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Rubrik: Montags-Porträts |
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Ingrid Kissling-Näf Von der Schonung lebenswichtiger Ressourcen |
Ein nicht alltäglicher Werdegang: Sie hat Theologie und Ökonomie studiert und anschliessend einen Master in öffentlicher Verwaltung gemacht. Heute ist Ingrid Kissling-Näf Assistenzprofessorin an der ETH für für Forstliche Ressourcenökonomie. Von Bettina Spoerri Wie können wir die Übernutzung natürlicher Ressourcen wie Wasser, Luft und Wald, ohne die wir Menschen nicht existieren könnten, verhindern? Dies ist die Grundproblematik, mit der sich Ingrid Kissling-Näf beschäftigt. Mit verschiedenen Forschungsprojekten geht die ETH-Assistenzprofessorin für Forstliche Ressourcenökonomie ökologisch und politisch hochbrisanten Fragen nach: Welche Art von staatlich, institutionell oder individuell gesteuerten Anreizen können die Nutzung von Wasser, Luft oder Wald beeinflussen? Wie sieht das Zusammenspiel der Faktoren staatliche Intervention, Markt und Selbstorganisation aus? Welche Massnahmen wurden nach zerstörerischen Unwettern wie "Lothar" angewandt und wie nachhaltig erfolgreich sind sie? Welche Verbesserungen könnten hier erzielt werden? Das Gefangenendilemma In ihrer Assistenzprofessur, die Teil des Lehrstuhls für Forstpolitik und Forstökonomie des Departements für Forstwissenschaften ist, betreut Ingrid Kissling-Näf eine Forschungsgruppe, die sich mit diesen Themen auseinandersetzt. Das interdisziplinäre Team arbeitet unter anderem an einem internationalen Vergleich von Wasserregimen und an der Entwicklung von Nachhaltigkeitskriterien für die Politikevaluation. Das jüngste Projekt ist eine Evaluationsstudie für das BUWAL: Untersucht und verglichen werden die Krisenbewältigungsstrategien für Winterstürme in drei Ländern (Schweiz, Deutschland und Frankreich); auf der Basis dieser Analyse sollen Empfehlungen für die Zukunft abgegeben werden. "Es muss uns gelingen, neue institutionelle Anreize zur Bekämpfung der prognostizierten Klimaveränderung zu finden" , sagt Ingrid Kissling-Näf. Eine Lösung dieses Problems müsse auf globaler Ebene gefunden werden. "Alle sind überzeugt, dass sie etwas machen müssen, doch jeder denkt: 'Wenn der andere es nicht macht - warum soll ich es dann machen?'": In der Ökonomie nennt man das ein "Gefangenendilemma". Brennende Fragen Daran, bedauert Ingrid Kissling-Näf, scheitern viele Bemühungen um eine nachhaltige ökologische Lösung. "Brennend" seien die Fragen nach einer angemessenen Verteilung von Massnahmen zwischen Nord und Süd sowie zwischen Entwicklungsländern und hochindustrialisierten Staaten. Es sei schwierig, auf internationaler Ebene "einen kleinsten gemeinsamen Nenner" zu finden. Doch hier nähmen gerade Non-Governmental-Organisationen (NGOs) inzwischen mehr und schneller Einfluss auf die politischen Entscheidungen als staatliche Organisationen. "NGOs und zum Beispiel auch die von ihnen lancierten Öko-Labels haben Bedeutung erlangt", sagt die Wissenschaftlerin.
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Ingrid Kissling-Näf arbeitet seit viereinhalb Jahren als Assistenzprofessorin an der ETH. Wie fühlt sie sich als einzige Frau im Professorenkollegium des Departements für Forstwissenschaft? "Ich musste mich zuerst eingewöhnen", sagt die junge Forscherin. "Die ETH ist eine sehr kompetitive und hierarchisch gegliederte Hochschule", sagt sie. "Mein Status war zuerst nicht ganz klar, ich habe gelernt mich durchzusetzen". Mit der Gleichstellungsfrage hat sie sich bereits in ihrem Studium auseinandergesetzt. Die Ausbildung am IDHEAP schloss sie mit einer Arbeit zur Chancengleichheitspolitik ab. Familie trotz Karriere - und umgekehrt Ihre politischen Überzeugungen lebt sie auch: Ingrid Kissling-Näf ist verheiratet und hat zwei Kinder. Dass sie als Wissenschaftlerin mit einer Karriere nicht auf Kinder verzichtet, scheint nicht ins konservative oder traditionelle Weltbild vieler ihrer Kollegen zu passen. "Erstaunt" seien sie bei der Geburt ihres ersten Kindes gewesen; bei der zweiten Geburt aber habe sie "viel Unverständnis und Vorbehalte" gespürt. Doch obwohl der Spagat zwischen Wissenschaft und Familie manchmal belastend sei, will sie keine der beiden Lebensformen missen: "Die Vielfalt der Erfahrungen ist sehr bereichernd und steigert die Kreativität; ich könnte mir ein Leben ohne meinen Beruf oder ohne Kinder nicht vorstellen".
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