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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 28.11.2005 06:00

Ex-Buwal-Direktor Philippe Roch über 40 Jahre Naturschutzgesetz
Der Wert der Natur

Werden wirtschaftliches Wachstum und der Erhalt der natürlichen und landschaftlichen Ressourcen gegen einander ausgespielt, gräbt sich der Mensch selbst das Wasser ab, sagte Philippe Roch, bis September 2005 Direktor des Bundesamts für Wald und Landschaft am Freitag in einem Referat an der ETH. Es brauche das Bewusstsein, dass es Prosperität nur auf der Basis der Sorge zur Natur geben könne.

Norbert Staub

Mit der Bundesrats-Botschaft des vom 12. November 1965 zum Gesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) wurde in der Schweiz der Naturschutz landesweit verankert. Ziel des NHG ist der Schutz von Einzelobjekten und Landschaften von natur- und heimatkundlicher Bedeutung. „Zentrale Neuerung darin war das Beschwerderecht“, sagte Philippe Roch, bis Ende September 2005 Direktor des Bundesamts für Wald und Landschaft (Buwal) am Freitag in einem Referat an der ETH. „Ohne dieses Recht wäre fast nichts erreicht worden.“

Beschleunigtes Artensterben

Trotzdem änderte sich seither wenig am beschleunigten Rückgang von naturnahem Lebensraum für Flora und Fauna. (1) Einen Hauptmotor dieser Entwicklung erblickt Roch in einer undifferenzierten Wachstumsideologie: „Sie setzt uns in Konflikt mit der Natur und führt geradewegs ins Nichts.“ Einen grossen Mangel sieht Roch darin, dass die Raumplanung in der Schweiz auf sehr schwachen Füssen stehe. „Hier geschieht manchmal das Gegenteil von Raumplanung“, sagte Roch. Er illustrierte dies mit dem aktuellen Beispiel der Freiburger Gemeinde Galmiz. (2)

In seinem Tour d’horizon über das Spannungsverhältnis zwischen Wachstum und Naturschutz holte Roch weit aus. Durch die industrielle Revolution seien die Natur und ihre Ressourcen in dramatischer Weise unter Druck gesetzt, dezimidert und zerstört worden. Einzelne erfolgreiche Bemühungen zum Gegensteuern, wie das schon 1876 in der Schweiz eingeführte Waldgesetz oder die Schaffung des Nationalparks 1913, bildeten nur die Ausnahme von der Regel. Global gesehen würden anhaltender Flächenverlust, Übernutzung (etwa der Fischbestände), die Ausbreitung invasiver Pflanzen und Tiere in neue Gebiete und der Klimawandel das Artensterben heute um Fünfzig- bis Fünfhundertfache beschleunigen.

Kehrtwende in Rio

Doch es gebe kraftvolle politische Gegenbewegungen. Ab den 60-er Jahren sei diesbezüglich ein Aufbruch zu spüren gewesen. 1961 wurde der World Wildlife Fund (WWF) gegründet. 1971 sollte mit der internationalen Konvention von Ramsar - „eines der wirkungsvollsten Vertragswerke“, so Roch - das Management von Flora und Fauna ganzer Feuchtgebiete ermöglicht werden. 1972 lancierte der Club of Rome seinen epochalen Warnruf „Grenzen des Wachstums“; im selben Jahr hob die UNESCO die Liste des Welt-Kultur- und -Naturerbes aus der Taufe. Im Jahr 1973 folgte das Washingtoner Artenschutzabkommen.


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Ungebremste Mobilität als Risiko: Rücksichtsloses Wachstumsdenken gefährde die natürliche Basis und damit eine echte Entwicklung, findet Ex-Buwal-Chef Philippe Roch (Bild: E. Ramseier).

Aus heutiger Sicht aber richtungweisend war der Erdgipfel von Rio im Jahr 1992, findet Philippe Roch. Das Treffen habe die Naturschutz-Ziele unlösbar mit der Entwicklung verknüpft. „Seit Rio ist in breiten gesellschaftlichen Schichten klar: Nur eine intakte Umwelt garantiert einen langfristigen wirtschaftlichen Nutzen.“

Die Natur sei ein Gratis-Kapital, das unschätzbare Dienste leiste, sagte Roch. Etwa beim Wasser: In der Schweiz stammten 80 Prozent des Trinkwassers aus Quellen. Die Hälfte davon könne ohne irgend eine Vorbehandlung konsumiert werden, der Rest nach nur minimalen Eingriffen. Wald, Bodenqualität, Umwelt- und Agrarpolitik würden diese hohe Wasserqualität gewährleisten, erklärte Roch. Unternehmen wie Henniez, die mit Landkäufen, Aufforstungen und Verträgen mit Landwirten ihre Mineralquellen schützen, hätten den Wert der Natur als Ressource begriffen.

Hochschulen in der Pflicht

Noch bestehe aber wenig Grund für Optimismus, da im Hinblick auf die Zukunft noch grosse Lücken beständen. Roch nannte die bereits angesprochene schwache Raumplanung in der Schweiz, den anhaltenden Ausbau der privaten Mobilität und den damit verbundenen Lärm (welchen strategisch zu bekämpfen Roch als Buwal-Direktor vergeblich angeregt hatte), die anhaltende schleichende Verschmutzung der Gewässer und international besonders die Armut sowie den Kampf um Wasserressourcen. Die ans Referat anschliessende Diskussion war denn auch recht pessimistisch eingefärbt. Die Raumplanung, zumal im Kanton Zürich, wurde als katastrophal bezeichnet. Zudem stelle das Argument Wirtschaftswachstum den Schutzgedanken wieder zunehmend in den Schatten. Dass es allerdings kaum einen konzentrierten Kontrapunkt gebe, liege auch an der Verzettelung der Kräfte der Umwelt-Interessengruppen.

Roch selbst beklagte einen weitreichenden Verlust des Kontakts zur Natur bereits bei Kindern. Diesen wieder herzustellen, sei eine der grossen Aufgaben von Schulen und Hochschulen. Letzteren und vor allem der ETH empfahl er, die herkömmlichen Fächer nicht durch die Bio- und Gentechnologie zu verdrängen. Gerade in diesem Bereich plädierte er für eine betont kritische Geisteshaltung, die dem Zweifeln und Fragen nie einen Riegel schiebe.


Literaturhinweise:
Link zum Text des NHG: www.admin.ch/ch/d/sr/451/index.html

Fussnoten:
(1) Im Rahmen einer Vortragsreihe der ETH-Professur für Natur- und Landschaftsschutz. Website der Professur für Natur- und Landschaftsschutz: www.nls.ethz.ch/
(2) Siehe dazu den „ETH Life“-Bericht „Symbol für räumliche Entwicklung“ zum entsprechenden Referat, das in der gleichen NLS-Veranstaltungsreihe stattfand: www.ethlife.ethz.ch/articles/news/galmizlehren.html



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