ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 11.03.2003 06:00

Angewandte Sporternährung
„Die ausgeglichene Bilanz ist entscheidend“

Die Ernährung von Sportlern lässt sich optimieren. Wie, das zeigt die internationale Tagung „Angewandte Sporternährung“, die am Freitag, 21. März, an der ETH Zürich stattfindet (1). Mitorganisiert wird sie von Paolo Colombani, Oberassistent für Humanernährung an der ETH Zürich (2).

Interview: Michael Breu

Die Sporternährung ist ein Teilgebiet der Ernährungswissenschaften. Was unterscheidet die Sporternährung von der „normalen“ Ernährung?

Paolo Colombani: Wir unterscheiden in der Sporternährungswissenschaft zwischen physisch aktiven Personen und Personen „mit ausgeprägter sitzender Tätigkeit“. Grund für die Unterscheidung ist der Energiebedarf: Wer Sport treibt, braucht mehr Energie. Und dieser Mehrbedarf an Energie muss über die Ernährung gedeckt werden.

Wann ist ein Sportler ein Sportler? Wie viele Sportler gibt es?

Colombani: Neben den Spitzensportlern mit einer entsprechenden Anerkennung durch die Swiss Olympic Association gibt es eine grosse Grauzone von Sportlern, die nicht erfasst sind. Erhoben hat man in der Schweiz hingegen, wie viele Frauen und Männer „minimal aktiv“ sind. Darunter versteht man: eine halbe Stunde moderate Aktivität, eine Belastung, bei der man ins Schnaufen kommt, aber nicht unbedingt schwitzen muss. Man könnte es auch als „forsches Gehen“ umschreiben. Die Zahlen zeigen: Nur ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer sind täglich während einer halben Stunde körperlich aktiv. Das ist sehr wenig. Man könnte diesen Zustand als echte „Epidemie des Sitzens“ umschreiben. Verschiedene Gesundheitsorganisationen haben physische Inaktivität auch als Krankheit anerkannt.

Auf was muss ein Sportler bei seiner Ernährung achten?

Colombani: Dass er genügend Energie in Form von Kohlenhydraten aufnimmt. Denn der entsprechende Energiespeicher ist begrenzt und muss täglich aufgefüllt werden.

Auf der Homepage des „Swiss Forum for Sport Nutrition“ wird die Sporternährung als Sieben-Punkte-Programm zusammengefasst. Gehen wir die einzelnen Punkte durch. Was heisst „ausgeglichene Energiebilanz“?

Colombani: Man sollte soviel Energie aufnehmen, wie man während dem ganzen Tag verbraucht. Der Grundbedarf, den man für das Leben braucht, muss gedeckt sein. Dazu kommt jene Energie, die durch Bewegung verbraucht wird.

Spinning, Konditionstraining auf dem Velo: Ein Mangel an Flüssigkeit mindert die Leistung. (Bild: Regina Schwendener) gross

Was versteht man unter der ausgeglichenen Flüssigkeitsbilanz?

Colombani: Auch hier gilt: Der Input muss gleich gross sein wie der Output. Die Flüssigkeitsbilanz ist im Sport von zentraler Bedeutung: Die Dehydratation, also eine Verminderung des im Körper verfügbaren Wassers, ist der erste, leistungslimitierende Faktor. Auch wenn nur ein Prozent der Körpermasse übers Schwitzen verloren geht, ist die Leistung bereits eingeschränkt.

Soll man kalte oder warme Getränke zu sich nehmen? Und: Wie steht es mit der Kohlensäure?

Colombani: Der Mensch empfindet ein kühles Getränk meist angenehmer. Doch eine Regel gibt es nicht. Die Kohlensäure ist während körperlicher Aktivität von Nachteil, weil sie zum Aufstossen führen kann. Allerdings verbessert sie die Haltbarkeit und den Geschmack des Getränks. Einen negativen Effekt in Sinne der Toxikologie hat sie nicht.


Ernährung ungenügend

„Eine richtig gewählte Ernährung trägt bedeutend zur optimalen mentalen und körperlichen Leistungsfähigkeit bei. Die auf eine Athletin oder einen Athleten abgestimmte Ernährung ist in einem Wettlauf mitunter für den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde verantwortlich“, heisst es in einer Medienmitteilung der ETH Zürich von gestern Montag. Eine Untersuchung der ETH in Zusammenarbeit mit dem Sportwissenschaftlichen Institut des Bundesamtes für Sport zeige, dass die Mehrheit der untersuchten Athletinnen und Athleten „unterhalb der minimalen Empfehlung der Zufuhr von Kohlenhydraten“ lag. Ebenfalls nicht genügend war die Zufuhr von Flüssigkeit. „Neben Kohlenhydraten und Flüssigkeit mangelt es den Sportlerinnen und Sportlern oft auch an ungesättigten Fettsäuren. Bei den Mikronährstoffen – Vitamine und Spurenelemente – ist die durchschnittliche Zufuhr zwar zufrieden stellend, viele nehmen jedoch entweder zuviel oder zuwenig auf.“

Die Studie der ETH Zürich soll an der internationalen Tagung „Angewandte Sporternährung“ vorgestellt werden, die am Freitag, 21. März stattfindet. Im Vorfeld der Tagung wird am Donnerstagabend, 20. März, der Schnellkurs „Grundlagen der Sporternährung“ durchgeführt. Die Tagung wird vom Swiss Forum for Sport Nutrition organisiert und unterstützt von ETH Zürich, Schweizerischer Gesellschaft für Sportmedizin, Schweizerischer Gesellschaft für Ernährungsforschung und der Swiss Olympic Association. Die Tagungsbeiträge werden anschliessend in der Schweizer Fachzeitschrift „Sportmedizin und Sporttraumatologie“ publiziert. Der Andrang ist gross, es hat aber sowohl im Schnellkurs wie an der Tagung noch Plätze.




weitermehr

Paolo Colombani, Oberassistent für Humanernährung an der ETH und Mitorganisator der internationalen Fachtagung. gross

Sportlergetränke gibt es eine ganze Menge. Taugen sie etwas?

Colombani: Ein grosser Teil taugt, was sie versprechen. Pauschal kann man sagen: Die Getränke von Schweizer Firmen und den grossen Konzernen sind gut zusammengesetzt. Denn die Unternehmen forschen seit vielen Jahren an der optimalen Zusammensetzung.

Stichwort: „Ausgeglichene Stickstoffbilanz“?

Colombani: Das bedeutet: Soviel Proteine müssen aufgenommen werden, wie verbraucht werden. Man sagt nicht Proteinbilanz, weil man Proteine als Ganzes schwierig messen kann. Deshalb nimmt man den Stickstoff als Indikator. Wie bei anderen Stoffen ist der Proteinbedarf von Sportlern erhöht: etwa um 50 bis 100 Prozent.

Auch bei den Proteinen gibt es viele Pülverchen. Wie steht es mit dem Nutzen?

Colombani: Die Eiweissaufnahme reicht in der Regel aus. Wenn sich ein Sportler abwechslungsreich ernährt, wird der Proteinbedarf gedeckt. Allerdings: Manchmal ist es einfacher, wenn man einen Shake trinken und die Proteine zum gewünschten Zeitpunkt einnehmen kann. Denn es ist entscheidend, wann man das Eiweiss zu sich nimmt: unmittelbar vor oder nach der Belastung.

Was versteht man unter „sinnvoller Makronährstoffrelation“?

Colombani: Unter Makronährstoffen versteht man die Energie liefernden Nährstoffe. Dazu gehören Kohlenhydrate, Proteine und Fette. Diese Stoffe müssen im sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Was ein sinnvolles Verhältnis ist, darüber streitet man in der Ernährungswissenschaft. Klar scheint es beim Protein zu sein: 15 Prozent reichen. Offen ist, wie die Verteilung zwischen Kohlenhydraten und Fetten sein muss.

Ausgeglichene Mineralstoff- und Vitaminbilanz?

Colombani: Wer seine Ernährung abwechslungsreich gestaltet, nimmt genügend Mineralstoffe und Vitamine zu sich.

Kein zusätzliches Magnesium mehr?

Colombani: Eigentlich nicht. Ausser: Ein Athlet darf nur wenig Energie zu sich nehmen, um etwa eine Gewichtsklasse halten zu können. Da kann es Sinn machen, wenn man zusätzlich Mineralstoffe und Vitamine einnimmt.

Ein Thema sind die Riegel, die unter dem Etikett „Sport“ verkauft werden. Taugen sie etwas?

Colombani: Eine praktische Art, Energie aufzunehmen. Allerdings sollen Sportlerriegel nur einen kleinen Teil der Ernährung ausmachen.

Was verstehen Sie unter „sinnvoller Mahlzeitenverteilung“? Gibt es da grosse Unterschiede zur konventionellen Ernährung?

Colombani: Ein Aspekt, der im Sport von grosser Bedeutung ist, weil die Nahrungsaufnahme immer in Relation zur Belastung angesehen werden muss. Eine Stunde vor einem Marathonlauf macht es keinen Sinn, Schnitzel-Pommes zu essen. Wer die Mahlzeiten wie verteilt, das ist eine sehr individuelle Sache. Ob es sich von der konventionellen Ernährung unterscheidet, ist ein weiteres Streitthema in den Ernährungswissenschaften. Die einen finden, man soll regelmässig mehrere Mahlzeiten zu sich nehmen um den Stoffwechsel regelmässig zu belasten; andere meinen, man kann nur zwei Mal, dafür grössere Mengen essen.

Um die traditionelle Ernährung ranken sich viele Mythen – Fett versus Kohlenhydrate ist die jüngste Debatte. Wie steht es in der Sporternährung, gibt es eine klare Linie?

Colombani: In der Sporternährungswissenschaft ist man sich mehrheitlich einig. Man streitet höchstens, ob man den Nährwert in absoluter Menge betrachten soll oder in den jeweiligen Prozentzahlen bezüglich des Energieinhalts. Am wichtigsten ist aber immer, dass die Energiebilanz stimmt.

Was meint „gezielte ernährungsspezifische Regenerationsmassnahmen“?

Colombani: Der Energiespeicher muss nach einer Belastung wieder aufgefüllt, der Flüssigkeitsverlust ausgeglichen werden.

Am Freitag, 21. März, findet an der ETH die internationale Tagung „Angewandte Sporternährung“ statt. Was ist das Ziel der Tagung?

Colombani: Ziel ist, den aktuellen Wissenstand den Mediatoren weiterzugeben, die dann wiederum die Sportler informieren. Angesprochen sind also von der Ernährungsberaterin über den Turn- und Sportlehrer bis hin zum Trainer alle, die mit Sportlern an der Front arbeiten und ein Grundwissen an Ernährung mitbringen.

Braucht es eine solche Tagung – ist es um die Sporternährung so schlecht bestellt?

Colombani: Die Tagung braucht es auf jeden Fall. Die Ernährung der Sportler ist noch lange nicht optimal. Sie ist aber auch nicht schlecht. Doch es gibt grossen Spielraum zur Verbesserung, und den sollte man nutzen. An der Tagung wollen wir auf die Hauptprobleme aufmerksam machen.


Fussnoten:
(1) Swiss Forum for Sport Nutrition, Tagung „Angewandte Sporternährung“: www.sfsn.ethz.ch
(2) Ernährungsbiologie der ETH Zürich: www.nb.inw.agrl.ethz.ch



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!