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Rubrik: Tagesberichte |
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Internet-Pionier Vint Cerf präsentierte an der ETH seine Visionen Das Internet der Zukunft |
Anfangs März sprach der "Vater des Internet" und "Google-Evangelist" Vint Cerf im vollen ETH-Hörsaal über das Internet des 21. Jahrhunderts. Dabei ging der Internet-Pionier auch auf heikle Bereiche im Geschäftsgebaren seines Arbeitgebers Google ein, wie etwa die umstrittenen Zensurmassnahmen in China oder das Ranking von Kleininseraten. Seine unterhaltende Präsentation schloss Cerf mit der Vision eines interplanetaren Netzwerks. Die über 300 Zuhörenden im knallvollen ETH-Hörsaal HG F 1 bestanden zu über 95 Prozent aus Männern. Die vorderste Reihe war besetzt von einer Handvoll Google-Mitarbeitern, deren Aufgabe darin bestand, im anschliessenden Apero interessierte ETH-Angehörige zu rekrutieren. Nach einer kurzen Einführung durch den Gastgeber Thomas Gross, ETH-Professor am Institut für Computersysteme, betrat Vint Cerf die Bühne.
Cerf begann mit einer Analogie aus den Achtziger Jahren. Damals habe sein Arbeitgeber MCI für die Zustellung einer E-Mail noch einen Dollar verlangt. Heute hingegen sei es genau umgekehrt: Für den Versand einer E-Mail sei niemand mehr bereit etwas zu bezahlen, hingegen gebe es viele Spam-geplagte Nutzer, die Geld zahlen, damit sie gewisse E-Mails nicht zugesandt bekommen. Die zukünftige Entwicklung der Telefonie werde ähnlich verlaufen. Aufgrund des Duopols des Hausanschlusses hat der Internet-Nutzer heute jedoch meist nur die Wahl zwischen TV-Kabel oder Telefonleitung. Hier fürchtet Cerf mögliche Machtmissbräuche der Access-Provider. Abhilfe sieht er durch dichte Funknetze und durch Direktverkabelungen von Haushalten beispielsweise über die Abwasserleitungen. Mit seiner Erfindung des Webs habe Tim Berners-Lee eine Lawine von Informationen ausgelöst, erklärte Cerf und platzierte gleich einen Werbespruch für seinen Arbeitgeber: „Nun liegt es an Firmen wie Google, diese Informationen zu ordnen und übers Internet zugänglich zu machen.“ Beispielsweise über das „Digital Library“-Projekt, in dem Millionen von Büchern digitalisiert werden, um sie danach im Volltext durchsuchen zu können.
Umstrittene Zensur in China und Inserate-Positionierung Überraschend kam der Google-Evangelist von sich aus auch auf politisch heikle Themen zu sprechen. So etwa zur Reihenfolge der AdWords-Kleininserate in der kommerziellen rechten Spalte der Google-Suchresultate. Dazu mache Google bei jeder Suchabfrage eine nach einem geheimen Algorithmus ablaufende Miniauktion unter den Inserenten, erklärte Cerf. Er stritt aber ab, dass einfach immer dasjenige Inserat zuoberst erscheine, das für den eingegebenen Suchbegriff am meisten zahle. Die umstrittene Zusammenarbeit zwischen Google und der chinesischen Regierung zwecks Zensurierung regime-kritischer Informationen versuchte Cerf mit dem Argument zu verteidigen, dass Google in den Suchresultaten immerhin bekannt gebe, wenn Informationen zensuriert würden. Auf die Publikumsfrage, ob man sich zukünftig vor Google als übermächtigem Informationsmonopolisten fürchten müsse, antwortete Cerf, dass jeder frei sei, eine andere Suchmaschine zu wählen.
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"Das Internet wird von niemandem regiert" Schliesslich kam Vint Cerf noch auf die Regulierung im Internet zu sprechen. Seiner Ansicht nach liegt einer der Gründe für den UNO-Weltinformationsgipfel WSIS darin, dass sich die Regierungen verschiedener Länder nicht damit abfinden konnten, dass es für das weltweite Internet keine verantwortliche Behörde gebe. Verschiedene Regierungen hätten zwar die von ihm geleitete Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) (1) entdeckt. Aber die ICANN verwalte ja nur einige Adressen und Nummern, spielte Cerf den nach wie vor grossen Einfluss der dem Handelsministerium der USA unterstellten ICANN herunter. Cerf behauptete, das Internet werde von niemanden regiert. „Aber das hören die Regierungen dieser Welt gar nicht gerne.“ Darum sei am letzten UNO-Weltinformationsgipfel beschlossen worden, dass die UNO ein „Internet Governance Forum“ (2) aufbauen sollte, um die zukünftige Entwicklung des Internet zu lenken. (siehe Kasten unten) Dass es bei zukünftigen Internet-Anwendungen noch einige Privacy-Probleme zu lösen gilt, illustrierte Cerf unterhaltsam an Beispielen wie per RFID-Funkchip lokalisierbaren Socken oder der Verknüpfung von Internet-Kühlschrank mit Badezimmer-Waage. Lappland als Vorbild fürs Interstellare Internet Zum Abschluss kam Cerf noch auf sein Lieblingsprojekt zu sprechen: Das Interplanetarische Netzwerk. Weil in Zukunft die Weltraummissionen beispielsweise zum Mars immer länger dauern würden, werde auch die Weltraum-Kommunikation zunehmend wichtiger. Doch das heutige auf TCP/IP-basierende Internetprotokoll sei dazu nicht geeignet, erklärte Cerf. Denn die Distanzen zwischen den Planeten seien zu gross, sodass auch bei Lichtgeschwindigkeit die Datenpakete zu lange unterwegs wären, was zu Störungen führe. Als Lösung schlägt Cerf darum vor, den Datenstrom ein zweites Mal zu verpacken und zwischen den Planeten wie eine E-Mail zu versenden. Ein solches System werde zurzeit in Lappland erprobt, wo mit Laptops bestückte Schneemobile die Datenkommunikation zwischen den einzelnen Dörfern übernähmen.
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