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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Per Umweg zum Ziel |
Von Mathias Egloff keine_Spitzmarke | |||||||
Unlängst hat mich mal wieder jemand verblüfft. Von einem Computer von dem ich innig gehofft hatte, er würde jetzt endlich klaglos funktionieren, wurde mir gemeldet, er brauche Stunden, bis er aufstarte und manchmal müsse man den Stecker ausziehen und wieder einstecken. Sonst helfe nichts und auch dann nur, wenn die Maschine gerade vorher gelaufen war. Dass die Computerei keine exakte Wissenschaft ist, hatte ich schon vorher gewusst, aber das hier spottete jeder Theorie. Dass ich einige Stunden mit nutzloser Fehlersuche vertan habe, will ich hier gerade noch gestehen, entscheidend ist aber das Prinzip, das diese Mechaniker gefunden hatten: einen „Workaround“. Wenn sich ein Fehler nicht beheben lässt, hilft es oft, vorerst einen Umweg einzuschlagen, um die Situation zu vermeiden, in der der Fehler auftritt. Also zum Beispiel ein anderes störendes Programm zeitweilig zu entfernen oder eben abenteuerliche Handgriffe mit Steckern auszuführen. Auch wenn so ein Workaround oft umständlich ist, geht ihm doch eine gewisse Eleganz nicht ab. Denn er versinnbildlicht eine Zielstrebigkeit, die über den Umweg mehr erreicht als die strenge Ursachenbekämpfung. Er stellt pragmatisch Problemvermeidung über die Reparatur selbst. Nicht selten muss man den Workaround nur einmal wählen, weil sich nach einmaligem Überwinden des Konflikts das Problem nicht mehr besteht. Solche Lösungen zu finden ist die Stärke von intuitiv und oft unbekümmert vorgehenden Menschen; das hat mich schon oft fasziniert.
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Einmal beim Kaffee wurde mir folgende Anekdote vorgetragen, die mir das gegenteilige Prinzip zu veranschaulichen schien: für eine grosse Ausschreibung erhielt mein Chef per E-Mail eine Offerte, in der stand: „Ich fühle mich durch die veränderten Bedingungen der Ausschreibung angespornt, erneut zu offerieren und schicke ihnen deshalb ein neues Angebot“. Nur, dieses Mail kam gar nie an und hätte deshalb meinen Chef beinahe in arge Schwierigkeiten gebracht. Was war geschehen? Der Spam-Filter, den mein Chef einsetzte, erkannte in dieser Passage das (englische) Wort „porn“ und spedierte dieses Schreiben umgehend in den Müll, denn Pornographisches war mit hoher Wahrscheinlichkeit Spam. Das ist natürlich ein bedenklich schlecht programmierter Filter der dazu noch nicht einmal in der Lage ist Deutsch von Englisch zu unterscheiden (vermutlich gibt’s diese Funktion gar nicht auf Deutsch.) Am meisten hat mich aber die einhellige Reaktion meiner Arbeitskollegen erschüttert, die ernsthaft der Meinung waren, man müsse eben Wörter wie „angespornt“ vermeiden, um solchen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Das ist aber kein wirklicher Workaround. Allenfalls ist es ein Talkaround. Genau: drum herumreden, statt sich des Problems annehmen. Dieses Vorgehen verstümmelt nicht nur unsere Sprache, sondern gar uns selber. Ständig vorauseilend die Mängel von schlechter Software auszubügeln, führt leider nicht zur Verbesserung, sondern zu noch grösseren Zumutungen. Eine Rückmeldung entsteht für diese Firmen ja erst, wenn das Programm nicht mehr gekauft wird. In Microsoft Word gibt es dutzendweise Fehler, welche von Programmversion zu Programmversion weiter bestehen, ohne dass sie ausgebügelt werden. Dieses Vorgehen folgt einer Marketinglogik, die es verbietet, Zeit und Geld in etwas zu investieren, das man schon verkauft hat. Alle Anstrengung muss in neue Features gehen, die man sich teuer bezahlen lassen kann. Das funktioniert selbstredend nur mit Programmen, auf die man schlecht verzichten kann. Deshalb nützt auch ein "Buy around" hier nicht wirklich. |
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Die ETH-Life-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung. Diese muss nicht mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen. | |||||||
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