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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Warner oder Panikmacher? |
Die Katastrophe ist aus den Schlagzeilen verschwunden, Geld wurde gespendet. Nicht vergessen können wir die Bilder der Angst, des Entsetzens der Betroffenen. Bilder, die Gesichter zeigen, welche das Unglaubliche nicht wahrhaben wollen oder können. Die Bilder-Flut, welche der zerstörenden Welle folgte, wurde in den Medien mit Informationen über Tsunamis, über tektonische Platten und Verwerfungen, über Subduktionszonen und ihre Erdbeben ergänzt. Erdwissenschaften stehen für einmal im Brennpunkt des Interesses. Politiker wünschen, dass Tsunami-Forschung intensiviert wird. Gleich mehrere Länder möchten bei der Finanzierung der technischen Frühwarnsysteme an vorderster Stelle stehen. Alle sind sich einig, die geforderten technischen Warnsysteme sind dringend nötig. Sie werden allerdings die hinter den technischen Einrichtungen stehenden Wissenschaftler auch in Zukunft nicht von der schwierigen Aufgabe entbinden, unpopuläre Warnungen herauszugeben, die sich nach eingetretenen Ereignissen im guten Fall als sinnvoll und hilfreich erweisen. Erweisen sich Warnungen als übertrieben, dann werden Wissenschaftler schnell der Panikmache bezichtigt. Warnen die Wissenschaftler zu spät, dann werden Warner zu Recht als Versager bezeichnet. Geologen sind mit ihrer Expertise in der beruflichen Praxis besonders häufig mit der Aufgabe konfrontiert, vor Naturgefahren zu warnen. Sie wissen deshalb auch, wie schwierig und konfliktträchtig diese Rolle des „professionellen Warners“ ist.
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Schon 1932 hat der grosse Alpengeologe Albert Heim in seinem Buch zu „ Bergsturz und Menschenleben“ die Rolle des professionellen Katastrophen-Warners genau analysiert. Er beschreibt, wie Warner immer wieder als Schwarzmaler bezeichnet wurden. Eindrücklich beschreibt Heim am Beispiel des Bergsturzes von Elm, wie der Kreisförster als lokaler Landschaftsexperte auf die Gefahr eines baldigen Bergsturzes aufmerksam machte. Er wurde aber, wie Heim schreibt, „seiner Ängstlichkeit halber fast verspottet“! Heim beschreibt, wie die Bewohner von Elm das Unglaubliche nicht wahrhaben wollten. Nach ersten kleineren Felsstürzen gingen manche in naiver Neugierde in Richtung des drohenden Bergsturzes. Sie alle wurden von den Felsmassen verschüttet; über hundert Menschen fanden den Tod. Heim beschreibt auch, wie die Tiere und manche Kinder instinktiv richtig reagierten, sie flüchteten frühzeitig vor den Gesteinsmassen. Das Beispiel Elm zeigt die schwierige Aufgabe des Warners. Er muss Unangenehmes vermitteln, Warnungen stören den Gang des Lebens. In Elm wollte niemand daran glauben, dass der für das Dorf lukrative Abbau von Schiefer einen Bergsturz auslösen würde. In Thailand, vor einigen Wochen, wollte man mit einer möglicherweise übertriebenen Warnung Feriengäste nicht beunruhigen. Noch schwieriger wird die Rolle des Warners, wenn er vor schleichenden und langfristigen Umweltveränderungen warnen muss. Die Klimadebatte zeigt es in diesen Tagen erneut, Warner vor Klimaveränderungen werden weiterhin von vielen wenig ernst genommen. Der Bestseller-Autor Michael Crichton („Jurassic Park“) verurteilt Warner drohender Umweltveränderungen (Sonntagszeitung, 7.2.2005, Stern 10.2.2005) als Panikmacher. Diese warnenden Wissenschaftler werden zu Miesepetern gemacht, die in böser Absicht das Bild einer strahlenden Zukunft zu trüben versuchen, die den Menschen die Lebensfreude stehlen wollen. Die gesellschaftlichen Rollen sind verteilt, den Mutigen, optimistisch in die Zukunft blickenden stehen die Ängstlichen, die Pessimisten und Panikmacher gegenüber. Wissenschaftliche Argumente treten schnell in den Hintergrund, Emotionen und Ideologien dominieren die Zukunftsdebatten. |
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Literaturhinweise:
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