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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.10.2003 06:00

Neue Erdbebenmessstation DAVOX
Ein Beitrag zur weltweiten Rüstungskontrolle

Am letzten Donnerstag wurde die seismische Messstation DAVOX des Schweizerischen Erdbebendienstes eingeweiht. Die Station dient nicht nur der Erfassung von Erdbeben, sondern soll auch helfen, Atomtests zu entdecken. Die Schweiz will damit einen aktiven Beitrag zur Eindämmung von Massenvernichtungswaffen leisten.

Von Felix Würsten

Der graue Schacht am Wegrand wirkt unscheinbar. Doch was sich hier im steilen Gelände im Dischmatal bei Davos im Betonkasten verbirgt, ist nicht eine Wasserfassung oder Trafostation, sondern die seismische Messstation DAVOX. Sie ist Teil des internationalen Messnetzes, mit dem die Einhaltung des Atomteststoppvertrags (CTBT) (1) überwacht werden soll. Am letzten Donnerstag wurde die Station offiziell eingeweiht.

Vier verschiedene Messnetze

DAVOX verbindet die Schweiz mit einer kaum bekannten Organisation der Vereinten Nationen, wie Botschafter Jean-Jacques de Dardel, Chef des Zentrums für internationale Sicherheitspolitik beim EDA (2) erklärte. Die "Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organisation" (CTBTO) (3) mit Sitz in Wien hat den Auftrag, den Atomteststoppvertrag zu überwachen. Obwohl dieser Vertrag zur Zeit noch nicht in Kraft ist (s. Kasten), laufen die Arbeiten zum Aufbau des Überwachungssystems auf vollen Touren.

Die Einhaltung des Vertrags soll primär mit vier weltweiten Messsystemen überprüft werden. Ein erstes System prüft, ob in der Atmosphäre Nukleide vorkommen, die bei einer Atomexplosion freigesetzt werden. Das zweite System misst Luftdruckschwankungen, kann also Druckwellen von grösseren Explosionen entdecken. Das dritte System zeichnet Schallwellen in den Ozeanen auf und erkennt untermeerische Explosionen. Das vierte System schliesslich ist das seismische Messsystem, das Erschütterungen im Erdinnern aufzeichnet. Das seismische Messnetz wird, wenn es fertig erstellt ist, aus 50 Primärstationen und 120 Hilfsstationen bestehen, die über die ganze Welt verteilt sind. DAVOX ist die neunte Hilfsstation, die in Betrieb genommen wurde. Die Schweiz, so de Dardel, leistet mit dieser Station einen substantiellen Beitrag zur Überwachung des CTBT.

Mauro Mantovani (VBS), Jean-Jacques de Dardel (EDA) und Urs Kradolfer (ETH Zürich) (v.l.n.r.) freuen sich über die gute Zusammenarbeit im Dienst der internationalen Rüstungskontrolle. gross

Aufwändige Stationssuche

Dass die Station ausgerechnet in der Nähe von Davos installiert wurde, hat historische Gründe, wie Urs Kradolfer vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich erklärte. Auf dem Weissfluhjoch Davos betrieb der SED die Messstation DAVOS, die sich durch eine besonders gute Performance auszeichnete. Die Schweiz schlug daher während den Vertragsverhandlungen vor, DAVOS als CTBT-Station zu nutzen.

Die Station DAVOS, die sich in einer militärischen Anlage befand, musste dann allerdings aufgegeben werden, und so suchte der Erdbebendienst im Auftrag des EDA, das die CTBT-Station finanziert, nach einem neuen Standort in der Region. Die Suche gestaltete sich aufwendig und nahm rund zwei Jahre in Anspruch. Eine geeigneter Ort muss nämlich verschiedene Kriterien erfüllen: Es gibt keine seismischen Störsignale, etwa von Verkehrsanlagen, der Untergrund besteht aus festem, hartem Fels, in der Nähe besteht ein Stromanschluss und der Ort ist das ganze Jahr über gut erreichbar.

Unerwartete Probleme

Der SED prüfte verschiedene Standorte, glaubte mehrmals, endlich eine gute Stelle gefunden zu haben - und stiess doch immer wieder auf unerwartete Probleme. So zeigte sich etwa bei einer vermeintlich guten Lokalität, dass der nahe gelegene Mast einer Luftseilbahn bei starkem Wind Störsignale aussendet. Wie empfindlich der Seismograph ist, demonstrierten die Mitarbeiter des SED vor Ort. Wirft man ein paar Dutzend Meter von der Station entfernt einen schweren Stein auf den Boden, zeigt der Computer einen Ausschlag an. Bereits Bodenbewegungen im Nanometerbereich werden vom sensiblen Gerät registriert.


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IIn dieser Hütte befindet sich der Computer, der die Daten der Messstation aufzeichnet. Per Satellitenantenne werden die Daten bei Bedarf nach Wien übermittelt. gross

Per Satellit nach Wien

Im Dischmatal fanden die Seismologen nun einen Ort, wo sie direkt neben einem Weg eine Station auf festem Fels bauen konnten. Zudem befindet sich gleich unterhalb davon eine Hütte, die vom Schweizerischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung für Beobachtungszwecke benützt wird. Die Messsignale der Station DAVOX werden von einem Computer in der Hütte aufgezeichnet und bei Bedarf via Satellit nach Wien übermittelt. Gleichzeitig werden die Signale per Telefonleitung nach Zürich zum Erdbebendienst geschickt, der DAVOX als normale Erdbebenstation nutzt.

Aus Kostengrünen werden nur Daten nach Wien geschickt, wenn die Computer dort irgendwo auf der Welt ein seismisches Ereignis registrieren. Per Mail ruft die Zentrale in Wien dann automatisch Daten von den Hilfsstationen ab, um den Sachverhalt zu klären. Dies geschieht etwa fünf bis zehn Mal pro Tag, wie Kradolfer erklärt. Die Daten aller Stationen werden dann in Wien analysiert. Auf Grund der Signalform können die Experten entscheiden, ob es sich um ein Erdbeben handelt oder um eine nukleare Explosion.

Aktive Rolle der Schweiz

Die Station ist übrigens nicht der einzige Beitrag, den die Schweiz zur Durchsetzung des CTBT leistet. Wie Mauro Mantovani von der Direktion für Sicherheitspolitik im VBS erklärte, verfolgt die Schweiz in diesem Bereich eine pro-aktive Politik, obwohl der Vertrag in absehbarer Zeit kaum in Kraft treten dürfte. Nach Ansicht des EDA und des VBS zeigt das Abkommen nämlich trotzdem eine gewisse Wirkung. Seitdem Pakistan im Mai 1998 seine zweite Bombe zündete, wurde weltweit kein einziger Nuklearversuch mehr durchgeführt. Atomtests, so die optimistische Schlussfolgerung, sind zwar heute noch nicht verboten, werden aber von der internationalen Gemeinschaft geächtet.

Das VBS unterstützt die CTBTO vor allem mit dem Labor Spiez. (4) Dort werden beispielsweise Experten ausgebildet, die später einmal als Inspektoren eingesetzt werden könnten. Der Vertrag sieht vor, dass im Verdachtsfall die internationale Gemeinschaft Inspektoren in das entsprechende Vertragsland schicken kann, die dann vor Ort nach Beweisen für eine unerlaubte Atomexplosion suchen. Zur Zeit ist man daran, ein funktionstüchtiges Inspektionssystem aufzubauen, das im Ernstfall innerhalb kürzester Zeit aktiviert werden könnte.

Die Messstation DAVOX, gut geschützt in einem soliden Betonschacht. Wird der Deckel ohne Benachrichtigung der Zentrale in Wien geöffnet, wird dort automatisch ein Alarm ausgelöst. gross


Der CTBT

Die ersten Bemühungen, eine weltweites Verbot von Nuklearversuchen durchzusetzen, wurden bereits in den sechziger Jahren unternommen. Doch erst 1996 gelang es, ein internationales Abkommen abzuschliessen. Nachdem neben anderen Staaten vor allem Indien die Vertragsverhandlungen in Genf blockierte, wurde der Vertrag auf Antrag Australiens kurzerhand vor die UNO-Hauptversammlung gebracht und dort verabschiedet. Die Schweiz unterzeichnete den Vertrag noch im gleichen Jahr und ratifizierte ihn 1999. Bis heute haben 168 Staaten den Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty (CTBT) unterzeichnet; 104 Länder haben ihn auch ratifiziert. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen alle 44 Länder, welche Nukleartechnik zivil oder militärisch nutzen, den Vertrag ratifizieren. 12 Staaten, darunter Nordkorea, Indien, Pakistan, Israel, Iran, China und die USA, konnten sich bis jetzt noch nicht zu diesem Schritt entschliessen.




Fussnoten:
(1) Informationen zur seismischen Verifikation des CTBT: www.seismo.ethz.ch/bsv
(2) Homepage des EDA: www.eda.admin.ch/
(3) Homepage der CTBTO: www.ctbto.org/
(4) Homepage des Labors Spiez: www.vbs.admin.ch/ls/



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