ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
Print-Version Drucken
Publiziert: 16.04.2004 06:00

Wie Viren tierische Zellen befallen
Raffinierte Eindringlinge

Viren sind wichtige Krankheitserreger. Für ihre Vermehrung sind sie auf einen Wirt angewiesen. Das heisst, sie müssen in eine Zelle eindringen. Einen Überblick, wie Viren sich den Eintritt in tierische Zellen verschaffen, gibt ein Artikel von zwei ETH-Forschenden.

Von Christoph Meier

Ob Warzen, Grippe oder AIDS, immer sind Viren im Spiel. Und die Auswahl gibt nur einen schwachen Eindruck davon, wie sich die kleinen Eindringlinge auswirken können. Damit aber die Parasiten ihre Wirkung entfalten können, müssen Viren zuerst in Zellen eindringen, denn Viren sind in jedem Fall auf eine Wirtszelle angewiesen. Die ETH-Forschenden Alicia E. Smith und Ari Helenius vom Institut für Biochemie geben anhand eines Review-Artikels im Wissenschaftsmagazin „Science“ einen Überblick (1), wie es den tierischen Viren gelingt, in ihre Wirtszelle einzudringen.

In einem allgemeinen Teil weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass Viren trotz ihrer einfachen Struktur und Zusammensetzung Meister der Tarnung und Täuschung sind. Obwohl selber in keiner Weise mobil, schaffen sie es mit Hilfe ihrer Wirte - seien das Nager, Insekten, Zugvögel oder herumreisende Menschen - sich rund um den Globus zu vermehren. Den Transfer von Organismus zu Organismus vollziehen die Viren dabei in Form von Virenpartikeln. Diese umfassen das Virengenom, Helferproteine, eine Verpackung und teilweise auch noch eine zusätzliche Membranhülle.

Trojanische Pferde

Es hängt also von den Virenpartikeln ab, ob es einem Virus gelingt, erfolgreich an eine neue Wirtzelle anzudocken und sein Material in diese einzubringen. Dieser Schritt ist heikel, da zumindest in dieser Phase der Wirt nicht beschädigt und auch dessen Immunsystem nicht aktiviert werden sollte. Grundsätzlich gelänge aber dieses Eindringen, da die Viren die Strategie des trojanischen Pferdes anwenden würden, schreiben Smith und Helenius. Das heisst, die Viren lassen sich von der Wirtzelle beim Eindringen assistieren. Zu dieser Assistenz kämen die Eindringlinge, indem sie „Insiderinformation“ ausnutzten, die sie während Millionen Jahren von Koevolution erworben hätten.

Dialog zwischen Zelle und Virus

Doch was sind das für „Insiderinformationen“? Gemäss den ETH-Forschenden bestehen diese aus Signalen wie beispielsweise Oberflächenrezeptoren, der Exposition von einem tiefen pH oder einem reduzierenden Umfeld. Solche Auslöser können beim Viruspartikel zu Konformationsänderungen und zur Absonderung von verschiedenen Bestandteilen führen. Helenius und Smith machen aber darauf aufmerksam, dass der Informationsaustausch nicht nur einseitig vom Wirt zum Viruspartikel erfolgt. Gerade durch die Bindung an Rezeptoren gelingt es Viren, in der zu befallenden Zelle Signalketten auszulösen, die zu Änderungen in der Zelle führen, die ein Eindringen erleichtern.


weitermehr

caveosom
Ein Beispiel, wie Viren in einer Zelle verfolgt werden können: SV-40-Viren (rot) bewegen sich entlang der "Tubulin-Strassen" (grün) der Zelle (Balken = 10 Mikrometer). (© Nature Cell Biology) gross

Nicht alles, woran ein Virus auf einer Wirtszelle bindet, ist aber ein Rezeptor, der ein Signal vermittelt. Das HI-Virus beispielsweise benutzt gewisse Lectinrezeptoren bloss zur Bindung und erst bestimmte Chemokinrezeptoren lösen eine Veränderung aus. Im Review-Artikel charakterisieren die Wissenschaftler die Rezeptoren und Bindungsfaktoren noch detaillierter - sei es bei Viren mit oder ohne Membranhülle.

Weiter stellen sie auch dar, wie die Eindringlinge Importwege der Zelle für sich benutzen. Die „Trittbrettfahrer“ oder „Freerider“ lassen sich heute dabei dank Real-Time-Videos und Fluoreszenzfarbstoffen direkt beobachten. Nicht alle Viren halten sich aber an vorgegebene Routen. Das Polyoma-Virus scheint beispielsweise als primären Weg „Flosse“ aus Fettmolekülen zu benützen. Dass Viren ihr Ziel über verschiedene Routen finden, ist für die Forscher eine Herausforderung, da die etablierten Annahmen über das virale Eindringen neu überdacht werden müssen. So zeigen neue Untersuchungen, dass das Influenza-Virus, der Grippeerreger, auch in die Zelle gelangen kann, wenn der klassische Weg blockiert ist.

Die Komplexität eines Virenbefalls erläutern Smith und Helenius zudem daran, wie es gewissen Invasoren gelingt, die „Servicefunktionen“ des Zellkerns dienstbar zu machen, oder wie einige Viren auch direkte Kontakte zwischen Zellen für eine neue Infektion benutzen.

Wissen über Eintrittsprozesse ausnützen

Zum Schluss ihres Artikels geben die Autoren einen Ausblick. Es ist für sie klar, dass Viren weiterhin eine ernsthafte Bedrohung der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen darstellen werden. Richteten sich in der Vergangenheit antivirale Medikamente vor allem gegen die Vermehrung oder speziellen Eiweisse der Viren, so könnten in Zukunft neue Therapien beim Eintritt der Viren ansetzen. Das grössere Wissen über die Mechanismen beim Eindringen könnte Viren vielleicht auch zu einem sichereren und nützlicheren Werkzeug bei der Gentherapie machen. Schliesslich werden Viren auch weiterhin in der Grundlagenforschung ihren Platz haben, denn gerade durch ihre Unselbständigkeit und das dadurch bedingte Ausnützen des Wirtes bringen sie Aufschluss über das Funktionieren einer Zelle.


Literaturhinweise:
"ETH Life"-Artikel zur Forschung von A. Helenius: Neuer Pfad durch die Zelle und Wie eine Zelle geentert wird

Fussnoten:
(1) “How Viruses Enter Animal Cells”, Alicia E. Smith and Ari Helenius, Science 9 April 2004: 237-242.



Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!