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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 25.03.2003 06:00

Angewandte Sporternährung
Sportlern fehlts an Energie

Das Swiss Forum for Sport Nutrition stellte vergangene Woche an einer Tagung zum ersten Mal eine Bestandesaufnahme der Ernährung von Spitzensportlern vor (1). ETH-Forscher kommen zum Schluss: Viele Sportlerinnen und Sportler ernähren sich ungenügend.

Von Michael Breu

Die Mängel sind nicht gravierend. Dennoch: Ihre Behebung könnte „kurzfristig eine messbare Verbesserung der Leistungsfähigkeit bewirken und mittel- bis langfristig eine bessere Gesundheit gewährleisten“, sagt Paolo Colombani, Oberassistent für Humanernährung an der ETH Zürich und Mitveranstalter der ersten internationalen Fachtagung „Angewandte Sporternährung“ (2). Der Anlass fand am vergangenen Freitag an der ETH statt; es nahmen 250 Sportlehrer, Ernährungsberaterinnen, Trainer, Sportler und weitere Interessierte teil. Vorgetragen wurden neueste Erkenntnisse aus der Forschung, die sich grob nach drei Kriterien unterscheiden lassen – der Ernährung mit Makronährstoffen wie Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen, des Flüssigkeitshaushaltes und der Ernährung mit Mikronährstoffen wie Mineralstoffen und Vitaminen.

Zuwenig Kohlenhydrate

„Das zweifelsohne wichtigste Kriterium der Ernährung im Spitzensport ist eine genügende Energiezufuhr“, sagt Paolo Colombani. Seine Untersuchungen zeigen: „53 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen hatten eine niedrigere Kohlenhydrataufnahme als die empfohlenen 6 Gramm pro Kilogramm Körpermasse.“ Doch Vorsicht mit nackten Zahlen, warnt Colombani. Würde der Kalorienverlust zutreffen, würde die Sportlerin 30 Kilo Körpermasse in einem einzigen Jahr abbauen. Dennoch widerspiegelt die Untersuchung einen Trend, den auch Trainer beobachten – Colombani meint: „Die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Männer und beinahe 70 Prozent der Frauen die Mindestaufnahme an Kohlenhydraten nicht erreichten, ist als bedenklich einzustufen.“ Zwar scheint die Ernährungsbilanz bei den Fetten und Proteinen auf den ersten Blick befriedigend, trotzdem: „Die Aufnahme an gesättigten Fettsäuren ist als zu hoch und diejenige an mehrfach ungesättigten als zu niedrig einzustufen“, sagt Colombani. „Innerhalb der mehrfach ungesättigten Fettsäuren war zudem ein Ungleichgewicht zu verzeichnen: Die Zufuhr von Omega-6-Fettsäuren war im Vergleich zur Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren zu hoch.“ Den Sportlern empfiehlt die Tagung: Raps- und Leinöl, Fisch und mehrmals am Tag eine kohlenhydratreiche Mahlzeit, etwa Teigwaren. Asker E. Jeukendrup vom Human Performance Laboratory der University of Birmingham meint: „Bei genügender Kohlenhydratzufuhr können die Glykogenspeicher innerhalb von 24 Stunden wieder auf normale Gehalte gebracht werden.“

Das Geschlecht bestimmt mit

Interessante, neue Aspekte für die Sporternährung hat Mark A. Tarnopolsky von der kanadischen McMaster University herausgefunden. „Die Forschung hat mehrheitlich gezeigt, dass Frauen während Ausdauerbelastungen proportional gesehen mehr Fette und weniger Kohlenhydrate verbrennen als Männer.“ Das hat Konsequenzen: „In den Ernährungsempfehlungen müssen diese Erkenntnisse berücksichtigt werden. Es braucht eine geschlechtsspezifische Ernährung“, eine Forderung, die auch Jacques Décombaz vom Nestlé Research Centre in Lausanne unterstützt.

Chronischer Flüssigkeitsmangel

Dramatischer als bei der Energiezufuhr ist die Situation beim Flüssigkeitshaushalt. Paolo Colombanis Forschung zeigt, dass viele Spitzensportler zu wenig trinken. Susan M. Shirreffs von der School of Sport and Exercise Sciences der University Loughborough findet: „Für die Rehydratation nach einer Belastung sind sowohl das Trinken eines angemessen grossen Volumens – mehr als das Schweissvolumen – wie auch die Menge an Natrium im


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Für Sportler entscheidend: Der Kohlenhydratspeicher muss nach der Anstrengung wieder aufgebaut werden. Und Flüssigkeit braucht es mehr, als man geschwitzt hat. (Bild: Hansjörg Egger) gross

Getränk von Bedeutung.“ Den traditionellen Sportgetränken wie Gatorade, Isostar, Powerbar, Lucozade und Powerade stellt sie gute Noten aus.

„In der Sporternährung geht man generell davon aus, dass bei genügender Energieaufnahme und einigermassen ausgewogener Ernährung auch die Zufuhr an Mikronährstoffen angemessen ist“, erklärt Paolo Colombani. „Bis zu einem Drittel der Sportler nehmen jedoch zu viele Mikronährstoffe auf.“ Dennoch: Betrachtet man die einzelnen Mineralstoffe und Vitamine im Detail, zeigt sich ein anderes Bild: Während einzelne Sportler in Colombanis Studie das 1348-fache der empfohlenen Vitamin B12-Menge aufnahmen, war der Anteil an Vitamin D, Folsäure, Kalzium und Eisen deutlich zu tief. Michael B. Zimmermann, Oberassistent im Labor für Humanernährung der ETH, findet: „Vitamin C- und Vitamin E-Supplemente scheinen zur Reduktion von belastungsbedingten Symptomen wie Muskelschmerzen viel versprechend zu sein. Die antioxidative Wirkung hat aber vermutlich keinen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.“ Die Nahrungsergänzung mit Magnesiumpräparaten scheint seiner Meinung nach nicht nötig: „Die Leistung wird von Magnesium nicht beeinflusst“, sagt der Mediziner. Dennoch: Es gibt auf dem Markt ein paar Präparate, die die Leistung positiv beeinflussen können. Christof Mannhart vom Sportwissenschaftlichen Institut in Magglingen zählt dazu: Kohlenhydratgetränke, Natriumbikarbonat, Natriumcitrat, Koffein, Kreatin-Monohydrat und Glyzerin. Noch nicht mit Sicherheit belegt ist die positive Wirkung von Hydroxy-Methylbutyrat. Mannhart findet: „Supplemente entsprechen nur einem Steinchen im Gesamtmosaik der körperlichen Leistungsfähigkeit.“ Die Empfehlung der Tagung: „Alle Athleten sollten Wert auf eine Ernährung legen, die reich an antioxidativen Substanzen ist.“

Bedenkliche Folgen

Ein anderes Kapitel der Ernährungswissenschaften beleuchtet die Forschung von Jorunn Sundgot-Borgen von der Norwegian University of Sport and Physical Education. Die Wissenschafterin untersucht die Auswirkungen der Mangelernährung bei Frauen auf Zyklusstörungen und die Knochendichte. Ihre Ergebnisse sind erschreckend: Mehr als ein Drittel der Spitzenathletinnen – vor allem Turnerinnen – haben einen gestörten Monatszyklus, der gleichzeitig mit einer Abnahme der Knochendichte einhergeht. Sie plädiert an die Trainer, mit den Athletinnen das Thema Ernährung zu diskutieren.

Nur ein Faktor unter vielen

Die Resultate der Tagung sind ernüchternd: schlechte Energiebilanz, zu wenig Mineralstoffe und Vitamine. „Trotz allen möglichen Einflüssen auf die Leistungsfähigkeit, die von einer optimalen Ernährung ausgehen, sollte eines nicht vergessen werden: Ausschlaggebend für den Erfolg im Spitzensport ist eine Myriade von Faktoren“, findet Paolo Colombani. „Die Ernährung ist dabei nicht mehr und nicht weniger als einer dieser vielen Faktoren.“


Fussnoten:
(1) Swiss Forum for Sport Nutrition, Tagung „Angewandte Sporternährung“: http://www.sfsn.ethz.ch; siehe auch „Die ausgeglichene Bilanz ist entscheidend“, Interview mit Paolo C. Colombani, ETH Life vom 11. März 2003: http://www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/sporternaehrung.html
(2) Ernährungsbiologie der ETH Zürich: http://www.nb.inw.agrl.ethz.ch/



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