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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 03.03.2004 06:00

Arzneimittel: Von der Aufnahme bis zur Ausscheidung
Hürdenlauf im Körper

Das Verhalten von Arzneimitteln im Körper steht im Mittelpunkt des dritten Lipophilie-Symposiums „LogP 2004“ (1), das seit Sonntagnachmittag an der ETH Zürich stattfindet und noch bis Donnerstag dauert. Rund 240 Forscherinnen und Forscher aus Industrie und Hochschule nehmen daran teil.

Von Michael Breu

Arzneimittel sind vergleichbar mit Hürdenläufern. Auf ihrem Weg in und durch den Körper müssen sie eine Menge solcher Hindernisse überwinden. Das erste beginnt bei der Verabreichung. Ob Tablette, Zäpfchen, Sirup, Injektion oder Salbe: Je nach Form gelangt die Arznei über verschiedene Wege in den Blutkreislauf. Tablette, Zäpfchen und Sirup werden zum Beispiel über die Darmschleimhaut aufgenommen, Salben über die Haut. Dieser Prozess wird in der Fachsprache als Absorption bezeichnet, als Aufnahme. Nun folgt die Verteilung, die Distribution über den Blutkreislauf. Auch hier gilt es Hürden zu nehmen. So muss ein Wirkstoff je nach Art seiner Wirkung über eine entsprechende Fettlöslichkeit verfügen, muss sich der gegebenen chemischen Umgebung anpassen und am Zielort ins Gewebe eindringen können. Dazu muss die chemische Struktur des Arzneimittels entsprechend „gebaut“ sein.

Unterschiedliche Enden, unterschiedliche Wirkung

Die beiden Wirkstoffe gegen Heuschnupfen, Hydroxyzin und Cetirizin zum Beispiel unterscheiden sich auf den ersten Blick nur unwesentlich voneinander: Hydroxyzin hat an seinem langem Schwanz eine Alkoholgruppe, Cetirizin eine Karbonsäure. Doch genau diese unterschiedlichen Enden bewirken ein anderes Verhalten im Körper: Die elektrochemisch neutrale Alkoholgruppe macht das Hydroxyzin besser fettlöslich, während das Karbonsäurenende beim Cetirizin im leicht sauren pH-Bereich ein Zwitterion bildet und deshalb bedeutend schlechter fettlöslich ist. Die Folge: Hydroxyzin wird im Körper schneller aufgenommen und wirkt deutlich stärker als Cetirizin. Für viele Menschen zu stark, denn als Nebenwirkung tritt Schläfrigkeit auf. Beide Produkte der UCB-Pharma AG sind im Handel erhältlich: Hydroxyzin unter dem Namen „Atarax“, Cetirizin als „Zyrtec“.

Eine weitere Hürde wartet auf das Arzneimittel, nachdem es seine Wirkung entfaltet hat. Ein bedeutender Teil wird in der Leber chemisch umgewandet, metabolisiert. An dieser Entgiftung sind vor allem Enzyme beteiligt, die den Arzneistoff entweder hydroxylieren, reduzieren oder dekarboxylieren, wie es im Fachjargon heisst. Durch diese Schritte soll das Abbauprodukt tendenziell wasserlöslicher werden.

Mit diesem Hürdenlauf von der Aufnahme bis zur Ausscheidung befasst sich das dritte „Lipophilicity Symposium“, das seit Sonntagnachmittag im Audimax der ETH Zürich stattfindet.


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Medikamentenkontrolle: Bis es soweit ist, hat das Arzneimittel schon viele Hürden genommen. Die meisten auf dem Computer. Bild: Roche gross

Dabei werden im Wesentlichen neue Erkenntnisse unter Fachleuten ausgetauscht, die sich mit der Pharmakokinetik befassen, dem Verlauf der Konzentration eines Arzneimittels im Organismus. „Nach zwei erfolgreichen Symposien zum gleichen Thema in Lausanne fokussiert dieses Symposium auf experimentelle und computergestützte Strategien, um das Verhalten von potentiellen Arzneistoffen zu verbessern“, sagt Bernard Testa, emeritierter Professor für Medizinische Chemie der Universität Lausanne. Während mehr als vierzig Jahren hat der Forscher solche intramolekularen Interaktionen von Arzneistoffen untersucht und Wechselwirkungen beschrieben.

Mit dem Verhalten von Arzneimitteln im Körper befasst sich Heidi Wunderli-Allenspach, Professorin für Biopharmazie am ETH-Institut für Pharmazeutische Wissenschaften (2). „Es sind vor allem die physikalisch-chemischen Eigenschaften eines Stoffes, die bestimmen, welche Hürden er gut überwinden kann“, sagt sie. „Für die Voraussage, wie sich ein mögliches Arzneimittel verhalten wird, können dementsprechend verschiedene Modelle angewandt werden.“ Zellkulturen zum Beispiel dienen als Modell für Haut, Blutgefässe oder Darmschleimhaut, und künstliche Membranen geben Auskunft über Löslichkeiten.

Computer bringen weiteren Fortschritt

Viel Hoffnung setzen die Forscherinnen und Forscher in Computermodelle, welche mögliche Eigenschaften dank einer grossen Datenbank voraussagen können, sagt Thierry Lavé, Leiter der Abteilung Modelling und Simulation der Pharmaforschung von Hoffmann-La Roche. Bereits heute würden neue Medikamente quasi am Reissbrett entworfen und in silico auf ihre pharmakokinetischen Daten getestet.

Neben dem Symposium und der grossen Postersession im Südhof der ETH, werden in der Haupthalle neue Geräte und Software vorgestellt. Unter anderem sind automatisierte Testsysteme für die Toxikologie zu sehen, virtuelle Chemiebibliotheken oder ganze Simulationsanlagen.


Literaturhinweise:
Zum gleichen Thema ist im Wiley VCH-Verlag das Buch “Pharmacokinetic Optimization in Drug Research” erschienen, herausgegeben von Bernard Testa, Han van de Waterbeemd, Richard Guy und ETH-Professor Gerd Folkers. Der Band blickt auf das zweite LogP-Symposium zurück und kostet 250 Franken: www.wiley-vch.de/publish/en/books/bySubjectCH00/ISBN3-906390-22-5/?sID=273cd23943f89b32f69893e0cde1a369
Ebenfalls mit dem Thema befasst sich der kürzlich erschienene Band „Hydrolysis in Drug and Prodrug Metabolism“, erschienen im Wiley VCH-Verlag und herausgegeben von Bernard Testa und Joachim M. Mayer. Das Buch kostet 235 Franken: www.wiley-vch.de/publish/en/books/bySubjectCH00/ISBN3-906390-25-X/?sID=273cd23943f89b32f69893e0cde1a369

Fussnoten:
(1) The 3rd Lipophilicity Symposium: www.logp2004.ethz.ch/
(2) Departement Chemie und Angewandte Biowissenschaften: www.chab.ethz.ch/



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