo angemessenen Schutz und Würde. Die überzähligen Embryos aus künstlichen Befruchtungen müssten nach geltendem Recht sterben. Warum die embryonalen Stammzellen mit dem Einverständnis des Eltern-Paares nicht einsetzen, um für kranke Menschen, die auf Heilung hoffen, Therapiemöglichkeiten zu entwickeln?“ Darauf angesprochen, ob das Klonen nicht die logische Konsequenz einer erfolgreichen Stammzellforschung sei, äusserte er sich zurückhaltend: „Ich erkenne im Moment keine Notwendigkeit, therapeutisches Klonen zu erlauben.“ Mit dem Stammzellenforschungs-Gesetz gehe es darum, ob mit klaren wissenschaftlichen und ethischen Rahmenbedingungen mit embryonalen Stammzellen geforscht werden darf. Der Ausgang dieser Abstimmung sei auch bedeutend für die Attraktivität des Forschungsstandorts Schweiz.“

Doch unabhängig vom Wahlausgang: Thomas Krähenbühl wird für seine nächsten Forscherschritte wahrscheinlich wieder in die Staaten zurückkehren.


Stammzellenforschung weltweit

Deutschland, Norwegen, Österreich, Italien: Das Gewinnen von Stammzellen aus menschlichen Embryonen ist hier verboten. In Deutschland ist jedoch der Import von Stammzelllinien, die vor dem Jahr 2002 gewonnen wurden, erlaubt.

Frankreich, Spanien, Holland, Dänemark, Ungarn, Griechenland, Kanada, Australien: Hier dürfen Forscher Stammzellen aus menschlichen Embryonen, die nach einer künstlichen Befruchtung nicht benötigt werden, gewinnen. Therapeutisches Klonen bleibt verboten. In der Schweiz wird bald über einen ähnlichen Gesetzesentwurf abgestimmt.

USA: Ist das Forschungsprojekt durch staatliche Mittel finanziert, dürfen Stammzelllinien nur verwendet werden, falls sie vor dem 9. August 2001 hergestellt worden sind. Privat finanzierte Projekte in der Stammzellenforschung sind dagegen nicht eingeschränkt.

Grossbritannien, Nordirland, Belgien, Schweden, Israel, Südkorea, China und Singapur: In diesen Ländern herrscht die grösste Forschungsfreiheit: Therapeutisches Klonen ist erlaubt. Anfang dieses Jahres zeigten südkoreanische Forscher erstmals, dass auch menschliche Zellen geklont werden können.




Literaturhinweise:
Vgl. Bericht ETHlife zum Thema: www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/lsommerO4.html

Fussnoten:
(1) Homepage Professor Langer, MIT, Boston: http://web.mit.edu/cheme/langerlab/
(2) Homepage des “Institut für Biomedizinische Technik der ETH und Universität Zürich:www.biomed.ee.ethz.ch/
(3) Homepage des BAG, Aktuelle Informationen und weiterführende Links zur Volksabstimmung: www.bag.admin.ch/embryonen/aktuell/d/



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