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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 19.03.2003 06:00

Europäischer TRIZ-Kongress
Erfinden nach Plan

Von heute Mittwoch bis am kommenden Freitag findet an der ETH Zürich der dritte Europäische TRIZ-Kongress statt. TRIZ ist die „Theorie zum Lösen erfinderischer Probleme“, ein Konzept, das zunehmend bei innovativen und inventiven Unternehmen Anwendung findet.

Von Michael Breu

Die Beschreibung ist viel versprechend: „TRIZ ist eine Methode, die aus jedem durchschnittlichen Entwickler einen kleinen Thomas Edison macht. Im Gegensatz zu Edison arbeitet der TRIZ-Entwickler aber nicht nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum, sondern er wendet systematische Methoden an und baut auf den Erfahrungen aus einer grossen Anzahl von Patenten auf“, findet Peter Schweizer, Entwicklungsingenieur, Buchautor (1), Gründer der Zürcher Firma MethoSys (2) und Initiator des dritten Europäischen TRIZ-Kongresses, der bis Freitag an der ETH stattfindet (3).

"Verbrecherisches, erfinderisches Tun"

TRIZ steht für „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ – auf Russisch: Theorija reshenija izobretatjelskich zadacz – und ist subversiv. Wie, das zeigt ein Blick in die Geschichte: Als der Wissenschafter Genrich S. Altschuller in den 1940er-Jahren dem damaligen russischen Staatschef Josef Stalin in einem Brief vorschlug, wie man technische Probleme einfach und effizient lösen könnte, wähnte dieser ein umstürzlerisches Verhalten; wegen „verbrecherischem, erfinderischem Tun“ wurde Altschuller für fünf Jahre in ein sibirisches Arbeitslager verbannt. Doch seine Theorie liess ihm keine Ruhe; in der Verbannung reifte sie weiter. Erst mit Michail Gorbatschows „Glasnost“-Politik traute sich Genrich Altschuller ein zweites Mal an die Öffentlichkeit.

Erfinder und TRIZ-Vater: Genrich S. Altschuller (1926-1998) gross

Kybernetik für den Planer

Die Computerwissenschaften – in der Zwischenzeit auf kybernetische Abläufe getrimmt – nahmen TRIZ zwar nur zögerlich auf. Trotzdem gelang der Durchbruch: 1989 gründete Valery Tsurikov in Boston das Unternehmen Invention Machine, das Altschullers Ideen in ein Computerprogramm aufnahm (4).


Widersprüche lösen

Altschullers Grundidee besteht darin, jedes Problem auf einen grundlegenden Widerspruch zurückzuführen. Das Formulieren, Verstärken und Überwinden eines Widerspruchs ist dann die eigentliche, erfinderische Aufgabe. Dazu entwickelte er unter der Bezeichnung TRIZ ein ganzes Set von neuen Ideen, Denkmodellen und Methoden. Mit TRIZ steht für technische Probleme eine umfassende Kreativitätsmethode zur Verfügung, die nicht auf psychologischen Modellen aufbaut, sondern auf einem technisch-naturwissenschaftlichen Fundament. Altschuller unterscheidet zwischen administrativen, technischen und physikalischen Widersprüchen.

- Administrative Widersprüche empfindet der Ingenieur meist als ziemlich „fuzzy“. Sie basieren auf Interessensgegensätzen, Organisationsstrukturen und Emotionen. Beispiel: die Rentabilität einer Firma soll verbessert werden. Es ist noch unklar, was für eine technische Aufgabenstellung (wenn überhaupt) sich daraus ergibt.

- Technische Widersprüche ergeben sich aus bereits klar formulierten technischen Aufgabenstellungen. Beispiel: Die Prozessgeschwindigkeit soll erhöht werden. Das Ziel lässt sich aber mit bekannten Verfahren oder Systemen nicht erreichen. Oft lassen sich technische Widersprüche auf physikalische Widersprüche zurückführen.

- Physikalische Widersprüche zeichnen sich dadurch aus, dass gegeneinander wirkende physikalische Effekte die gewünschte Wirkung verhindern. Beispiel: Eine hohe Temperatur verbessert den Prozess, zerstört aber die Materialien. Die Temperatur sollte hier also hoch sein, gleichzeitig aber auch tief, damit die Materialien unbeschädigt bleiben. Mit neuen Kombinationen kann nach einem Ausweg gesucht werden. (Auszug aus dem Buch „Systematisch Lösungen realisieren“ von Peter Schweizer)




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Mit 40 Denkstrategien zum Erfolg: Mit TRIZ werden technische Anlagen schon auf dem Reissbrett bis zur Serienreifung gedacht. (Bild: Susi Lindig) gross

Die Software „TechOptimizer“ wurde von der US-Raumfahrtbehörde Nasa mit dem „Golden Award“ für das innovativste Produkt des Jahres 1997 ausgezeichnet und ist auch heute noch Marktleader.

Mittlerweile arbeiten mehrere innovative Unternehmen und Hochschulen mit dieser Software – auch an der ETH Zürich gehört ihre Anwendung zur Basisausbildung der Maschineningenieure. Alois Breiing, Professor am Institut für Mechanische Systeme der ETH Zürich, ist überzeugt: „Die Erfindungstheorie liefert überzeugende Anwendungsbeispiele in verschiedenen Unternehmensbereichen wie Innovationsmanagement, Qualitätssicherung, Entwicklung und Konstruktion, Produkt- und Prozessoptimierung, Marketing und Kundenorientierung sowie der Unternehmensführung.“

Ein Rucksack voll Methoden

Die Idee für TRIZ entstand, als Genrich Altschuller eine grosse Anzahl von Patentschriften durcharbeitete und immer wieder die gleichen 39 Parameter und die gleichen 40 Ansätze fand, um technische Widersprüche zu lösen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte er seine Theorie des Erfindens. „TRIZ ist keine einzelne Methode, sondern besteht aus einem ganzen Rucksack voll verschiedener Methoden“, schreibt Peter Schweizer in der „Technischen Rundschau“. Dazu gehören 40 Denkstrategien zum Bewältigen technischer Widersprüche, vier Separationsprinzipien, die bei einem technisch-physikalischen Zielkonflikt zur Anwendung kommen, Stoff-Feld-Modelle mit 76 Standardlösungen und acht Entwicklungsgesetze technischer Systeme.

Zum ersten Mal in der Schweiz: der TRIZ-Kongress an der ETH Zürich. gross

„Hauptmerkmal der Problemlösung mit TRIZ ist das Erkennen, Verstärken und Eliminieren technischer und physikalischer Widersprüche in technischen Systemen statt der Suche nach Kompromissen, der scheinbar goldenen Mitte“, erklärt Alois Breiing. Konkret: „Ein Problem ist nach TRIZ erst dann gelöst, wenn ein technischer Widerspruch erkannt und beseitigt ist. Zum Beispiel durch eine Erhöhung der Motorleistung ohne Steigerung des Treibstoffverbrauchs.“ TRIZ verkleinere auch „bei schwierigen Fällen das Suchfeld“ und erlaube einen „Blick über den Tellerrand“, findet Breiing. „Die Überwindung technischer und physikalischer Widersprüche erfolgt mittels zahlreicher TRIZ-Werkzeuge. Sie werden je nach Bedarf und Schwierigkeitsgrad der Aufgabe eingesetzt.“ Die 40 Prinzipien zur Lösung technischer Widersprüche sind auch in einer Matrix zusammengefasst, die je nach Aufgabenstellung hilft, schneller zu den geeigneten Lösungsprinzipien zu gelangen.

Alois Breiing ist sicher: „Wer die TRIZ-Methoden beherrscht, wundert sich, dass sie trotz ihrer einfachen und logischen Handhabung bislang so wenig Einzug in die Entwicklung technischer Produkte gehalten hat.“


TRIZ-Kongress

Heute Mittwoch startet an der ETH der dritte europäische TRIZ-Kongress, an dem über hundert Personen teilnehmen werden. Eröffnet wird der Anlass um 17 Uhr. Die eigentliche Tagung beginnt am Donnerstag mit einem Begrüssungsreferat von ETH-Prorektor Renato Amaḍ und einer Einführung von Alois Breiing, Professor für Mechanische Systeme der ETH Zürich und Chairman im Organisationskomitee. Höhepunkte dürften die Referate von Sergei Ikovenko vom Massachusetts Institute of Technology und Ellen Domb, Redaktorin des TRIZ-Journals (5), sein. Unter den Referenten sind vor allem Entwicklungsingenieure von weltweit tätigen Unternehmen vertreten, etwa von DaimlerChrysler, Samsung Electronics oder Roche Diagnostics. Der Kongress endet am Freitagnachmittag mit der Mitgliederversammlung des Europäischen TRIZ-Centrums.




Fussnoten:
(1) Peter Schweizer: „Systematisch Lösungen finden“ und Systematisch Lösungen realisieren“, beide Bücher erschienen im vdf-Hochschulverlag der ETH; http://www.vdf.ethz.ch/
(2) MethoSys GmbH, Zürich: http://www.methosys.ch
(3) TRIZ-Kongress: http://www.triz.ch
(4) Invention Machine Corporation: http://www.invention-machine.com
(5) TRIZ-Journal: http://www.triz-journal.com/



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