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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.12.2005 06:00

Konjunkturforschungsstelle der ETH vor Leiterwechsel
"Die KOF braucht neue Impulse"

Der langjährige Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH, Bernd Schips, sieht seinen letzten Arbeitstagen entgegen. An Ruhestand mag der umtriebige Ökonom aber noch nicht denken.

Peter Rüegg

Bestimmt dirigiert Bernd Schips eine Mitarbeiterin aus seinem Büro. Unmissverständlich die Worte, die Gesten. Türe zu. Der Zug von St.Gallen war verspätet. Dann zieht er seinen Mantel aus, setzt sich an den Tisch, wieder ganz die Ruhe selbst, und fixiert mit seinem Blick sein Gegenüber. Die letzten Tage des Bernd Schips als Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) sind angebrochen. 65 Jahre alt wurde er letztes Jahr, bald danach wurde der Name seines Nachfolgers bekannt. Seine Abschiedsvorlesung hielt er Ende Januar dieses Jahres. Pensioniert wäre er seit bald einem Jahr – eigentlich. Doch Schips ist auf Wunsch der ETH-Leitung noch ein Jahr länger im Amt geblieben.

KOF braucht neue Impulse

Am 31. Dezember wird nun der Wechsel an der Spitze der KOF Tatsache. An einer solchen Stelle dürfe man nicht zu lange bleiben, sagt der Professor für Nationalökonomie. Fünf Jahre wären für solch ein Amt wohl zu wenig, 10 Jahre hingegen genug. Er selbst habe nun 13 Jahre diese Funktion eingenommen, drei Jahre länger als es ihm persönlich und der Institution gut tun würde, bekennt er selbstkritisch. „Die KOF braucht neue Impulse“, sagt er. Alle 10 Jahre sei eine radikale Durchforstung nötig. Neue Mitarbeiter würden zwar auch neue Ideen bringen, als Leiter der KOF drücke man dem Institut dennoch seinen Stempel auf.

Dieser Stempel prägte die KOF tatsächlich. Unter Bernd Schips ist sie nicht bloss ein Institut gewesen, sondern eine Institution geworden, die sich in der Öffentlichkeit und in der Wirtschaft Gehör verschaffen konnte und einen guten Ruf aufbaute. Die Umfragen, die Konjunkturanalysen und –prognosen des KOF geniessen mittlerweile grosses Vertrauen, weil – so Schips – der Konjunkturbarometer sehr oft richtig gelegen hat. Dieses Instrument wurde unter ihm laufend an die steigenden Anforderungen und Datenmengen angepasst und so verbessert, dass mittlerweile quantitative Vorhersagen möglich sind.

Aus Bedeutungslosigkeit hervor geholt

Das war nicht immer so. 1937 wurde die KOF gegründet und war nach dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Stimme in der Schweiz. Doch damals gab es kaum Institutionen, die sich mit gesamtwirtschaftlichen Analysen beschäftigte. Das änderte sich, als andere Universitäten, verschiedene Bundesämter und Banken eigene Wirtschaftsforschungseinrichtungen aufbauten. „Die KOF war nur noch eine unter vielen“, blickt Schips zurück. Seit Beginn der 90er-Jahre habe sie aber wieder ihren Platz gefunden. Man könnte dies auf den Einfluss des Deutschen zurückführen, der die KOF am 1. Januar 1993 übernommen hatte. Doch solch Eigenlob ist nicht Sache des Wirtschaftswissenschaftlers.

Nach seinem Amtsantritt analysierte Schips erst sein eigenes Institut und stellte es auf eine neue Basis. Drei gleichwertige Arbeitsbereiche baute er auf: laufende Konjunkturbeobachtungen und -analysen mit all den dazu notwendigen Dienstleistungen wie Umfragen und Auswertungen, die Ausbildung in empirischer Wirtschaftsforschung sowie die Beteiligung an der Lehre der ETH. Er habe auch neue technische Hilfsmittel eingeführt, unter anderem Scanner, damit die erhobenen Daten nicht mehr abgetippt werden mussten. Mittlerweile können Unternehmen auch über das Internet an den Umfragen teilnehmen. Schips musste aber auch die wissenschaftliche und personelle Basis schaffen für den Erfolg der KOF. Bis sich die Strukturen wieder etabliert hätten, habe es ein paar Jahre gedauert. Auf jeden Fall länger, als er sich dies vorstellte.

KOF, ein braves Kind?

Zu Beginn habe ihn die Schulleitung unter Nüesch und Widmer gut unterstützt. Seit Widmers Pensionierung habe sich die Schulleitung aber kaum mehr für die KOF interessiert. „Ich kann das verstehen, die ETH hat so viele Bereiche, da hat die empirische Wirtschaftsforschung kaum eine Priorität“. Dennoch macht Schips keinen Hehl daraus, dass er sich manchmal mehr Unterstützung gewünscht hätte. Sie hätten vieles mit ihren eigenen begrenzten Mitteln und Anstrengungen machen müssen. „Brave Kinder verlangen nichts, brave Kinder bekommen auch nichts. Vielleicht hätten wir mehr auf den Tisch hauen sollen“, sagt der Professor.


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Bernd Schips, langjähriger Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF), tritt Ende Jahr definitiv zurück. gross

Klagen will er nicht, Bitterkeit ist keine zu spüren. Und gleichwohl hofft er auf bessere Bedingungen für die KOF. „Ich hoffe, dass unter der neuen Schulleitung der ETH die KOF das Gewicht erhält, das sie verdient“, betont der Institutsleiter. Denn die KOF beschäftigte sich auch mit Innovationsforschung, dies sei durchaus eine wichtige Schnittstelle zu anderen Bereichen der ETH.

Gradlinige Karriere

Zu bedauern gibt es für Professor Schips tatsächlich nichts. Er hat sich bewusst für eine Karriere in der Wissenschaft entschieden, die gradlinig und erfolgreich war. Seine Laufbahn begann der heute 66-jährige mit seinem Studium an den Universitäten Karlsruhe, Tübingen und Bochum, das er 1966 abschloss. Ein Jahr später erlangte er die Promotion, 1970 habilitierte er in Wirtschaftstheorie und Ökonometrie, danach lehrte er an der Universität Bochum, erst als Privatdozent, später als Professor für Ökonometrie. 1974 folgte er dem Ruf der HSG St. Gallen. Dort blieb er, bis ihn die ETH 1993 nach Zürich holte. Seinen Wohnort hat er dennoch nicht mehr verlegen wollen. In St. Gallen fühlen sich er und seine Frau zu Hause. Er habe auch viele Rufe zurück nach Deutschland gehabt, unter anderem einen nach Bochum. Da sei es ihm besonders schwer gefallen, sich zu entscheiden - und schliesslich Nein zu sagen. „Wenn man mal irgendwo etwas anfängt, dann soll man es auch zu Ende bringen“, beschreibt er heute den Entscheid von damals.

Wissenschaft und Wandern

Bald wird er also mehr Zeit haben für seine Hobbies, die er mit Wandern und Skifahren angibt. Aber ganz aus der Wissenschaft zurückziehen mag er sich nicht. Noch wolle er begonnene Arbeiten zu Ende führen. Und sich schliesslich auch auf Neuland wagen, denn ein besonderes persönliches Interesse hat der Ökonom an der Pflegefinanzierung. Wenn die Babyboomer-Generation hoch betagt sei, dann gebe es auf einen Schlag auch mehr Pflegebedürftige. „Dieses Problem müssen wir heute vorbereiten und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Das ist mir ein persönliches Anliegen“, betont Bernd Schips. Er werde versuchen, sich zu diesem Thema wieder zu melden und Interessenten zu finden, die an daran arbeiten. Oder anders ausgedrückt: das Minenfeld Gesundheitswesen will er nicht auf leisen Sohlen begehen. Still bleiben wird es deshalb um den umtriebigen Bald-Emeritus nicht.




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