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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 20.03.2006 06:01

Wissens- und Technologietransfer
Wegweiser für die Wirtschaft

Technologietransfer: ungenügend! Das warfen Wirtschaftsvertreter aus der Maschinenindustrie kürzlich der ETH Zürich vor. Ein anderes Bild vermittelt ein Augenschein im Departement Chemie und seinen verwandten Wirtschaftszweigen sowie eine neue Studie zur Zusammenarbeit des ETH-Bereichs mit der Schweizer Wirtschaft.

Claudia Naegeli

„An der ETH wird reine Prestige-Forschung betrieben.“ „ETH-Absolventen verfügen nicht über das nötige Wissen, um sich in der beruflichen Praxis zurechtzufinden.“ Solche und ähnliche Vorwürfe sind in der letzten Zeit vor allem von Seiten der Maschinenindustrie laut geworden und haben es bis auf die Titelseite des „Tages-Anzeigers“ geschafft. Doch was ist wirklich dran am Bild vom verbildeten ETH-Wissenschaftler?

„Natürlich haben ETH-Absolventen von der Praxis keine Ahnung“, sagt Professor Georg Frater, Senior Scientific Advisor des Duft- und Aromenherstellers Givaudan. „Doch das erwarte ich von ihnen überhaupt nicht.“ Praxis bedeute in erster Linie die Entwicklung neuer, immer noch besserer Produkte, Zeitdruck, regulatorische Restriktionen, interne Politik und oft unklare Marketingwünsche. „Die praktische Erfahrung kommt ganz von allein“, erklärt der Präsident der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft. Was ETH-Absolventen allerdings gelernt haben müssen, sei wissenschaftliches Arbeiten: „Sie müssen wissen, wie man eine Fragestellung analysiert und angeht.“

Kein Ersatz für Industrieforschung

Grundsätzlich brauche die Industrie von der Forschung vor allem „grosse Horizonte“, findet Professor Georg Frater. Die ETH soll für die Privatwirtschaft eine Art Wegweiser sein. „Sie soll zeigen, in welche Richtung wir uns bewegen müssen.“ Professor Peter Chen vom Laboratorium für Organische Chemie an der ETH fühlt sich von den Aussagen des Wirtschaftsvertreters bestätigt (1). Seiner Ansicht nach besteht die Aufgabe der ETH vor allem darin, eine führende Rolle in der Wissenschaft zu übernehmen. „Wir müssen uns bereits heute mit Fragen beschäftigen, welche für die Wirtschaft erst in fünf oder mehr Jahren aktuell sein werden“, sagt der ETH-Professor. Eine Hochschule könne kein Ersatz für die Industrieforschung sein. Professor Georg Frater sieht gar die Freiheit der Forschung bedroht, wenn sich die Wissenschaft zu sehr an industriellen Interessen ausrichte. Trotzdem sei es natürlich wünschenswert gemeinsame Synergien zu nutzen.

Der Pharmakonzern Hoffmann-LaRoche arbeitet beispielsweise im Bereich Systembiologie strategisch mit der ETH und der Universität Zürich zusammen. Professor Klaus Müller, Head of Science and Technology Relationships, sieht die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und der Industrie als eine Art Tischtennis-Spiel. „Jede Forschung ist eine Interaktion zwischen reiner Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Wissenschaft“, sagt er. Allein um eine gute Lehre zu ermöglichen, sei es unabdingbar, dass eine Hochschule Grundlagenforschung betreibe. „Eine Hochschule soll keine industrielle Forschung betreiben, doch sie soll offen sein für Probleme, die sich der Industrie stellen“, fügt Professor Klaus Müller an.


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Forschung soll die Probleme der Zukunft lösen, aber heute schon nützlich sein gross

Er beobachte aber allgemein an Hochschulen ein hohes Interesse, etwas Brauchbares zu entwickeln oder etwas zu entdecken, dass auch angewendet werden könne. Er könne sich vorstellen, dass es für einen grossen Konzern wie Hoffmann-LaRoche einfacher sei mit Hochschulen zusammenarbeiten als für kleine oder mittlere Unternehmen, sagt Professor Klaus Müller. „Grosse Unternehmen haben eher die Ressourcen, um technologische Plattformen anzubieten“, meint er. Bei kleineren Unternehmen basiere die Partnerschaft wohl eher auf einem Auftragsverhältnis, das Geld für eine gewisse Dienstleistung biete.

„Wir suchen uns die Besten aus“

Professor Klaus Müller betont, dass er lediglich für die Bereiche der ETH sprechen könne, mit denen er bereits zusammengearbeitet habe. In Bezug auf Life Sciences, Biologie, Chemie und Physik habe er aber durchwegs gute Erfahrungen gemacht. „Die Zusammenarbeit funktioniert ausgezeichnet – aber wir suchen weltweit auch nur die besten Hochschulpartner aus“, sagt Professor Klaus Müller. Hier würden neben der ETH auch andere Hochschulen der Schweiz zum Zuge kommen, wie beispielsweise die Universitäten in Zürich oder Basel.

Angesprochen auf die ETH-Absolventen wollte Professor Klaus Müller kein pauschales Urteil abgeben. Schliesslich unterscheide sich ein ausgezeichneter Studienabgänger von jemandem, der gerade so knapp die Prüfungen bestanden habe. Was er aber sagen könne, sei dass ein guter ETH-Absolvent im internationalen Quervergleich sehr gut bestehen könne.

Transfer in Zahlen

Mitte April wird die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) die Resultate einer vom ETH-Rat in Auftrag gegebene Studie zur Zusammenarbeit des ETH-Bereichs mit der Schweizer Wirtschaft veröffentlichen (2). 2582 Unternehmen unterschiedlicher Grösse sowie 241 Institute und Departemente des ETH-Bereichs, der kantonalen Universitäten sowie der Fachhochschulen nahmen an der Befragung teil. Die Studie zeigt, dass 28 Prozent der in das Sample aufgenommenen Unternehmungen aktiv am Wissens- und Technologietransfer mit den genannten Hochschulen teilnehmen. Bei Firmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden wird der Einfluss der Hochschulen noch deutlicher: Jede zweite Unternehmung ist in Aktivitäten involviert, welche auf Wissens- und Technologietransfer zielen. 57 Prozent aller aktiven Unternehmungen arbeiten gemäss der Studie mit dem ETH-Bereich zusammen. Ebenfalls führend unter den Schweizer Hochschulen ist der ETH-Bereich in Bezug auf Patente, Lizenzen und Spin-offs.


Fussnoten:
(1) Zur Website des Departements für Chemie und Angewandte Biowissenschaften: www.chab.ethz.ch
(2) Zur Website der Konjunkturforschungsstelle der ETH: www.kof.ethz.ch



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