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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.10.2004 06:00

Start einer Sensibilisierungskampagne an der ETH
Respekt ist Pflicht

Die ETH positioniert sich als führende Hochschule. Sie wird auch als solche anerkannt. Doch mitunter geht vergessen, dass es ein hervorragendes Arbeitsklima braucht, um konstant Topleistungen zu erbringen. Die ETH-Angehörigen sollen ab dem heutigen Semesterbeginn durch eine Kampagne dafür sensibilisiert werden.

Norbert Staub

Eine der Maximen, die er bei der Peer-Evaluation des ETH-Bereiches im Jahr 2002 genannt habe, sei, zu Studierenden und Angestellten Sorge zu tragen, sagt ETH-Präsident Olaf Kübler. „Die ETH ist international ausgerichtet und international zusammengesetzt. Hier arbeiten Personen aus dem In- und Ausland, mit oft ganz unterschiedlichen Hintergründen, gemeinsam an hoch komplexen Fragen.“ Das dafür nötige Arbeitsumfeld zu schaffen, sei immer wieder äusserst anspruchsvoll. Es verlange vor allem gegenseitige Achtung und Respekt. Darum, so Kübler, habe er das Patronat für die „Respekt“-Kampagne sehr gern übernommen.

Diskrimierung: nicht toleriert

Wo Menschen arbeiten, sind Konflikte und Störungen nicht zu vermeiden. Schnell ist ein verletzendes Wort gefallen, schnell wird übersehen, dass jemand benachteiligt wird. Vielleicht fällt es an einer renommierten Hochschule schwerer als anderswo zu akzeptieren, dass es die allzumenschlichen Kehrseiten der Arbeitswelt auch hier gibt. „Grundlegend ist ein vorurteilsfreier, fairer Umgang unter Studierenden, Forschenden und Mitarbeitenden“, findet Olaf Kübler: „Ich möchte klar festhalten: Diskriminierungen toleriert die ETH nicht.“

Das Potenzial der ETH-Angehörigen könne sich nur entfalten, wenn sich alle an ihrem Arbeitsplatz verstanden und geachtet fühlen, meint wie Olaf Kübler auch Eugen Teuwsen, Psychologe und einer der ETH-Ombudsmänner: „Der Mensch ist ein ausgesprochen sensibles Wesen. Er braucht viel Verständnis, Bestätigung und Anerkennung.“ Aber stimmen die Voraussetzungen, sei sein Leistungsvermögen geradezu „unvorstellbar“.

Abhängigkeiten

Das Arbeitsumfeld ETH unterscheide sich erheblich von der Privatwirtschaft, sagt André Schmid, Leiter der ETH-Personalberatung. Denn wer sich an der ETH wissenschaftlich weiterbildet, tue dies mit dem Ziel Diplom oder Doktorat. Beim Doktorat, so Schmid, komme der Beziehung zum Professor oder zur Professorin enorme Bedeutung zu. Ein weiterer Punkt: die Hälfte der rund 8’000 ETH-Mitarbeitenden verfügt nur über einen befristeten Arbeitsvertrag.

Zudem stammt ein Drittel der Mitarbeitenden in der Forschung aus dem Ausland – ihre Qualifikation ist relevant für die Aufenthaltsbewilligung. Kommt hinzu, dass gewisse Studien- und Forschungsrichtungen der ETH praktisch eine Monopolstellung halten. „All dies führt bei vielen ETH-Angehörigen zu Abhängigkeiten. Begehen nun Chefs Respektlosigkeiten, ist dies besonders problematisch, weil die Betroffenen gleichzeitig Abhängige sind“, hält André Schmid fest.

Nagelprobe für Führung

„ Wer führt, gibt den Takt vor. In der Hierarchie vorgelebtes Verhalten pflanzt sich kaskadenartig fort. Daher müssen Vorgesetzte besonders auf einen respektvollen Umgang mit ihren Mitarbeitenden achten“, hält Brigitte von Känel fest, die Präsidentin der Personalkommission (PeKo).


Sensibilisierung für alle

Treten Fälle von Diskriminierungen auf, sind es ETH-Personalverantwortliche wie André Schmid, die sich einschalten. Ernste Fälle würden im Schnitt zwar nur etwa eine Handvoll jährlich vorkommen. Ernst, das heisse: Intrigen, Mobbing, Rassismus oder sexuelle Belästigung. Das Problem sei aber, dass nur die wenigsten Opfer darüber sprechen wollen – etwa aus Angst, nicht ernst genommen zu werden oder gar noch mehr Demütigungen zu erfahren. In solchen Fällen sind laut Schmid der Ahndung Grenzen gesetzt. Von der „Respekt“-Kampagne erhofft er sich eine Sensibilisierung auf allen Hierarchiestufen: „Ich denke auch an Fragestellungen wie etwa: Hat es jemand, der oder die jung ist und gut aussieht, leichter angestellt zu werden als andere? Wie ist unser Rollenverhalten gegenüber Frauen, Männern oder ausländischen KollegInnen?“




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An der ETH wird Diskriminierung nicht toleriert. Ab Semesterbeginn macht eine Kampagne darauf aufmerksam. (Bild: Daniel Lienhard, Zürich) gross

Als Nagelprobe für das Führungsverhalten sieht sie die Leistungsbeurteilung. „Chefs müssen erkennen, ob eine Person aus ihren Mitteln das Beste macht, und deren Stärken fördern.“ Das ist mehr als ein schöner Vorsatz: Die ETH-Personalverordnung verpflichtet die Mitarbeitenden wörtlich, „sich ihren Fähigkeiten und den Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechend weiterzubilden und sich auf Veränderungen einzustellen.“ Damit stehen auch die Vorgesetzten in der Pflicht. „Es gibt an der ETH allerdings immer noch Fälle, wo Chefs die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeitenden nicht einmal zulassen“, so die PeKo-Präsidentin.

Hauswart: für einmal der Star

Aber wie anderswo komme es an der ETH auch unter gleich Gestellten zu Respektlosigkeiten, betont Personalberater André Schmid. Brigitte von Känel meint: „Es ist genauso schädlich, wenn Mitarbeitende über ihre Vorgesetzten herziehen.“ Eine Bewertung der Aktie „Respekt“ an der ETH fiele für Brigitte von Känel gemischt aus. Zwar würden die Anliegen der Mitarbeitenden von der Schule heute ernster genommen als noch vor zehn Jahren. Dennoch nehme sie nach wie vor viel statusbedingte Arroganz wahr. Nicht zufällig hat die PeKo daher ihrem Jubiläumsprojekt „ETHeater“ als Grundidee die Förderung der Achtung für einander mitgegeben: hier darf ein Hauswart Star sein - der Professor begnügt sich für einmal mit der Nebenrolle.

Probleme einer Männerdomäne

Ein weiteres Diskriminierungs-Risiko lauert in der Tatsache, dass an der ETH Männer die grosse Mehrheit ausmachen. „Das wirkt sich auf den Umgang zwischen den Geschlechtern aus“, sagt Carla Zingg, zusammen mit Brigitte Manz Leiterin der ETH-Stelle für Chancengleichheit. Als Minderheit hätten Frauen häufig mit Problemen zu kämpfen, die für Minderheiten typisch sind: etwa mit Verhaltensformen, die von der Männermehrheit zwar toleriert, von Frauen hingegen als störend oder belästigend empfunden werden. „Zudem werden Frauen in Männerdomänen oft in erster Linie als Frauen und nicht als Fachpersonen gesehen und müssen beweisen, dass sie wissen, wovon sie sprechen.“

Man könne nicht generell beantworten, wo Diskriminierung beginnt, meint Carla Zingg. „Es ist entscheidend, ob sich eine betroffene Person diskriminiert fühlt. Das individuelle Empfinden ist also Ausschlag gebend und nicht festgelegte Standards - das erfordert Respekt.“ Die Kampagne der ETH will dafür sensibilisieren, bereits auf die Mechanismen zu achten, die zu Benachteiligungen führen. Höflichkeit und Anstand, meint Carla Zingg, seien gesellschaftlich leider aus der Mode gekommen. Für ein funktionierendes Miteinander wären diese Werte jedoch nach wie vor von hohem Wert.

So wertvoll wie ein Nobelpreis

Wohlverstanden: Gegen Herabsetzung vorzugehen, ist nicht freiwillig, sondern einklagbare Pflicht (1). Institutionen wie die EAWAG haben deshalb spezielle Reglemente geschaffen. So weit will man an der ETH nicht gehen. Neben der Informations-Kampagne setzt zum Beispiel die Personal- und Organisationsentwicklung der ETH in Führungskursen auf Module, die das Bewusstsein schärfen. Ombudsmann Eugen Teuwsen: „Ein Arbeitsklima, welches das Gefühl von Zugehörigkeit, Verstandensein und Motivation fördert, ist für die vielen täglich davon Betroffenen wertvoll - wohl ebenso wertvoll wie ein Nobelpreis.“


Literaturhinweise:
Die Website www.respect.ethz.ch bietet detaillierte Informationen zum Thema sowie eine Übersicht der Anlaufstellen, welche für Fragen und Hilfestellung zur Verfügung stehen. Die Anlaufstellen sind zur Vertraulichkeit verpflichtet.

Fussnoten:
(1) Im Gleichstellungsgesetz von 1996 steht: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft.“



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