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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 17.03.2006 06:00

Internet-Pionier Vint Cerf präsentierte an der ETH seine Visionen
Das Internet der Zukunft

Anfangs März sprach der "Vater des Internet" und "Google-Evangelist" Vint Cerf im vollen ETH-Hörsaal über das Internet des 21. Jahrhunderts. Dabei ging der Internet-Pionier auch auf heikle Bereiche im Geschäftsgebaren seines Arbeitgebers Google ein, wie etwa die umstrittenen Zensurmassnahmen in China oder das Ranking von Kleininseraten. Seine unterhaltende Präsentation schloss Cerf mit der Vision eines interplanetaren Netzwerks.

Jakob Lindenmeyer

Die über 300 Zuhörenden im knallvollen ETH-Hörsaal HG F 1 bestanden zu über 95 Prozent aus Männern. Die vorderste Reihe war besetzt von einer Handvoll Google-Mitarbeitern, deren Aufgabe darin bestand, im anschliessenden Apero interessierte ETH-Angehörige zu rekrutieren. Nach einer kurzen Einführung durch den Gastgeber Thomas Gross, ETH-Professor am Institut für Computersysteme, betrat Vint Cerf die Bühne.


Vint Cerf - einer der Väter des Internet

Der amerikanische Mathematiker Vint Cerf ist einer der Mitentwickler des TCP/IP-Protokolls und damit der Internet-Architektur. Daher wird er einfachheitshalber gerne als "Vater des Internet" bezeichnet. Aufgrund seiner Beiträge zum heutigen Internet erhielt Cerf neben zahlreichen Preisen von rund einem Dutzend Universitäten aus aller Welt Ehrendoktortitel überreicht, darunter auch von der ETH Zürich. Heute ist Cerf Vorsitzender der Internet-Regulierungsbehörde ICANN (siehe Text) und "Chief Internet Evangelist" des Suchmaschinenbetreibers Google.



Cerf begann mit einer Analogie aus den Achtziger Jahren. Damals habe sein Arbeitgeber MCI für die Zustellung einer E-Mail noch einen Dollar verlangt. Heute hingegen sei es genau umgekehrt: Für den Versand einer E-Mail sei niemand mehr bereit etwas zu bezahlen, hingegen gebe es viele Spam-geplagte Nutzer, die Geld zahlen, damit sie gewisse E-Mails nicht zugesandt bekommen. Die zukünftige Entwicklung der Telefonie werde ähnlich verlaufen. Aufgrund des Duopols des Hausanschlusses hat der Internet-Nutzer heute jedoch meist nur die Wahl zwischen TV-Kabel oder Telefonleitung. Hier fürchtet Cerf mögliche Machtmissbräuche der Access-Provider. Abhilfe sieht er durch dichte Funknetze und durch Direktverkabelungen von Haushalten beispielsweise über die Abwasserleitungen.

Mit seiner Erfindung des Webs habe Tim Berners-Lee eine Lawine von Informationen ausgelöst, erklärte Cerf und platzierte gleich einen Werbespruch für seinen Arbeitgeber: „Nun liegt es an Firmen wie Google, diese Informationen zu ordnen und übers Internet zugänglich zu machen.“ Beispielsweise über das „Digital Library“-Projekt, in dem Millionen von Büchern digitalisiert werden, um sie danach im Volltext durchsuchen zu können.

Schlagfertig beantwortete Vint Cerf die teilweise ziemlich kritischen Fragen des ETH-Publikums. gross

Umstrittene Zensur in China und Inserate-Positionierung

Überraschend kam der Google-Evangelist von sich aus auch auf politisch heikle Themen zu sprechen. So etwa zur Reihenfolge der AdWords-Kleininserate in der kommerziellen rechten Spalte der Google-Suchresultate. Dazu mache Google bei jeder Suchabfrage eine nach einem geheimen Algorithmus ablaufende Miniauktion unter den Inserenten, erklärte Cerf. Er stritt aber ab, dass einfach immer dasjenige Inserat zuoberst erscheine, das für den eingegebenen Suchbegriff am meisten zahle.

Die umstrittene Zusammenarbeit zwischen Google und der chinesischen Regierung zwecks Zensurierung regime-kritischer Informationen versuchte Cerf mit dem Argument zu verteidigen, dass Google in den Suchresultaten immerhin bekannt gebe, wenn Informationen zensuriert würden. Auf die Publikumsfrage, ob man sich zukünftig vor Google als übermächtigem Informationsmonopolisten fürchten müsse, antwortete Cerf, dass jeder frei sei, eine andere Suchmaschine zu wählen.


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Humorvoll präsentierte Vint Cerf, der "Chief Internet Evangelist" von Google, seine Vision eines Intergalaktischen Netzwerks: „Sie dürfen das jetzt nicht falsch verstehen. Es ist nämlich nicht so, dass wir von Google das Sonnensystem übernehmen wollen.“ gross

"Das Internet wird von niemandem regiert"

Schliesslich kam Vint Cerf noch auf die Regulierung im Internet zu sprechen. Seiner Ansicht nach liegt einer der Gründe für den UNO-Weltinformationsgipfel WSIS darin, dass sich die Regierungen verschiedener Länder nicht damit abfinden konnten, dass es für das weltweite Internet keine verantwortliche Behörde gebe. Verschiedene Regierungen hätten zwar die von ihm geleitete Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) (1) entdeckt. Aber die ICANN verwalte ja nur einige Adressen und Nummern, spielte Cerf den nach wie vor grossen Einfluss der dem Handelsministerium der USA unterstellten ICANN herunter. Cerf behauptete, das Internet werde von niemanden regiert. „Aber das hören die Regierungen dieser Welt gar nicht gerne.“ Darum sei am letzten UNO-Weltinformationsgipfel beschlossen worden, dass die UNO ein „Internet Governance Forum“ (2) aufbauen sollte, um die zukünftige Entwicklung des Internet zu lenken. (siehe Kasten unten)

Dass es bei zukünftigen Internet-Anwendungen noch einige Privacy-Probleme zu lösen gilt, illustrierte Cerf unterhaltsam an Beispielen wie per RFID-Funkchip lokalisierbaren Socken oder der Verknüpfung von Internet-Kühlschrank mit Badezimmer-Waage.

Lappland als Vorbild fürs Interstellare Internet

Zum Abschluss kam Cerf noch auf sein Lieblingsprojekt zu sprechen: Das Interplanetarische Netzwerk. Weil in Zukunft die Weltraummissionen beispielsweise zum Mars immer länger dauern würden, werde auch die Weltraum-Kommunikation zunehmend wichtiger. Doch das heutige auf TCP/IP-basierende Internetprotokoll sei dazu nicht geeignet, erklärte Cerf. Denn die Distanzen zwischen den Planeten seien zu gross, sodass auch bei Lichtgeschwindigkeit die Datenpakete zu lange unterwegs wären, was zu Störungen führe. Als Lösung schlägt Cerf darum vor, den Datenstrom ein zweites Mal zu verpacken und zwischen den Planeten wie eine E-Mail zu versenden. Ein solches System werde zurzeit in Lappland erprobt, wo mit Laptops bestückte Schneemobile die Datenkommunikation zwischen den einzelnen Dörfern übernähmen.


Symposium zum Internet Governance Forum

Am Freitag 7. Juli 2006 findet von 13-17 Uhr im AudiMax der ETH Zürich das Schweizer Symposium zum Internet Governance Forum statt. Die Gründung des Internet Governance Forums (IGF) (2) wurde am UNO-Weltinformationsgipfel Mitte November 2005 beschlossen. Sie stellte einen Kompromiss dar im Konflikt zwischen den USA und den 173 anderen Teilnehmer-Staaten über die Verwaltung des Internet und die Verantwortung über das DNS-Adressensystem. Beides wird derzeit durch die von Vint Cerf geführte amerikanische ICANN (1) durchgeführt, die unter Aufsicht des US-Handelsministeriums steht.

Das Ziel des IGF liegt darin, den Austausch zwischen den Interessenvertretern aller Länder zu fördern, sowie als beratendes Gremium Fragen im internationalen öffentlichen Interesse zu diskutieren und der ICANN zur Realisierung vorzuschlagen. Erste internationale Konsultationen zum IGF fanden vor einem Monat in Genf statt. UNO-Generalsekretär Kofi Annan wird im Herbst 2006 in Athen die offizielle Start-Konferenz des IGF einberufen. Dazu will das Symposium an der ETH den Beitrag der Schweiz zum IGF herauskristallisieren.

Das Ziel des Symposiums liegt darin, zu IGF-relevanten Themen einen Beitrag der Schweiz zur IGF-Startkonferenz zu erarbeiten. Im Vordergrund stehen dabei kontroverse Themen wie etwa Ubiquitous Computing/RFID versus Privacy oder die digitalen Urheberrechte und Copyrights versus OpenAccess/Open Source oder der Digital Divide.




Fussnoten:
(1) Website der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN): www.icann.org/
(2) Website des Internet Governance Forums: www.intgovforum.org/



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