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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 04.09.2006 06:00

ETH-Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern
Nord-Süd-Zentrum geplant

Die diversen Initiativen und Stellen an der ETH, die mit Entwicklungsländern kooperieren, zusammenführen und so die Kräfte bündeln: Diese Pläne sollen in den kommenden Monaten zur Gründung eines Nord-Süd-Zentrums führen – als Teil des noch jungen Schulbereichs S-ENETH.

Roman Klingler

Wer eine Vision habe, der müsse zum Augenarzt, zitiert Wolfgang Kinzelbach den früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt auf die Frage, welche Visionen ihn denn antrieben bei der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern. Seine Erfahrungen in diesen Ländern hätten ihm gezeigt, dass Beharrlichkeit und Pragmatismus oft weiter führten als hochfliegende Visionen, sagt der Leiter des Instituts für Umweltingenieurwissenschaften.

Wolfgang Kinzelbach hat dieses Frühjahr das Präsidium des Network for International Development and Cooperation (NIDECO) übernommen. Letzteres war vor knapp vier Jahren gegründet worden. „Man wollte Studierenden aus Entwicklungsländern den Zugang zur ETH erleichtern“, erklärt Kinzelbach eine der primären Absichten hinter NIDECO. Das Netzwerk finanziert im Rahmen seiner Möglichkeiten auch Forschungsprojekte in ärmeren Regionen und stellt dazu so genanntes Seed Money, also eine Art Anschubfinanzierung, zur Verfügung. Vor allem aber ist NIDECO, wie es der Name schon sagt, ein loses Netzwerk von Gleich- oder Ähnlichgesinnten an der ETH, die mit Entwicklungs- und Schwellenländern zusammenarbeiten oder dies vorhaben.

Kooperationspartner Kamerun: Ein Projekt befasst sich mit Möglichkeiten der biologischen Bekämpfung von Schädlingen der Maniok-Pflanze (Quelle:ZIL). gross

Was diese Zusammenarbeit angeht, so hat Wolfgang Kinzelbach, der selber mehrere Jahre in Botswana, Nigeria und China gearbeitet hat, klare Vorstellungen. Beide Seiten sollen profitieren, eine Kooperation müsse immer auch auf einem wissenschaftlichen Interesse gründen, denn „wir sind ja keine Entwicklungshelfer an der ETH“. Erfahrung am einen Ort, technisches Know-How am andern, führten dazu, dass am Schluss eins und eins mehr als zwei ergäben. Die Motivation zur Zusammenarbeit geht für ihn aber über das reine Forscherinteresse hinaus. „Wir haben gerade auch an der ETH eine Verantwortung wahrzunehmen, um das Wissen als ein internationales öffentliches Gut (Global Public Good) mit weniger privilegierten Ländern dieser Welt zu teilen“, ist Kinzelbach überzeugt.

Engagement der DEZA

Das Netzwerk NIDECO besteht inzwischen aus 85 Mitgliedern und arbeitet auch mit nationalen und internationalen Partnern zusammen. Beispielsweise mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP. Vergangenen Dezember besiegelten der damalige ETH-Präsident Olaf Kübler sowie UNEP-Direktor Klaus Töpfer die Zusammenarbeit durch ein Memorandum of Understanding. Dessen Umsetzung liegt nun in den Händen der gemeinsamen Geschäftsstelle von NIDECO und dem Zentrum für Internationale Landwirtschaft (ZIL).

Das als Verein organisierte ZIL existiert bereits seit 1993 an der ETH und hat in den Worten seines Präsidenten, Felix Escher, „eine ausgeprägte Bottom-up-Kultur“. Das ZIL fungiert als eine Art Förderagentur für Forschungsprojekte in Entwicklungsländern in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel, Forstwirtschaft und Umwelt.


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Kooperationspartner Äthiopien: Gerade mal 7 Prozent der täglichen Energieaufnahme der Landbevölkerung stammt aus tierischen Produkten wie z.B. Milch oder Fleisch. (Quelle: ZIL) gross

Finanziert wird es bis dato hauptsächlich – obwohl an der ETH angesiedelt – durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), die unter anderem auch die Geschäftsstelle des ZIL mitfinanziert. Dies wird sich allerdings ändern müssen, denn die DEZA will in Zukunft nicht mehr Institutionen mitfinanzieren, sondern nur noch Projekte. So sind denn die Signale aus Bundesbern unübersehbar: Ja zu einem weiteren finanziellen Engagement; im Gegenzug erwartet man aber von der ETH ein klares Bekenntnis zur Nord-Süd-Thematik. Konkret heisst dies, dass die ETH nebst den Infrastruktur- auch die Managementkosten des ZIL übernimmt und die Zusammenarbeit mit dem Süden als wichtige Aufgabe anerkennt.

Stärkere Profilierung

Angesichts dieser Ausgangslage ist der Druck gewachsen, sich Gedanken zu machen über einen Schulterschluss zwischen NIDECO und ZIL. Die Lösung, die nun Wolfgang Kinzelbach und andern vorschwebt, bestünde darin, die beiden Organisationen in einem Nord-Süd-Zentrum zusammen zu fassen. Das Zentrum würde organisatorisch dem neuen Schulbereich Erde, Umwelt und Natürliche Ressourcen (S-ENETH) angegliedert. Kinzelbach: „Wir wollen dadurch die Sichtbarkeit des ETH-Engagements in diesem Bereich erhöhen und auch für externe Partner eine gut erkennbare Anlaufstelle an der ETH schaffen.“ Nicht bloss eine bessere Aussenwahrnehmung erhofft sich Barbara Becker von einem Nord-Süd-Zentrum. Die Geschäftsführerin des ZIL und NIDECO sieht einen weiteren Vorteil eines solchen Zentrums auch in der profilierteren Stellung innerhalb der ETH selber.

Ein Zentrum ohne NADEL?

Ein weiterer Player in der Nord-Süd-Thematik an der ETH ist das Nachdiplomstudium für Entwicklung und Zusammenarbeit (NADEL). Dessen Leiter, Rolf Kappel, unterstützt zwar die Idee eines Zentrums. Auf die Frage, ob man das NADEL auch in ein solches Zentrum integrieren sollte, antwortet Kappel jedoch: „Dort wo wir heute sind, fühlen wir uns wohl und am richtigen Ort. Wir haben die sozialwissenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen und das intellektuelle Umfeld, das wir für unsere Arbeit benötigen.“ Das NADEL ist im D-GESS angesiedelt und Mitglied des CIS (Center for Comparative and International Studies).

Für Kappel, der bis vor kurzem selber das Netzwerk NIDECO präsidierte, muss ein Nord-Süd-Zentrum dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Mitglieder des ZIL und des NIDECO in unterschiedlicher Intensität mit Entwicklungsfragen beschäftigen. Für gewisse ETH-Forschende machten Entwicklungsfragen bloss einen kleinen Teil ihrer Tätigkeit aus; für andere wie z.B. das NADEL sei die Thematik das Kerngeschäft in Forschung und Lehre. Kappel will sich aber der Diskussion über ein Zusammenrücken nicht verschliessen. So wäre es seiner Meinung nach bereits ein Fortschritt, wenn die Geschäftsstellen von NIDECO, ZIL und NADEL örtlich zusammengeführt würden.

Die Diskussion um ein Nord-Süd-Zentrum an der ETH ist lanciert und sie wird, wie immer, wenn historisch gewachsene Strukturen durch neue abgelöst werden sollen, von allen Beteiligten Kompromisse abverlangen. Eine erste Gelegenheit, das Gemeinsame zu suchen ohne das Eigene ganz zu negieren, haben die verschiedenen Anspruchsgruppen am 8. September an einem Workshop auf dem Hönggerberg.




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