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Anton Valavanis und Michael Hagner im Gespräch über Neuroimaging Verführerische Bilder |
(sb) Die Hoffnungen, die Bilder vom Hirn in der Öffentlichkeit auslösen, stehen in einem starken Kontrast zur praktischen Relevanz bildgebender Verfahren, stellte ETH-Professor Michael Hagner vom Zentrum für Wissenschaftsforschung fest. Zusammen mit Professor Anton Valavanis vom neuroradiologischen Institut des Zürcher Universitätsspitals diskutierte er am vergangenen Dienstag im Zentrum "Geschichte des Wissens" über den Einfluss des Neuroimaging auf die Medizin und die Gesellschaft. Um wirklich zu erfahren, wie das Hirn funktioniert, fehlen den Neurowissenschaftern die notwendigen Methoden, erklärte Hagner. „Solange der Neurologie diese Methoden fehlen, ist es zwar interessant, angefärbte Hirnregionen mit einer gewissen neuronalen Aktivität in Verbindung zu bringen, doch das Interesse wird bald nachlassen, wenn es nicht gelingt, die Daten in einem Modell zu integrieren.“ Gehen Wissenschafter und in ihrem Schlepptau die Öffentlichkeit der verführenden Kraft der Hirnbilder auf den Leim? Fehlende Bildkritik Anhaltspunkte, die dafür sprechen, lieferte das Referat von Valavanis. Bilder hätten in der Medizin einen kulturellen Wandel eingeleitet, der dazu geführt habe, dass Mediziner nur noch glauben wollen, was sie sehen und Aussagen von Patienten weniger beachten. Allerdings fehlen ihnen die Kenntnisse, um das Bild richtig zu interpretieren. So seien rund zwei Drittel der anatomischen Zuordnungen von Hirnbildern in neurowissenschaftlichen Artikeln falsch, stellte Valavanis fest.
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Die Möglichkeiten bildgebender Verfahren weisen eine zunehmende Eigendynamik auf, hielt Valavanis fest. Er stellte in der neurowissenschaftlichen Literatur die Tendenz fest, dass anhand bildgebender Verfahren ein „Hirn des Mittelmasses“ bestimmt wird. Eine verheerende Entwicklung, die der Eugenik sehr nahe komme. Wenn das Gehirn einer Standardisierung unterzogen wird, heisst dies, dass beispielsweise eine Person mit einem Hirn, das nicht dem Standard entspricht, unter Umständen stigmatisiert oder kriminalisiert werde, ergänzte Hagner. Neuroökonomen - eine neue Disziplin Bei aller Kritik öffnen bildgebende Verfahren den neurowissenschaftlichen Disziplinen auch neue Türen. So können etwa Tumore entfernt werden, ohne beispielsweise das Sprachzentrum zu schädigen. Nutzen aus den bildgebenden Verfahren ziehen aber auch ganz neue Disziplinen, wie am Rande des Werkstattgespräches zu erfahren war. So haben inzwischen Neuroökonomen die Bühne betreten. Diese nutzen die Hirnbilder für die Beantwortung verhaltensökonomischer Fragestellungen. Dem sei nichts entgegen zu setzen, meinte Valavanis auf die Kritik eines Zuhörers. Wichtig sei bloss, dass die Forscher die notwendige Ausbildung an den Maschinen erhalten, da dies sonst zu verfehlten Annahmen und Aussagen führe, hielt er abschliessend fest. |
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