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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 21.11.2002 06:00

Blutspendeaktion an der Universität Zürich Irchel
Spenden und Denken

Auf dem Gelände der Universität Zürich Irchel findet heute Donnerstag eine ungewöhnliche Blutspendeaktion statt. Róza El-Hassan, künstlerischer Gast am Collegium Helveticum, möchte mit einer Performance die Spender zum Nachdenken anregen.

Von Felix Würsten

"Blut ist mein wertvollstes Gut, deshalb spende ich es in Zürich" - so bringt Róza El-Hassan die Idee ihrer Blutspende an der Universität Zürich Irchel auf den Punkt. (1) Die ungarische Künstlerin weilt dieses Semester als künstlerischer Gast am Collegium Helveticum (2). Sie möchte mit ihrer Performance die anderen Blutspender zum Nachdenken anregen. Und natürlich auch die Zuschauer, welche die Aktion von aussen beobachten können. Denn der Raum, in dem die Blutspendenaktion stattfindet, wurde so gewählt, dass er von oben für Dritte einsehbar ist. Auch sonst wird für regelmässige Spender einiges eher ungewohnt sein. Die Liegen für die Spender stehen auf einem übergrossen Logo des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) und die Künstlerin wird während der Performance Videoaufnahmen machen und mit den Spendern das Gespräch suchen.

Autonomie in der Tabuzone

Dass die Performance überhaupt stattfinden kann, ist keine Selbstverständlichkeit. Das SRK tat sich anfänglich schwer mit der Idee, die Blutspendeaktion mit einer künstlerischen Arbeit zu verbinden. Denn die karitative Organisation will sich ja gemäss ihrem Selbstverständnis jeder möglichen politischen Stellungnahme enthalten. "Das Rote Kreuz ist politisch und ästhetisch eine Tabuzone", erklärt Róza El-Hassan. "Das heisst, das Rote Kreuz ist ein autonomer Raum in der Gesellschaft". Als autonomer Raum versteht die Künstlerin auch ihre Arbeit. "Die Aktion auf der Irchel ist also ein autonomer Raum in einem autonomen Raum."

Autonome Räume beschäftigen Róza El-Hassan schon seit mehreren Jahren. Konkret begann sie sich 1998 in Belgrad mit dem Thema auseinanderzusetzen. Damals, zur Zeit des Krieges, mochte sie ihre künstlerische Arbeit nicht in einer staatlichen oder städtischen Institution veranstalten. Sie suchte daher nach möglichen Räumen, in denen freie Kunst ohne staatliche Einflussnahme möglich war. In privaten Wohnungen, später auch in kleinen Cafés fand sie Orte, wo sie zusammen mit der Künstlerin Milica Tomic Manifestationen gegen Grenzziehung, Rassismus und Vorurteile veranstalten konnte.

Blutspende als Propaganda

In Belgrad war es auch, wo Róza El-Hassan ihre erste Blutspendeaktion durchführte. Als der palästinensische Präsident Yassir Arafat kurz nach den Attentaten vom 11. September 2001 Blut für die amerikanischen Opfer spendete, brachte diese mediengerecht inszenierte und politisch motivierte Tat Róza El-Hassan auf die Idee, sie könnte doch für das serbische Volk Blut spenden. Bei einer zweiten Aktion spendete sie ihr Blut in Budapest, diesmal zugunsten der freien Kunstszene, die sich in der ungarischen Hauptstadt neben den etablierten Kulturinstitutionen zu behaupten sucht.


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Róza El-Hassan bei der Blutspende in Budapest. gross

Nette Leute provozieren

In Zürich möchte Róza El-Hassan den Schweizern Blut spenden. Sie ist erst seit vier Wochen in Zürich und ist mit den Verhältnissen noch nicht so vertraut. Was ist ihr bis jetzt vor allem aufgefallen? «Die Leute hier sind alle so nett» sagt die Künstlerin spontan. Sie hofft, dass sie die Schweizer am Donnerstag mit ihrer Performance dennoch provozieren kann. Dass sie als Frau aus dem Osten mit arabischen Wurzeln den reichen Schweizern Blut spendet, wird vielleicht Widerspruch erregen. Werden die unabhängigen Schweizer die Spende am Ende vielleicht gar ablehnen? Natürlich nicht, das weiss auch Róza El-Hassan, dazu sind die Schweizer viel zu nett. Aber vielleicht lassen sie sich von der Künstlerin doch in Gespräche verwickeln. An Fragen fehlt es jedenfalls nicht: Wer spendet wem und mit welcher Absicht? Und ist Spenden tatsächlich eine so selbstlose Tat, wie es auf den ersten Blick scheint?

Es sind solche paradoxen Themen, die Róza El-Hassan mit ihren künstlerischen Statements aufzugreifen versucht. "R. thinking/dreaming about overpopulation" nennt sich das längerfristig angelegte Projekt, in das die Blutspendenaktionen eingebettet sind. Eine andere Aktion in dieser Reihe war die Verteilung von T-Shirts mit dem Slogan "I am overpopulation" - ein doppelsinniger Spruch: Erklärt sich die Trägerin des T-Shirts mit denjenigen Gruppen solidarisch, die für die weltweite Überbevölkerung verantwortlich gemacht werden? Oder bekennt sich der Träger am Ende gar offen dazu, ein Teil des Problems zu sein


Zur Person
Róza El-Hassan, geboren 1966 in Budapest, besuchte die Akademie in Budapest, die Städel Kunsthochschule in Frankfurt und die Intermedia Medienfakultät an der Kunstakademie in Budapest. Die Künstlerin mit syrischen Wurzeln arbeitet mit Zeichnung, Skulptur, Video und Performance. Bekannt wurde sie unter anderem mit der Installation "Secured Space". Stangen mit Haltegriffen, wie sie in öffentlichen Verkehrsmitteln üblich sind, wurden in einer Galerie zwischen die Wände geschraubt und erzeugten so einen paradoxen Raum. In der Serie "Streched Objects" hat Róza El-Hassan verschiedene Gegenstände mit horizontal gespannten Seilen auf ungewöhnliche Art und Weise an einer Wand befestigt. Róza El-Hassan ist international bekannt und repräsentierte 1997 Ungarn an der Biennale in Venedig.



Fussnoten:
(1) Blutspendeaktion des Zürcher Blutspendedienstes SRK. Donnerstag, 21. 11. 2002, 11 - 15 Uhr; Universität Zürich Irchel, Bau 13-15, Foyer F. Insert von Róza El-Hassan um 13 Uhr: "R. thinking/dreaming about overpopulation".
(2) Collegium Helveticum http://www.collegium.ethz.ch/



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