ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
Print-Version Drucken
Publiziert: 08.05.2002 06:00

Disclaimer

Von Paul Schmid-Hempel

Via E-Mail erhielt ich kürzlich hilfreiche Instruktionen vom Büro der Europäischen Kommission in Brüssel, wie nun das beantragte Forschungsgesuch zu handhaben sei, auf dass der Bewilligung und Mittelzusprache nichts mehr im Wege stehe. Dankbar über soviel Hilfe macht man sich ans Werk. Doch halt, am Ende steht: "Disclaimer : The views expressed [in this email] are purely those of the writer and may not in any circumstances be regarded as stating an official position of the European Commission...". Es handelt sich hier also nur um die persönliche Meinungsäusserung der zuständigen EU-Sachbearbeiterin. Verwundert reibt man sich die Augen.

Natürlich macht wohl die Angst vor horrenden Forderungen bei Schadenersatzpflicht die Runde. Die seit einiger Zeit bei der Putzmannschaft zu beobachtenden gelben Standschilder im ETH-Hauptgebäude oder die roten Aufkleber an den aufgehängten Toren in der Turnhalle lassen grüssen. Früher hat man anscheinend noch gewusst, dass nasse Böden rutschig sind und dass eine aufgehängte Torstange einem auch auf den Fuss fallen kann.


Zur Person

Für Hummeln hat er eine besondere Schwäche. Paul Schmid-Hempel ist Professor für Experimentelle Ökologie an der ETH und Spezialist für Fragen der Evolution. Spannend ist die Erforschung sogenannt sozialer Insekten vielleicht auch darum, weil die Beobachtung ganzer Insektenvölker manchmal an menschliches Verhalten erinnert. Auch der heutige Mensch sei "Produkt" der Evolution, erklärt Hempel. Dass natürliche Selektion in der Evolution eine wichtige Rolle spielt, sei nicht wegzudiskutieren. "Für die Biologie ist schon lange klar: Darwin hatte prinzipiell Recht."

Paul Schmid-Hempel hatte an der Uni Zürich Biologie studiert, seine Karriere verlief über die Stationen Oxford, Vancouver und Basel - dann, 1991, kam der Ruf an die ETH. "Zurück zu den Wurzeln - damit hatte ich anfangs Mühe. Andererseits waren da ja bereits neue Gesichter, und die guten Forschungsbedingungen an der ETH, die mich reizten".



Nun ist es nicht falsch, auf Gefahren hinzuweisen, doch solche üppigen Signale verlieren rasch ihre Wirkung und werden höchstens zum amüsanten Ritual ("Warning -- last step before end of ladder"). Vielleicht aber ist das Ganze auch symptomatisch für ein tieferes Malaise.

In meinem Büro hängt irgendwo das Zitat von Richard Feynman: "If I could explain it to everybody, I wouldn't have been worth the Nobel Prize". Das tönt ganz schön arrogant und ist vielleicht auch so gemeint. Doch es ist auch eine einfache Wahrheit. Gewisse Dinge sind schwierig und nicht alle schaffen es, solches zu verstehen. (Ich wäre garantiert schon beim zweiten Satz des Beweises für Fermat's letztem Theorem verloren).


weitermehr

paul schmid-hempel
Paul Schmid-Hempel, Professor für experimentelle Ökologie an der ETH.

Es gibt deshalb Grenzen der Kommunikation, auch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Man kann einwenden, dass man es halt so umschreiben und erklären muss, dass es verständlich wird. Die 30-Sekunden-Aufmerksamkeit-Gesellschaft kann jedoch die Notwendigkeit zum Mithören und -denken nicht wegbedingen (was aber wiederum keine Entschuldigung für fehlende oder schlechte Erklärungen ist).

Schaue man etwa die Beschreibung des zu erwartenden praktischen Nutzens eines Forschungsprojekts oder das Profil für die Berufung einer Professorin an. Welche Person kann schon alle die genannten Anforderungen wirklich erfüllen? Solche Supermänner und -frauen gibt es kaum in der Realität. Oder sollte man den Disclaimer gleich mitliefern?

Man wünschte sich deshalb gelegentlich eine Ära der neuen Ehrlichkeit. Nasse Böden können sehr wohl zum Beinbruch führen, ein Forschungsprojekt löst nicht alle Probleme der Welt, und das Schwierige ist schwierig. Wieso eigentlich nicht?

Kürzlich hat der Rektor der Universität Zürich auf die Gefahren der wohlgemeinten Anbiederung an die Gesellschaft hingewiesen. In der Tat, übertriebene Korrektheiten und das Bemühen es allen recht zu machen könnten über kurz oder lang zu folgendem unsichtbaren Text führen: "The benefits promised in this proposal are entirely fictive and in no way reflect the real expectations". Erinnern wir uns besser daran, dass uns ein Erfahrungsschatz von mehreren hundert Jahren der Wissenschafts- und Universitätsgeschichte vorliegt. Daraus ist zu ersehen, dass der zwar gut gemeinte, aber falsch verstandene vorauseilende Gehorsam gegenüber den echten oder vermeintlichen Bedürfnissen der Gesellschaft öfter zu Unheil führt als die selbstbewusste aber ehrliche Darlegung der Möglichkeiten von Wissenschaft, Forschung und Bildung. Die Schweiz ist schliesslich mit Pragmatismus und realistischen Zielen immer gut gefahren. Disclaimer: The views expressed in this column are entirely casual and may not in any circumstances be regarded as opinion or as an attempt to think.




Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!