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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.10.2004 06:00

Zum Welternährungstag: Ein Interview mit ZIL-Geschäftsleiterin Barbara Becker.
Gen-reiche Entwicklungsländer

Aus Anlass des Welternährungstags am 16. Oktober findet heute an der ETH ein Symposium zum Thema „Biodiversität im Dienste der Ernährungssicherheit“ statt. „ETH Life“ diskutierte mit Barbara Becker, der Geschäftsleiterin des Zentrums für internationale Landwirtschaft (ZIL) (1), über die Bedeutung der biologischen Vielfalt.

Von Jakob Lindenmeyer

Was ist der Welternährungstag?

Barbara Becker: In Erinnerung an die Gründung der UNO-Spezialorganisation für Ernährung und Landwirtschaft FAO im Jahre 1945 wird jeweils am 16. Oktober weltweit in verschiedensten Ländern ein bestimmtes Thema zur Welternährung diskutiert. Dieses Jahr steht die Biodiversität im Dienste der Ernährungssicherheit im Zentrum des Welternährungstags, zu dem wir bereits heute Donnerstag an der ETH ein Symposium durchführen (2), da der 16. dieses Jahr auf einen Samstag fällt.

Barbara Becker: „Im Vergleich zu den Pflanzen ist der Schutz tiergenetischer Ressourcen rund zehn Jahre im Rückstand.“ gross

Wieso wurde dieses Jahr gerade die Biodiversität als Schwerpunkt gewählt?

Becker: Die Biologische Vielfalt ist deshalb von besonderem Interesse, weil dieses Jahr dazu ein wichtiger völkerrechtlich verbindlicher Vertrag über die pflanzengenetischen Ressourcen (3) in Kraft tritt. Dieser regelt den Zugang und den Austausch von genetischem Material für die Landwirtschaft.

Was sind die Auswirkungen dieses Vertrags?

Früher ging man bei der Nutzung von biologischen Arten und speziell den landwirtschaftlich nutzbaren vom Konzept des „Gemeinsamen Welterbes“ aus. Dieses wurde vor einigen Jahren nun aber abgelöst durch nationale Souveränitäten. Dadurch wurden zwischenstaatliche Regelungen über die Nutzung notwendig, beispielsweise beim Saatgut.

Warum diese Änderung?

Es geht um einen Austausch zwischen den „Gen-reichen“ Ländern des Südens und den Finanz- und Technologie-reichen Ländern des Nordens. Dahinter stecken grosse ökonomische und nationalstaatliche Interessen.

Wieso stehen am heutigen Symposium die Tiere im Mittelpunkt?

Weil der Bedarf an tierischen Produkten in den nächsten Jahrzehnten überproportional stärker wachsen wird als derjenige von pflanzlichen Produkten. Bis etwa 2030 wird sich der Fleischkonsum verdoppeln, verglichen mit dem Jahr 2000. Dies hängt primär mit der weltweit zunehmenden Verstädterung zusammen, vor allem auch in den Entwicklungsländern. Zudem besteht bei der Erforschung und Erhaltung tiergenetischer Ressourcen ein grösserer Nachholbedarf als bei den Pflanzen. So gibt es beispielsweise in Peru, wo ich mehrere Jahre lang tätig war, seit rund 15 Jahren Erhaltungsprogramme für die zahlreichen Kartoffelsorten, die dort entstanden. In den kleinbäuerlichen Anbaustrukturen können sich die alten Sorten dort heute relativ gut halten. Die Biodiversität von Nutztieren wurde aber erst in den letzten Jahren beachtet. Man ist rund zehn Jahre im Rückstand im Vergleich zu den Pflanzen. Es besteht darum heute dringender Handlungsbedarf zur Erhaltung gefährdeter Tierrassen.


Int. Nutztiertagung
Aufgrund der Verstädterung in den Entwicklungsländern wird sich der Fleischkonsum bis 2030 verdoppeln. (Bild: Viehhalter in Kenia). gross

Ist die Lage denn wirklich so dramatisch?

In den letzten 15 bis 20 Jahren sind von weltweit rund 6'000 Nutztier-Rassen rund 300 bereits ausgestorben. Jede Woche gehen eine bis zwei weitere Rassen verloren.

Wo liegen denn die Gründe für dieses Aussterben?

Der Hauptgrund liegt im dauernden Streben nach Ertragssteigerung. In der industrialisierten Intensiv-Landwirtschaft verdrängen Hochleistungs-Tiere mit maximaler Fleisch- oder Milchleistung die alte Vielfalt lokal angepasster Rassen und Sorten. Zudem verloren durch die Mechanisierung in der Landwirtschaft Zugtiere wie Pferde oder Ochsen an Bedeutung gegenüber den reinen Milch- oder Fleischerzeugern.

Also sind wir auch hier in der Schweiz von diesem Aussterben betroffen?

Von den 90 in der Schweiz landwirtschaftlich genutzten Pferde-, Rinder-, Schweine-, Schaf- und Ziegenrassen gelten 13 als gefährdet und sind in einem Erhaltungsprogramm. Unterstützt werden solche Programme auch durch Nichtregierungsorganisationen wie etwa „Pro Specie rara“ (4).

Wo liegt der ökonomische Nutzen solcher Erhaltungsprogramme?

Bei den Nutzpflanzen wurde in der grünen Revolution beispielsweise nur auf Ertragssteigerung gesetzt. Dadurch verdrängten Hochleistungssorten die alte Vielfalt. Heute setzt man gerade bei Pflanzen vermehrt auf Nahrungsmittel-Qualität, beispielsweise auf bestimmte Mikronährstoffe. So ist etwa der „Golden Rice“ (5) der ETH darauf ausgelegt, möglichst viel Vitamin A zu produzieren. Um solche Qualitätseigenschaften in die wichtigsten Sorten einzuzüchten, greift man schon heute auf Genbanken zurück.

Dann brauchen wir zur Rettung der Biodiversität also umfassende Genbanken?

Das Problem solcher ex-situ-Konservierungen in Zellkulturen und Genbanken liegt an den hohen Kosten für Lagerräume und regelmässige Reproduktion. Darum verstärkt man parallel dazu auch die in-situ-Konservierung, bei der man lokale Bauern im Herkunftsgebiet im Anbau gefährdeter Sorten unterstützt. Da die heutigen Modelle der Forschungsfinanzierung primär auf innovative Projekte ausgerichtet sind, haben es reine Erhaltungsprogramme aber immer schwerer, an Gelder heran zu kommen. Darum haben verschiedene Geberländer und -organisationen - darunter auch die Schweiz - zusammen mit Sponsoren aus der Industrie, wie etwa Syngenta, einen globalen Fonds für die Erhaltung der Pflanzendiversität gestartet (6), der heute am Symposium vorgestellt wird.


Symposium Welternährungstag 2004

Das Symposium zum Thema „Biodiversität im Dienste der Ernährungssicherheit“ findet heute Donnerstag, 14. Oktober von 13:15 bis 17 Uhr im GEP-Pavillon vor dem ETH-Hauptgebäude statt. Hauptreferent ist Samuel C. Jutzi, der Direktor der Abteilung Tierproduktion und Tiergesundheit der FAO. Organisiert wird der Anlass vom Bundesamt für Landwirtschaft, der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA), der FAO, sowie dem Zentrum für internationale Landwirtschaft (ZIL) an der ETH Zürich. Die Teilnahme ist kostenlos. Programm unter (2).




Fussnoten:
(1) Website des Zentrums für internationale Landwirtschaft (ZIL): www.zil.ethz.ch/
(2) Programm des Symposiums Welternährungstag: www.zil.ethz.ch/news/genetischeresourcen_ernaehrungssicherheit
(3) Website des International Treaty on Plant Genetic Resources for Food and Agriculture: www.fao.org/ag/cgrfa/itpgr.htm
(4) Website der Stiftung „Pro Specie rara“: www.prospecierara.ch/
(5) „ETH Life“-Artikel zum „Golden Rice“: www.ethlife.ethz.ch/articles/GoldenerGenreisimMu.html
(6) Informationen zum Global Crop Diversity Trust: www.startwithaseed.org/



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