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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.06.2004 06:00

„Sustainability Dialogue with Leaders and Pioneers“ mit Alexander Zehnder
Mit Technologie zur Nachhaltigkeit

In der Reihe „Sustainability Dialogue with Leaders and Pioneers“ sprach am Mittwoch Alexander Zehnder, designierter ETH-Ratspräsident, über „Nachhaltigkeit als Innovationsmotor: Die Rolle von Forschung und Bildung“. Rund 100 Interessierte aller Altersschichten vermochte der Referent im Auditorium Maximum der ETH Zürich anzulocken. Zehnders Forderung nach umfassender Nachhaltigkeit stiess in der Diskussion nicht auf ungeteilte Zustimmung.

Von Gabriele Aebli

Eines machte Alexander Zehnder, designierter ETH-Ratspräsident und Hauptreferent, gleich zu Beginn klar: „Der Weg ‚Zurück zur Natur’ ist heute mit einer Weltbevölkerung von sechs Milliarden Menschen nicht mehr gangbar. Die Erde allein kann so viele Leute nicht mehr ernähren.“ Damit legte er den Grundstein für seine These, dass nachhaltige ökonomische Entwicklung zentral auf Technik und Technologien angewiesen sei. „Wir müssen vorwärts gehen. Ohne wissenschaftlichen Fortschritt und technische Entwicklungen geht es nicht mehr.“

Nachhaltigkeit nicht im Trend

Doch „Nachhaltigkeit ist ein Prozess, der wie andere Problemlösungsprozesse grundsätzlich fünf Schritte beinhaltet“, betonte Zehnder. Am Anfang stehe die Identifikation des Problems. Der zweite Schritt besteht aus kreativen, technischen Massnahmen. Weitere Schritte wären dann verbindliche Regulierungen und Vorschriften, eine Zielorientierung und schliesslich die Ursachenbekämpfung. Der erste Schritt, die Identifikation des Problems erfolgte 1972 mit der Studie "Grenzen des Wachstums", die heute als eine der Ur-Studien zur nachhaltigen Entwicklung gilt und einen katastrophalen Niedergang des Lebensstandards und der Weltbevölkerung voraussagte (1). Dies war vor über 30 Jahren. Heute seien wir höchstens beim zweiten Schritt – „Nachhaltigkeit liegt heute nicht im Trend.“ bedauerte Zehnder.

Vision „2000-Watt-Gesellschaft“

Doch wie bringt man die Leute dazu, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen? Nun, es brauche eine Vision, die als Leitgedanke jeglichen Handelns gelten könnte. Solch ein Leitgedanke wäre zum Beispiel die Energievision „2000-Watt-Gesellschaft“. Geistige Väter dieses Projekts sind Alexander Zehnder selbst, Olaf Kübler, Präsident der ETH Zürich, und Alexander Wokaun, Professor am Institut für Chemie- und Bioingenieurwissenschaft. Die Ausgangslage des Projekts ist die: In Europa verbraucht ein Durchschnittsmensch 6000, in den USA sogar 10'000 Watt, in den Entwicklungsländern dagegen nur zwischen 500 und 1000 Watt. Letztere könnten ihren Energieverbrauch also noch erhöhen – was bei einer weltweit fairen Verteilung des Wohlstands auch nötig wäre. Die Industrieländer aber müssten ihren Energieverbrauch senken.

Diese Art von Vision ruft im Allgemeinen sofort Verzichtsängste auf den Plan. Niemand will freiwillig auf gewohnten Komfort verzichten. Laut Zehnder besteht jedoch kein Grund dazu: Mit dem Projekt „2000-Watt-Gesellschaft“ wird eine Lebens- und Wirtschaftsform angestrebt, welche die Lebensqualität sogar verbessere. Diese Vision solle Schritt für Schritt verwirklicht werden: dank den Erkenntnissen aus Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaft und dem Einsatz von neusten, hoch effizienten Technologien.

Beispiel VW Bora

„Ein Schlüsselthema ist sicher eine verbesserte Energienutzung.“ Gesucht wären also Innovationen, bei denen die Energieverluste minimiert würden. Dass diese Verluste tatsächlich gesenkt werden können, zeigten viele Beispiele. Darunter auch das Brennstoffzellen-Fahrzeug, das am Paul Scherrer Institut zusammen mit mehreren Partnern, unter ihnen auch die ETH Zürich, entwickelt und gebaut wurde. Dieser neuartige, mit Wasserstoff-Brennstoffzellen und Superkondensatoren ausgerüstete VW Bora sieht wie ein ‚normales’ Auto aus – doch es ist um 40 Prozent effizienter als das konventionelle Modell und seine Abgase bestehen aus Wasserdampf (2).


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Sprach sich für Nachhaltigkeit als integraler Bestandteil aller Disziplinen aus: Alexander Zehnder. gross

Nachhaltigkeit kann nicht delegiert werden

Nachhaltigkeit durch Innovationen ist also möglich, nur braucht es auch Leute, die sich ihr verschreiben. Die Hochschulen sind dabei besonders gefordert. In Zürich sind erste Schritte getan: Die Veranstalter-Organisationen (3) dieser Vortragsreihe setzen sich mit Projekten und Partnerschaften für Nachhaltigkeit in verschiedenen Bereichen ein. Auch Grossbanken verschrieben sich immer mehr der Nachhaltigkeit. Und das Zürcher Unternehmen „Sustainable Asset Management“ habe sogar erreicht, dass der Dow Jones Verlag bei seinen Börsenindizes einen „Sustainability Index“ eingeführt hat.

Doch Alexander Zehnder will mehr: „Nachhaltigkeit muss ein integraler Bestandteil aller Unterrichtsfächer sein. Und ganz wichtig: sie kann nicht an eine Spezialdisziplin delegiert werden.“ Der Nachhaltigkeitsgedanke soll also nicht nur von den „Nachhaltigen“ vertreten werden, sondern von allen ETH-Professoren.

Kostenverzerrende Wirtschaft

Die Pläne des designierten ETH-Ratspräsidenten schienen vor allem Andreas Steiner, Präsident der Kommission für Wissenschaft und Forschung von Economiesuisse, nicht zu behagen. Im Hearing betonte er mehrmals, dass Innovationen nicht Aufgabe der Hochschulen seien. „Beschränken Sie sich auf die Inventionen und überlassen sie die Innovationen der Wirtschaft.“ Er sprach sich auch dagegen aus, dass Nachhaltigkeit eine Disziplin an der ETH werde. Zudem bezweifelte er, dass Nachhaltigkeit ein ökonomisches Prinzip sein könne. Im Zusammenhang mit der 2000-Watt-Gesellschaft sprach er sogar von Sozialromantik. Doch Zehnder liess sich nicht beeindrucken, berichtigte wo nötig und ergänzte: „Heute sind nachhaltige Technologien scheinbar teurer, weil wir eine völlig kostenverzerrte Wirtschaft haben. Es braucht neue Rahmenrichtlinien und Gesetze. Heute leben wir auf Kosten zukünftiger Generationen.“

Kathy Riklin, CVP-Nationalrätin, wies darauf hin, dass Nachhaltigkeitsprojekte wie die 2000-Watt-Gesellschaft mehr bekannt gemacht werden müssen. Nicht nur der Öffentlichkeit sei sie unbekannt, sogar an der ETH und Uni gehöre dieses Projekt kaum zum Allgemeinwissen. Zehnder stimmte dem zu und ergänzte: „Nachhaltigkeit ist ein Prozess. Es geht heute darum, ihn zu verstärken – auch durch vermehrte Öffentlichkeitsarbeit.“

„Auch die Gesellschaft muss wollen“

Den Inlandredaktor der NZZ, Markus Hofmann, störte vor allem, dass die Technologie im Referat als Heilsbringerin verkauft, die Rolle der Gesellschaft dabei aber vernachlässigt worden sei. Lächelnd stimmte Zehnder dem zu: „Auch die Gesellschaft muss wollen.“ Schliesslich wünschte Hofmann, dass durchsickern würde, dass Nachhaltigkeit auch mit Verzicht verbunden – auch mit dem Verzicht auf Technologie und Innovationen.

Ein Doktorand aus dem Publikum stellte schliesslich die Gretchenfrage: „Herr Zehnder, wie wollen Sie Nachhaltigkeit an der ETH durchsetzen?“ Zehnder: „Durch viel Überzeugungsarbeit. Doch es ist mir klar, dass dies Zeit braucht und nicht flächendeckend sein kann.“ Der designierte ETH-Ratspräsident könnte sich zudem vorstellen, dass bei Bewerbungsgesprächen zukünftigen Professoren folgendermassen auf den Zahn gefühlt wird: „Und wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit?“.


Fussnoten:
(1) Homepage des Club of Rome: www.clubofrome.org/
(2) Siehe „ETH Life“ Bericht: Die Brennstoffzelle bald serienreif? www.ethlife.ethz.ch/articles/FuelCellMarath.html
(3) Veranstalter-Organisationen: Novatlantis: www.novatlantis.ch/frames_d.html, ETHags: www.ags.ethz.ch/de/aboutus/aboutus.cfm, AGS: www.globalsustainability.org/content.cfm?uNav=304&uLang=1, Sustainability Forum Zürich: www.sustainability-zurich.org



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