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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 31.01.2002 06:00

Fallstudie der Umweltnaturwissenschaften über die Ozonschicht
Von der Wissenschaft zur Politik

Einmal mit einem Nobelpreisträger debattieren: Sherwood Rowland, der Entdecker des Ozon-schädigenden Effekts der Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), war nur einer unter mehreren klingenden Namen an einem gut besuchten ETH-Panel zum Thema "Ozonloch und Klimaänderung". Organisiert wurde es vom Departement Umweltnaturwissenschaften. Studierende spielten die Rolle des Advocatus Diaboli.

Von Lukas Denzler

Der zweiseitige Artikel im Wissenschaftsmagazin "Nature" schlug in der Fachwelt wie eine Bombe ein. Im Juni 1974 alarmierten Mario Molina und Sherwood Rowland die Öffentlichkeit, Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) könnten in der Stratosphäre zu einem massiven Abbau der Ozonschicht führen. Die Politiker reagierten rasch, zumindest in Nordamerika. Bereits zwei Jahre später wurde die Produktion von FCKW in den USA verboten. Für die Entdeckung der ozonzerstörenden Wirkung der FCKW erhielten Rowland und Molina 1995 den Nobelpreis für Chemie.

Wirksames Protokoll von Montreal

Mit der Entdeckung des Ozonlochs über der Antarktis erhielt das Problem 1984 eine neue Dimension. Aufgeschreckt durch die sehr tiefen Ozonwerte waren nun zahlreiche Staaten bereit, griffige Massnahmen zum Schutz der Ozonschicht einzuleiten. Im Jahre 1987 einigte sich die internationale Gemeinschaft im so genannten Protokoll von Montreal über die Reduktion von Substanzen, die die Ozonschicht zerstören. Das Protokoll wurde später mehrere Male verschärft. Die Bemühungen haben sich gelohnt: die Wissenschaftler prognostizieren, dass die Chlorkonzentration in der Atmosphäre spätestens in fünf Jahren das Maximum erreicht und nachher wieder langsam abnehmen wird.

panel
Illustres Podium: Bill Hare (Greenpeace), Nick Campbell (ATOFINA Chemicals), Peter Lippuner (SF DRS), F. Sherwood Rowland (Nobelpreis Chemie 1995), Nelson Sabogal (UNEP), Olaf Kübler, Präsident der ETH Zürich (v.l.n.r.) gross

Die Ächtung der FCKW gilt als Erfolgsgeschichte in der internationalen Umweltschutzpolitik. Weniger erfolgreich sind demgegenüber die Massnahmen für den Klimaschutz. Dies veranlasste das Departement Umweltnaturwissenschaften, eine Fallstudie über den Schutz der Ozonschicht und das Montrealer Protokoll für die Studierenden durchzuführen.

Höhepunkt der Studie war die Podiumsdiskussion zum Thema "Ozone Hole and Climate Change, from Science to Policy" am Dienstag an der ETH. Es ist dem Institut für Atmosphäre und Klima gelungen, Sherwood Rowland für diese Veranstaltung zu gewinnen. Der Nobelpreisträger stellte sich zusammen mit Bill Hare (Greenpeace International), Nick Campbell (Atofina Chemicals), Nelson Sabogal (Ozone Secretariat, United Nations Environmental Programme) und Olaf Kübler (ETH Zürich) den kritischen Fragen der Studierenden. Peter Lippuner von SF DRS moderierte, hielt sich aber zurück und überliess den Studierenden die Rolle des Advocatus Diaboli.


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studentin panel
Advocata Diaboli - kritische Fragen der Studierenden. Auch ETH-Präsident Olaf Kübler wurde nicht verschont. gross

Der Forscher am Telefon

Als erstes diskutierten die Podiumsteilnehmer über die Rolle der Wissenschaftler. Sollen Wissenschaftler sich öffentlich engagieren? Sherwood Rowland antwortete mit einem Beispiel: "Sie bekommen ein Telefon von einem Journalisten der New York Times. Dann haben sie zwei Möglichkeiten. Sie können sagen, sie müssen für den nächsten Tag die Vorlesung vorbereiten - oder sie können dem Journalisten Auskunft geben". Rowland weiss, wovon er spricht: nach seiner Publikation in "Nature" verbrache er am Telefon sehr viel Zeit mit Journalisten.

ETH-Präsident Olaf Kübler riet den Forschenden, möglichst sich selbst und so politisch wie eben möglich zu sein. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig, dass Wissenschaftler sich mehr engagieren könnten. Ein Problem ist die Unsicherheit wissenschaftlicher Aussagen und Prognosen. Insbesondere in der Klimadebatte werden Begriffe wie "wahrscheinlich" und "sehr wahrscheinlich" oft verwendet. Bill Hare von Greenpeace International vertrat die Meinung, Wissenschaftler sollten vermehrt zeigen, wo Unsicherheit besteht und auch erklären, was dies bedeutet.

Das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik zeigt auch folgendes Beispiel: In den USA wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich beim Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), das die Klimaberichte veröffentlicht hat, um ein politisches oder ein wissenschaftliches Gremium handelt. Die amerikanischen Wissenschaftler haben laut Rowland klar erklärt, das IPCC sei ein wissenschaftliches Gremium. Die Administration Bush will das Kyoto-Protokoll aus politischen Gründen trotzdem nicht umsetzen.

Der seit dem Montrealer Protokoll verbotene Handel mit Ozonschicht-zerstörenden Substanzen wurde von den Experten auf dem Podium als kein grosses Problem beurteilt. Die Studierenden bemängelten jedoch, dass im Montreal-Protokoll Kontrollmechanismen fehlten und immer wieder Ungereimtheiten auftauchten.

Änderung des Lebensstils gefordert

Auch die Rolle der Medien kam zur Sprache. Über das Ozonloch wurde viel berichtet, und auch die Klimadebatte wird von Medienschaffenden regelmässig aufgegriffen. Sherwood Rowland ist der Meinung, die Berichterstattung über wissenschaftliche Themen sei in den USA in den letzten 30 Jahren besser geworden, zumindest in Zeitungen und Zeitschriften. Wissenschaftsjournalismus sei heute professioneller und auch als eigene Disziplin anerkannt. Die anderen Podiumsteilnehmer schlossen sich dieser Ansicht im Wesentlichen an.

Am Schluss die wichtige Frage aus dem Publikum: Was können wir aus der Ozonloch-FCKW-Geschichte für die Klimadebatte lernen? Oder sind die beiden Problemfelder zu unterschiedlich? - Es gibt in der Tat wichtige Unterschiede: Um 1970 gab es auf der ganzen Welt nicht einmal 20 Unternehmen, die FCKW produzierten. Das Verbot konnte relativ schnell umgesetzt werden, auch weil die FCKW durch Stoffe mit ähnlichen Eigenschaften ersetzt werden konnten. Eine spürbare Reduktion der Treibhausgas-Emmissionen erfordert hingegen eine Änderung des Lebensstils. Und dafür braucht es wesentlich mehr Zeit.


Literaturhinweise:
Spektrum der Wissenschaft, Dossier Klima, 1/2002. In diesem Heft sind Artikel zur Klimaforschung, Klimageschichte und zu den Folgen des Klimawandels der letzten drei Jahre zusammengestellt: www.wissenschaft-online.de



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