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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 21.02.2001 06:00

Von den Schwierigkeiten einer Bohrung auf dem Meeresboden
Mit Präzision durchs Nadelöhr

"Einlochen" bei einer Bohrung auf dem Meeresboden ist gar nicht so einfach. Ein Schneckenhaus dient als uralte Wasserwaage. Davon berichtet unser Korrespondet aus dem Südpazifik.

Von Flavio Anselmetti

Im ozeanischen Bohr-Projekt mit ETH-Beteiligung sind wir schon die sechste Woche auf hoher See. Das ist traditionsgemäss diejenige Woche, während der viele hier an Bord Amok laufen, nur noch in sich kehren, oder sonst irgendwelche Probleme aushecken. Eineinhalb Monate haben wir also bereits im 12-Stunden Schichtrhytmus gearbeitet und gelebt, doch trotz Woche sechs blieben die Scherereien einigermassen im Rahmen. Zum Glück geschehen an Bord so aufregende Ereignisse, welche die Aufmerksamkeit auf das Bohren der Kerne richten, wie beispielsweise ein sogenanntes 'Re-entry' in ein Bohrloch.

Reentry
Vier Aufnahmen eines geglueckten 'Re-Entry' an einer Borhstelle. Das Bohrloch am Meeresboden hat etwa 30 cm Durchmesser, der Bohrkopf 25 cm. Im Vordergrund am Rahmen der Videokamera befindet sich zur Orientierung ein Kompass. gross

Re-Entry ins Bohrloch

Dabei wird versucht, mit dem ganzen Bohrgestaenge wieder in ein bereits angefangenes Bohrloch zu gelangen. So ein Vorgang ist erforderlich, wenn zum Beispiel der Bohrkopf ausgewechselt werden muss. Normalerweise braucht man dazu einen Trichter von 2 Meter Durchmesser, den man, bevor man das Bohrgestaenge ganz aus dem Loch am Meeresboden zieht, einfach entlang dem Gestaenge runtergleiten laesst. Damit ist es nachher einfacher, das Loch wieder zu treffen. Bohrt man aber in harten Formationen, passt der Trichter nicht so ohne weiteres in das Loch hinein. Unsere Bohrstelle der letzen Woche erbohrte tatsaechlich einen harten Meeresboden, der es nicht erlaubte, den Trichter so schnell zu setzen. Wir mussten also ein 'Re-entry' ohne Trichter versuchen. Die Schiffscrew war also am Hebel, und musste in 320 m Wassertiefe, bei Wellengang und 2 Knoten Meerestroemung ein Loch von 30 cm Durchmesser mit einem Bohrgestaenge inklusive Bohrkopf von etwa 25 cm Durchmesser treffen.

Dynamischen Positionieren

Was eigentlich unmoeglich erscheint, wird mit Hilfe des sogenannten 'Dynamischen Positionieren' erreicht. Unser Schiff "Joides Resolution" hat 12 seitliche Motoren (thrusters), die das Schiff in jede Richtung bewegen koennen. Es wird mit einem akustischen Sender positioniert, der vor dem Bohren neben der Bohrstelle an den Meeresboden gelassen wird. Das Positionierungssystem empfaengt diese Signale und weiss so genau wo das Schiff sich relativ zur Bohrstelle befindet.


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Gastropod
Ein aufgschnittener Bohrkern aus dem oben abgebildeten Bohrloch: Die spaeter durch Mineralisationen rot verfaerbte Meeresschneckenschale wurde mit weissem Sand gefuellt, der wie eine Wasserwaage (gelbe Pfeile) die ehemalige Orientierung der Schale angibt. gross

Computergesteuert gibt die Crew ein, wie es sich bewegen soll, und die Thrusters uebernehmen kontinuierlich die notwendien Korrekturen. Jetzt muessen Sie sich sich also ein 160 m langes Schiff vorstellen, ein paar Hundert Meter Bohrgestaenge die senkrecht unter dem Schiff bis fast an den Meeresboden runterhaengen, und paar Leute an einem Computer mit Maus und Joystick, die das Schiff zentimeterweise steuern.

Uralte Wasserwage

Eine Videokamera, die mit dem Bohrkopf runtergelassen wird, zeigt die Position des Gestaenges an, sodass man ueberhaupt weiss, in welche Richtung korrigiert werden soll. Damit Sie auch glauben, dass es schliesslich funktioniert hat, sind vier Aufnahmen dieser Videokamera beigelegt. Sie zeigen die letzten Minuten dieses nervenaufreibenden Vorgangs, der etwa zwei Stunden dauerte. Die Stroemungen hatten den Bohrkopf immer wieder vom Loch entfernt, und die Erloesung war gross als er endlich direkt ueber dem Loch war, und die Bohrleute im richtigen Moment das ganze Gestange ins Loch setzten.

Wir konnten also weiter bohren und erbohrten so die Sedimente einer Karbonatplattform. Wir fanden auch groessere Fossilien wie die Meeresschneckenschale auf dem Photo. Die Hohlraeume der Schale wurden mit weissem Sand teilweise gefuellt und danach wurde die Schale durch Mineralisierung mit eisenhaltigen Mineralien tief rot verfaerbt. Heute koennen wir die Sandfuellung der Schale als eine Millionen Jahre alte Wasserwaage gebrauchen. Die Sandoberflaeche innerhalb des ehemaligen Hohlraums zeigt uns naemlich an, wie die Schale damals auf dem Meeresboden gelegen ist.

Tiefer im Bohrloch fanden wir unter anderem Korallen in den Bohrkernen, die uns von vergangenen Riffen und Plattformen berichten, und dann wieder Ablagerungen, die aus einer ruhigen Lagune stammten. Als Geologe stellt man sich beim Betrachten der Gesteine sofort den Ablagerungsraum vor, in dem diese Sediment sich bildeten. Da wir zudem am Horizont die Wellen erkennen koennen, die sich am Great Barrier Reef brechen, faellt uns das fuer diese Sedimente mit all den erbohrten Korallen gar nicht schwer.


Literaturhinweise:
Weitere Informationen zum "Ocean Drilling Program": www-odp.tamu.edu/



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