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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 14.03.2005 06:00

Fachtagung zur Gentechnologie in der Pflanzenforschung
"Ein juristischer Freisetzungsversuch"

„Hat die Pflanzenforschung mit gentechnischen Methoden in der Schweiz eine Zukunft?“ Zu dieser Frage diskutierten am vergangenen Freitag erstmals nach dem ETH-Freisetzungsversuch alle Interessensvertreter in einem konstruktiven Dialog.

Von Jakob Lindenmeyer und Michael Schlumpf

Die vom "Zurich Basel Plant Science Center" organisierte Tagung (1) wurde in der vollen Semper-Aula durch ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder eröffnet. In seiner Begrüssungsansprache betonte er: „Nur gesunde Menschen können sich selbst aus der Armutsfalle befreien.“ Die Biotechnologie der Pflanzen stelle für die Armen dieser Erde eine Grundlage dar, für eine nachhaltigere und bessere Zukunft.

ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder eröffnete die Tagung. gross

Warten auf resistente Kartoffel

Im Gegensatz dazu sieht Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für Biologischen Landbau in der Gentechnik von heute kein Problemlösungspotential. Die Gentechnik habe heute zwar ihren Platz in der Grundlagenforschung. "Doch im Gegensatz zum Biolandbau trägt die Gentechnik kaum etwas zur Nachhaltigkeit bei." Auf die klassische Frage nach der Anwendung von Gentechnik im Biolandbau antwortete Niggli, dass er immer noch auf die Kraut- und Knollenfäule-resistente Kartoffel warte. Die werde er sich dann genauer ansehen.

Kritik aus dem Publikum

Genauer ansehen sollte man sich nicht nur neue Gentech-Produkte, sondern auch importierte Pflanzen oder Produkte aus konventioneller Züchtung, wie etwa die Kreuzung einer Kulturpflanze mit einem Gras aus China, forderte ein Zuhörer. Othmar Käppeli vom Zentrum für Biosicherheit und Nachhaltigkeit BATS bemängelte, dass die Risiken der Einkreuzung oder des Imports exotischer Pflanzen wie Allergien oder die Verdrängung einheimischer Arten im Wirbel um die Gentechnik kaum mehr beachtet würden. Aus dem Publikum meldeten sich aber auch die Gentech-Gegner. So kritisierte etwa Florianne Koechlin vom Basler Appell gegen Gentechnologie, dass über 90 Prozent allen Gentech-Saatguts dem Agro-Konzern Monsanto gehöre. Zudem basiere der grösste Teil des weltweiten Anbaus auf genau einer einzigen Herbizid-Resistenz (gegen das Herbizid Roundup) und mit dem Bacillus Thuringiensis-Toxin auf einer einzigen Insekten-Resistenz. Daher vermisse sie die versprochene Vielfalt und Innovation.

Aktivisten der Arbeitsgruppe "Lindau gegen den Gentech-Weizen" protestierten vor der ETH-Aula. gross

Aktivisten in der Pause

In der Pause wurden die Tagungsteilnehmenden von drei ungeduldigen Aktivisten der Arbeitsgruppe "Lindau gegen den Gentech-Weizen" empfangen. Sie verteilten Flugblätter für eine gentechfreie Schweiz und forderten auf einem Transparent "Versprechen nicht gehalten - Wo sind die Resultate aus Lindau?"

Podiumsdiskussion mit Dieter Imboden, Ueli Suter und Urs Niggli (v.l.n.r.). gross

Dieter Imboden, Präsident des Forschungsrats des Nationalfonds meinte: "Der Verzicht auf gentechnische Forschung wäre ein Katastrophe." Aus der Sicht des Nationalfonds sei das Verbot von Freisetzungsversuchen eine unnötige Einschränkung der Forschung. Doch es sei auch klar, dass demokratische Entscheide akzeptiert werden müssten, da die Forschung nicht über der Demokratie stehe. Ueli Suter, Vizepräsident Forschung an der ETH betonte, dass eine Technologie mit einem enormen Potential erforscht werden müsse, und zwar ohne Restriktionen durch Ängste.


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Christoph Sautter (stehend) informiert das Podium mit Martin Küenzi, Klaus Peter Rippe, Philippe Roch, Stefan Kohler und Rainer Schweizer (v.l.n.r.). gross

Neues Forschungsprogramm analysiert Freisetzung

Zum Schluss seines Referats enthüllte Imboden die Zukunftspläne des Schweizer Nationalfonds. Momentan prüfe der Schweizer Nationalfonds auf Anregung des Staatsekretariats für Bildung und Forschung die Lancierung eines Nationalen Forschungs-Programms (NFP) mit dem provisorischen Titel "Nutzen und Risiken der Freisetzung genetisch veränderter Organismen". Das Programm soll vier Module umfassen zu den Themen Landbaumethoden, Umweltbiotechnologie, Risikowahrnehmung und inter- und transdisziplinäre Bewertung von genetisch veränderten Pflanzen. Der Forschungsrat des Nationalfonds klärt vorerst noch ab, ob Freisetzungsversuche für die Lancierung dieses NFP eine Voraussetzung sind, und ob solche Freisetzungsversuche vom BUWAL als zuständige politische Behörde auch bewilligt würden.

Anja Matzk von der Saatgutfirma KWS sagte, dass nach Versuchen in geschlossenen Systemen ein „Proof of Concept“ mit Freilandversuchen zwingend nötig sei. Christof Sautter vom ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften ergänzte, dass der Übergang von der Vegetationshalle ins Freiland nicht einfach ein quantitativer sei und zeigte die unterschiedliche Genexpression von Pflanzen in den verschiedenen Umwelten Gewächshaus, Vegetationshalle und Freiland auf. Die gesetzlichen Vorschriften sind für Sautter aber klar zu eng. Er machte auf einen Zirkelschluss aufmerksam: „Wir müssten zuerst ins Freiland gehen, um eine Bewilligung zu erhalten, um ins Freiland zu gehen.“ Er habe das Gefühl, dass man vor einem faktischen Moratorium für die Forschung steht.

"Ein juristischer Freisetzungsversuch"

Die bürokratischen Zulassungshürden und der Zeitbedarf für das Bewilligungsverfahren eines nächsten Freisetzungsversuchs scheinen auch nach dem mehrjährigen Zulassungs-Drama der Genweizen-Freisetzung von Lindau nicht restlos geklärt. "Lindau war ein juristischer Freisetzungsversuch", umschrieb der HSG-Rechtsprofessor Rainer Schweizer die Situation. Es sei für alle etwas Neues gewesen, nun aber hätten alle daraus ihre Lehren gezogen. Der ETH-Freisetzungsversuch sei ein "Leading case", der sich mit Bestimmtheit nicht wiederholen werde, erläuterte der Anwalt Stefan Kohler in seinem Referat. Doch der "Leading case" hätte viele wichtige formelle und materielle Aspekte des Zulassungsverfahrens geklärt. Diese Erkenntnisse könnten nun in die demnächst in Vernehmlassung gehende revidierte Freisetzungsverordnung einfliessen.

Auch BUWAL-Chef Philippe Roch will sich neuen Freisetzungsversuchen nicht mehr in den Weg stellen: "Mit dem neuen Gentechnik-Gesetz (2) hat sich die Situation geklärt." Der Bewilligungsprozess müsse nun sehr schnell gehen. Das Gesetz spricht von 90 Tagen - sofern es keine Verfahrensfehler gibt. Auch Christoph Errass, der beim BUWAL die Freisetzungsverordnung (3) überarbeitet, beurteilt den vom Gesetzgeber festgelegte Aufwand für die Forschung als vernünftig und tragbar.

Skeptische Gentech-Forscher

Doch trotz der Zusicherung der beiden Vertreter der Bundesverwaltung blieben die Gentechforscher kritisch. Die Hürden des Bewilligungsverfahrens seien für die Forscher zu hoch, kritisierte beispielsweise Martin Küenzi, Präsident der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit. Und Ingo Potrykus, der emeritierte ETH-Professor und Entwickler des "Golden Rice" ärgerte sich darüber, dass die Hürden heute so hoch seien, dass sie auch finanzkräftige Grosskonzerne kaum überschreiten könnten.

Die Juristen forderten von den Forschern, das neue Gentechnik-Gesetz durch ein konkretes Freisetzungsgesuch auf die Probe zu stellen. Bleibt zu hoffen, dass dieser zweite "juristische Freisetzungsversuch" mindestens rechtlich erfolgreicher verläuft.


Literaturhinweise:
Website des Zentrums für Pflanzenwissenschaften: www.plantscience.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Tagungsprogramm online unter: www.plantscience.ethz.ch/events/2005_03_11
(2) Bundesgesetz über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG): www.admin.ch/ch/d/sr/814_91/index.html
(3) Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt (Freisetzungsverordnung, FrSV): www.admin.ch/ch/d/sr/814_911/index.html



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