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Rubrik: Tagesberichte |
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Der Nobelpreis und sein Einfluss auf die Forschungspolitik „Unbedingter Wille für die allerbeste Forschung“ |
Vor einem Jahr hat der Biophysiker und ETH-Professor Kurt Wüthrich den Nobelpreis für Chemie erhalten. Die höchste Auszeichnung für einen Wissenschafter hat Auswirkungen auf den Forschungsplatz Schweiz. Francis Waldvogel, seit 1995 Präsident des ETH-Rates, und Olaf Kübler, seit 1997 Präsident der ETH Zürich, nehmen im Jahresbericht 2002 des ETH-Rates Stellung (1). Von Michael Breu „Die Verleihung eines Nobelpreises ist ein Markenzeichen für vorzügliche Leistungen“, findet Francis Waldvogel. Er trage zur wissenschaftlichen und pädagogischen Attraktivität der ETH bei und erhöhe ihren Stellenwert. Gleichzeitig sei die Auszeichnung auch „ein positives Zeichen für Unternehmungen, die in einem für Wissensökonomie und Wissensgesellschaft günstigen Umfeld Fuss fassen möchten“. Und in zweiter Linie, so der studierte Mediziner und ehemalige Direktor der Abteilung für Innere Medizin des Genfer Universitätsspitals, „wirbt die Preisverleihung auf nationaler Ebene für Vertrauen“. Olaf Kübler pflichtet bei und fügt hinzu, dass der dritte Nobelpreis innerhalb der letzten dreissig Jahre ein Hinweis auf die besondere Stellung der ETH in der schweizerischen und europäischen Universitäts-Landschaft sei. Wissenschaft, global und auf Wanderschaft Dennoch steht die ETH nicht im luftleeren Raum, andere Universitäten buhlen um die Topforscher: „Die besten Forschenden werden von intellektuellen Bedingungen angezogen, die Kreativität, Zusammenarbeit und Innovation ermöglichen“, sagt Francis Waldvogel. Und Olaf Kübler findet: „Die Wissenschaft war schon immer global und hat vom freien Austausch, der Wissbegier und 'Wanderlust’ der Forschenden gelebt. Allerdings muss die Wanderungsbilanz ausgeglichen oder positiv sein, damit ein Land in der Wissenschaft langfristig ganz vorn dabei sein kann. Für die Schweiz waren bisher die Vorzeichen günstig.“ Der Nobelpreis kann nach Meinung der beiden Professoren die Forschungspolitik positiv beeinflussen – zumindest die gewonnene Erfahrung, der Wissenszuwachs und das Beziehungsnetz seien „eine wichtige Hilfe bei der Bestimmung von bahnbrechenden Forschungsgebieten der Spitzenklasse und bei der Festlegung von Grundsätzen für die Forschungspolitik“. Die Fähigkeit zu Visionen erlösche nicht mit der Verleihung eines Nobelpreises. „Forschungspolitik braucht den Mut zum langen Atem und Stehvermögen. Nicht den Entdeckungen und Innovationen anderer hinterherzujagen, sondern diese selbst zu schaffen, macht besondere Forscher aus“, findet der theoretische Physiker Olaf Kübler und meint: „Das Vermögen und der unbedingte Wille, allerbeste Forschung zu machen, müssen durch den Geist der Institution getragen werden.“ Ein wichtiges Thema: „In der Spitzenforschung, insbesondere wenn die Wissenschaften auf neue Technologien ausgerichtet sind, spielen bedeutende finanzielle Mittel, die regelmässig gesprochen werden, sicher eine Schlüsselrolle“, sagt Francis Waldvogel. Am wertvollsten sei jedoch das Humankapital: die Forscherinnen und Forscher. Und was denkt Preisträger Kurt Wüthrich? „Ich denke, es ist wirklich bemerkenswert, dass Professor Richard Ernst und ich den Nobelpreis auf dem gleichen Forschungsgebiet erhalten haben. Dies unterstreicht die wichtige Rolle und
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Bedeutung der ETH Zürich auf dem Gebiet der Kernresonanz-Spektroskopie“, sagt er im Jahresbericht 2002 des ETH-Rates. Auch Wüthrich glaubt, dass der Nobelpreis Auswirkungen auf die Forschungspolitik hat: „Ich bin froh, dass die ETH Zürich in meinem Fall die starre Rücktrittsregelung ausnahmsweise aufweichen konnte. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich bin überzeugt, dass sich die Schweiz angesichts der Situation in den USA langfristig nicht ein starres Alters-Rücktritts-System ihrer Professoren leisten kann.“ Auch Francis Waldvogel glaubt, dass die neuen Bestimmungen über das Pensionsalter von Professoren im ETH-Gesetz eine „gute Lösung“ seien und findet: „Einerseits müssen wir Anreize für junge Akademikerinnen und Akademiker schaffen. Andererseits gilt es, aussergewöhnlich fähige Köpfe an die Institutionen zu binden.“
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