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Rubrik: News
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Publiziert: 11.11.2005 06:00

ZIPBau-Workshop zum Thema Raumentwicklung
Schrumpfen und wachsen

(fw) Schrumpfende Städte und entvölkerte Landschaften kennt man inzwischen in verschiedenen Ländern. Am eindrücklichsten verläuft diese Entwicklung zur Zeit wohl im Osten Deutschlands, wo sich seit dem Zusammenbruch der Mauer ein extremer Wandel abspielt. Auch in der Schweiz beobachtet man, wenn auch in viel weniger dramatischer Weise, wie sich die verschiedenen Lebensräume verändern. Seit einiger Zeit gewinnt die Debatte, wie das Land mit dieser Situation umgehen soll, an Intensität. So hat sich etwa die Stiftung Avenir Suisse vor zwei Jahren zusammen mit Forschern der ETH Zürich im Buch "Stadtland Schweiz" (1) mit diesem Thema auseinandergesetzt. Und kürzlich trat das ETH Studio Basel, medial intensiv begleitet, mit der Studie "Die Schweiz – ein städtebauliches Portrait" (2) an die Öffentlichkeit.

Zürich ist nicht Detroit

Dem Thema "Schrumpfen und Wachsen" hat sich auch das "Zentrum für integrierte Planung im Bauwesen" (ZIPBau) (3) angenommen. Am letzten Mittwoch führte der Verein einen Workshop durch, der das Phänomen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtete. Schrumpfende Städte, das machte Angelus Eisinger, Professor für Raumentwicklung an der Hochschule Lichtenstein, Privatdozent an der ETH und Mitautor der Avenir-Suisse-Studie, zu Beginn klar, lösen negative Gefühle aus. Metropolen wie Detroit, die im Stadtgebiet in der letzten fünfzig Jahren über die Hälfte der Bevölkerung verloren haben, oder eben die ostdeutschen Städte sind triste Beispiele, die einem dazu einfallen.

Betrachtet man das Phänomen rein statistisch – also alleine auf Grund der Bevölkerungszahl –, dann gehören auch Städte wie Zürich, Basel oder Lausanne zur Kategorie der schrumpfenden Städte. Allerdings sind hier die Gründe für den Rückgang völlig anders als in den oben erwähnten Beispielen. In Zürich etwa führt der Wohlstand dazu, dass der Bedarf an Wohnfläche zunimmt. Dementsprechend sind die Mieten hoch, junge Familien sehen sich gezwungen, in die Agglomerationen zu ziehen. Die schrumpfende Stadt ist hier gleichsam Motor des wirtschaftlichen Aufschwungs. Wenn man von Schrumpfen spricht, so machte Eisinger klar, muss man klar unterscheiden, welche Prozesse für die beobachtete Entwicklung verantwortlich sind.

Alpenraum im Abseits

Räume, in denen der Bevölkerungsrückgang mit einem wirtschaftlichen Niedergang verbunden ist, gibt es natürlich auch in der Schweiz. Die peripheren Gebiete, hauptsächlich im Alpenraum und im Jura, geraten zunehmend ins Abseits. Bisher, so Eisinger, sei es der Politik gelungen, die Abwanderung abzudämpfen. Ob dies auch in Zukunft gelingen werde, sei aber höchst zweifelhaft.


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Die amerikanische Autometropole Detroit hat in den letzten 50 Jahren über die Hälfte ihrer Einwohner verloren. Gleichzeitig verzeichneten die umliegenden Agglomerationen ein starkes Wachstum. Die Kernstadt bietet heute ein tristes Bild. gross

Nach Ansicht von Martin Boesch, Professor für Wirtschaftsgeographie und Raumordnungspolitik an der Universität St. Gallen, ist jedoch vor allem der Markt für den gegenwärtigen Strukturwandel verantwortlich. Der Tenor der Politik sei heute zunehmend, die Stärken zu fördern und die Schwächen nicht mehr auszugleichen. Verständlicherweise sind die Randregionen nicht so ohne weiteres bereit, dies hinzunehmen. Angesichts der knapper werdenden Mitteln stelle sich aber die Frage, wie die peripheren Gebiete von der Politik behandelt werden sollen. Boesch plädierte für einen neuen Ansatz, der zu einer differenzierten Regionalpolitik führen würde. Die vorhandenen Mittel, so Boesch, sollten gezielt in Label-Regionen investiert und nicht mehr flächendeckend ausgeschüttet werden.

Was heisst Wachstum

Ebenfalls am Schrumpfen ist die Hansestadt Hamburg. Der regierende Bürgermeister Ole von Beust (CDU) will dem jedoch nicht tatenlos zusehen. Er liess von der Beratungsfirma McKinsey in einer Studie abklären, wie die Stadt wieder wachsen könnte. Das Leitbild wurde nun zur Richtschnur für das politische Handlen der Stadtregierung. McKinsey empfiehlt etwa, vermehrt auf Zukunftstechnologien wie IT, Bio- und Nanotechnologie zu setzen. Dirk Schubert, Privatdozent für Städebau und Quartiersplanung an der TU Hamburg-Harburg, hinterfragte dieses Vorgehen kritisch. Er bemängelte nicht nur die fehlende demokratische Abstützung dieses Vorgehens, sondern auch die grundsätzliche Ausrichtung des Papiers. Es sei fraglich, ob ein Leitbild, das auf betriebswirtschafltichen Grundsätzen basiere, für eine Stadt geeignet sei. Zudem müsse die Frage gestellt werden, was denn mit "Wachstum" genau angestrebt werde. Schubert wies darauf hin, dass noch vor wenigen Jahrzehnten der Schiffbau eine dominierende Branche in Hamburg war. Damals hätten die Berater wohl geraten, auf diesen Industriezweig zu setzen. Wie man heute weiss, wäre dies ein fataler Fehler gewesen.


Fussnoten:
(1) Siehe dazu "ETH Life"-Artikel "Weder Stadt noch Land": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/StadtlandSchweiz.html
(2) Siehe dazu "ETH Life"-Artikel "Schweiz in neuem Licht sehen": www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/staedtebauportraet.html
(3) Homepage des ZIPBau: www.zipbau.ch/



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