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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 09.11.2005 06:00

Neue Methode zur Messung der Gewebesteifigkeit
Die Gewebetester

Mit einem Gerät, das Gewebe durch Drehbewegungen anregt, können ETH-Forscher die mechanischen Eigenschaften von Weichteilen bestimmen. Erste Tests an Schweine- und Rinderlebern zeigen, dass die nichtinvasive Methode auch für die Chirurgie interessant sein könnte. Eine bereits länger etablierte Saugmethode testen die Wissenschaftler bereits in grossen klinischen Versuchen.

Christoph Meier

Es wird gelegentlich von Muskeln aus Stahl gesprochen. Doch weder Muskeln noch anderes Weichteilgewebe verhalten sich wie die metallische Legierung. Trotzdem ist es möglich, Weichteilgewebe ähnlich wie Stahl anhand seiner mechanischen Eigenschaften zu beschreiben. So ist es ETH-Forschern gelungen, ein Gerät zu entwickeln, das die mechanischen Eigenschaften von Gewebe wie der Leber misst, ohne es dabei zu zerstören. Die Neuentwicklung wurde am ETH-Zentrum für Mechanik von Davide Valtorta und Klaus Häusler bei ETH-Professor Edoardo Mazza erarbeitet (1). Eine dazugehörige Publikation fand Eingang in das Fachmagazin Medical Image Analysis (2). Unterstützt wurde das Projekt vom Nationalen Forschungsschwerpunkt COME (3).

Komplexes Fleischverhalten

„Mich als Maschinenbauingenieur interessiert an Gewebe das Gleiche wie bei Stahl, nämlich wie es sich mechanisch charakterisieren lässt. Ich will beispielsweise verstehen, wie Gewebe auf Druck reagiert“, erläutert Davide Valtorta die allgemeinen Forschungsansatz. Doch der Wissenschaftler kommt auch gleich auf die speziellen Herausforderungen bei der Fleischarbeit zu sprechen: „Im Gegensatz zu Stahl verhält sich tierisches Gewebe nicht linear. Zudem sind Deformationen bis zu mehreren zehn Prozent möglich.“ Erschwerend kommt dazu, dass die Geschichte des Gewebes häufig Spuren hinterlässt: Die mechanischen Eigenschaften ändern sich, oder eine Krankheit beeinflusst die Steifigkeit.

Mit Silikon entwickelt, in der Tierleber überprüft

Das bedeute, dass am Anfang weiches tierisches Gewebe eine Black-Box sei, so Valtorta. „Darum kann zuerst nur ein phänomenologisches Modell erzeugt werden.“ Eine physikalische Behandlung sei erst nach einer umfassenden Datenanalyse und einer anschliessenden Modellierung möglich. Um die gesuchten Daten aus dem Gewebe herauszukitzeln, bauten die ETH-Forscher ein stabförmiges Gerät. Dieses besitzt vorne ein Scheibchen mit Schlitzen, das einen Durchmesser von rund fünf Millimetern aufweist. Wenn nun das Scheibchen in Drehung versetzt wird, kann die durch die Scherkräfte erzeugte Spannung gemessen werden. Genug starke Signale entstehen aber nur, wenn man mit den Eigenfrequenzen des Gerätes anregt. Nachdem so zunächst mit Silikonblöcken Daten generiert werden konnten, entwickelten die Forscher ein Modell, mit dem die durch das Scheibchen erzeugten Wellen im Gewebe berechnet werden können. Einem Echolot vergleichbar, wird so die Steifigkeit des Gewebes bestimmt.


Grosse klinische Versuchen mit Saugmethode

(cm) Zur Messung der Gewebesteifigkeit verwendet die Gruppe von ETH-Professor Edoardo Mazza seit einigen Jahren eine Saugmethode. Anhand von Experimenten unter anderem mit tierischen und menschlichen Organen entwickelten die Forscher ein mathematisches Modell, das Aufschluss gibt über die mechanische Charakteristik von Gewebe. Momentan sind nun erstmals zwei grosse Untersuchungen in Gange, welche die Methode beim Menschen in der Klinik überprüfen.

In Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Zürich und dem Kantonsspital Chur messen die Ärzte während Operationen die Gewebesteifigkeit der Leber (siehe Bild rechts). Da während den Operationen auch Gewebeproben entnommen werden, können die ETH-Forscher anschliessend ihre Messungen mit den Gewebestrukturen in Verbindung bringen und somit ihre Methode überprüfen und verbessern.

Die Ansprüche ans Uterusgewebe während einer Schwangerschaft sind enorm. Muss das Gewebe zuerst den Gebärmutterhals fest verschliessen, so ist für die Geburt entscheidend, dass es weich und dehnbar wird. Diesem Wandel der Gewebesteifigkeit versucht Edoardo Mazza mit der Saugtechnik in einer Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Graz auf die Spur zu kommen. Mehr als hundert schwangere Frauen nehmen an der Untersuchung teil. Kürzlich konnten die ETH-Forscher bei einer Studie mit acht Probandinnen, denen die Gebärmutter entfernt werden musste, zeigen, dass ihre Methode beim Uterusgewebe grundsätzlich funktioniert (4).




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Rinderleber auf dem Prüfstand: Der Stab enthält ein Messgerät, das über Rotationsbewegungen die Steifigkeit des Gewebes analysiert. (Bilder: D. Valtorta, A. Nava, E. Mazza) gross

Obwohl bereits andere Forscher mit Geräten arbeiteten, die es erlaubten, über Drehbewegungen das Gewebe zu analysieren, sind die ETH-Forscher in einen neuen Frequenzbereich vorgestossen. So können sie mit bis zu 10 Kilohertz anregen, was zu einer bisher nicht erreichten Auflösung führt und das Gewebe besser in seiner Dynamik erfasst. Die Weichteile werden dabei bis in eine Tiefe von mehreren Zentimetern analysiert. Die neue Messmethode funktioniert dabei nicht nur bei Silikon, sondern auch im biologischen Gewebe. So wendete Valtorta das Gerät erfolgreich bei einer Schweine- und Rinderleber an.

Gekoppelt mit Saugmethode in die Klinik

Doch wem nützt diese neue Information ausser Maschinenbauingenieuren, die Gewebe besser charakterisieren wollen? „Da wir zerstörungsfrei messen, ist unsere Methode für die Chirurgie spannend“, antwortet Valtorta. Hier könnte man beispielsweise während einer Operation den Gesundheitszustand innerer Organe lokal überprüfen. Eine weitere Möglichkeit könnte sein, die Methode einzusetzen, um Hautkrebs zu analysieren. Doch angesprochen darauf, ob er das vorliegende Gerät für die Klinik einsetzen möchte, verneint der ETH-Forscher. Der Grund besteht darin, dass er momentan daran arbeitet, sein Gerät mit dem eines Kollegen am Zentrum für Mechanik zu verbinden. Dabei würde die Gewebefestigkeit einerseits durch Rotationswellen analysiert, andererseits mittels Daten, die durch Ansaugen gewonnen werden. Zusammen sollten dann noch detailliertere Informationen vorliegen als durch die Einzelmethoden alleine. Obwohl das Aspirationsgerät bereits am Menschen getestet ist (siehe Kasten), schätzt Valtorta, dass es mindestens noch ein Jahr dauert, bis das Fusionsmodell in der Klinik überprüft werden kann.

Bei Leberoperationen wird das Gewebe mittels einer Saugmethode auf die Steifigkeit hin überprüft. gross


Fussnoten:
(1) Zentrum für Mechanik: www.zfm.ethz.ch/
(2) Valtorta D, Mazza E: “Dynamic measurement of soft tissue viscoelastic properties with a torsional resonator device.”. Med Image Anal. 2005 Oct;9(5):481-90.
(3) Computer Aided an Image Guided Medical Interventions COME: http://co-me.ch/
(4) Mazza et al: “Mechanical properties of the human uterine cervix: An in vivo study.”. Med Image Anal. 2005 Sep 3



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