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Rubrik: Tagesberichte |
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EAWAG-Infotag zu Risikofaktoren im Wasser Wasser: Klärung notwendig |
Können die Risiken von Antibiotika oder Hormonen in unseren Gewässern abgeschätzt werden? Auch in hochindustrialisierten Ländern kommen noch immer Trinkwasser-Epidemien vor. Welche Analysemethoden werden uns helfen, solche Katastrophen einzudämmen? Diesen und Fragen zur weltweiten Wasserqualität widmete sich der Infotag der EAWAG. Von Brigit Furrer Obwohl die Verunreinigung, oder etwas krasser formuliert: die Verseuchung des aquatischen Ökosystems vor Landesgrenzen und Kontinenten keinen Halt macht, gibt es bis heute keine globalen Zusammenschlüsse oder Gremien, die für weltweit verbindliche Normen sorgen. Die Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) fordert deshalb mit Nachdruck die Schaffung solcher Richtlinien. Das erscheint berechtigt, denn was nützt es, dass wir zum Beispiel in der Schweiz oder im EU-Raum Bestimmungen und Grenzwerte - trotz ihrer Umstrittenheit - anerkennen und einhalten, wenn in Asien oder Russland nichts dergleichen stattfindet? Die Globalisierung hat hier also noch nicht stattgefunden. Auch wenn also allgemeinverbindliche Verhaltensregeln noch fehlen, der EAWAG-Infotag vom vergangenen Mittwoch im Audimax der ETH gab einen guten Überblick über die global akuten Verunreinigungen (Klärschlamm) sowie die bereits seit langem bestehenden natürlichen und chemischen Gefahren (Arsen, der Benzinzusatz MTBE oder Bisphenol A). Zwei Fälle aus der grossen Palette von Wasserverunreinigungen veranschaulichen die Problematik einer Risikobeurteilung besonders gut.
Antibiotika: Drohende Resistenzen Beim Vortrag "Antibiotika: Kehrseite der Medaille" stellte Christa McArdell klar, dass Antibiotika an und für sich kein grosses Problem in unseren Gewässern darstellten. Wenn wir täglich ein Leben lang drei Liter ungereinigtes Oberflächenwasser trinken müssten, würde unser Körper zur Todesstunde noch immer eine geringere Dosis an Antbiotika aufweisen, als ein Patient vom Arzt als tägliche Minimaldosis verschrieben erhält. Das scheint verantwortbar zu sein, wenn man bedenkt, dass die Schweiz jährlich 30 Tonnen Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin verbraucht und damit Tausende von Tier- und Menschenleben gerettet werden. Nach Aussage von McArdell stellt sich eine solche Produktionsmenge als minimale Belastung für den menschlichen Organismus dar. Dennoch: Ärzte und Pharmazeuten sollten, so McArdell, Antibiotika nur mit grösstmöglicher Sorgfalt einsetzen. Die Tatsache nämlich, dass vor allem die Fische in der Nähe von Kläranlagenausläufen unter Umständen doch in sehr hohen Konzentrationen von Antibiotika schwimmen, mache nämlich auf die heute noch sehr schwierig abzuschätzende Gefahr einer Verbreitung von Antibiotikaresistenzen aufmerksam. Welches Gefahrpotential stellen nun Antibiotikaspuren für die Ausbreitung von Resistenzen und Allgerien beim Menschen dar? Die Referentin verwies auf das Nationale Forschungsprogramm 49 (1), das sich dieser noch sehr wenig erforschten Frage angenommen hat. Zudem wird in diesem Zusammenhang auch an der EAWAG an Methoden zur Urinseparierung (2) gearbeitet. Risikoeindämmung bei giftigen Stoffen Urs Friederich von Dow Chemical referierte als Vertreter der europäischen Chemieindustrie über das umstrittene Risikoabschätzungsverfahren bezüglich Bisphenol A. Dieser Giftstoff wird für die Herstellung von Kunststoff gebraucht. Dabei verbreitet er sich aber auch diffus in der Umwelt. Friederich erläuterte das Verfahren anhand einer von der europäischen Chemieindustrie selbst durchgeführten Studie bei einer nordamerikanischen Fischart. Sie eruierte Grenzwerte, die auf EU-Vorgaben beruhen. Es wird dabei hauptsächlich mit zwei Variablen operiert: Predicted Environmental Concentration (PEC, berechnete Umweltkonzentration) und Predicted No Effect Concentration (PNEC, höchste Konzentration ohne schädigende Wirkung).
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Die Berechnung zulässiger Grenzwerte ist sehr simpel: Das Verhältnis von PEC/PNEC darf den Wert 1 nicht überschreiten. Die Resultate dieser Fisch-Studie und die Tatsache, dass Bisphenol A eine sehr kurze Halbwertszeit aufweist, nämlich zwei bis sechs Tage, beweist, so Friederich, dass nicht von einem Risiko gesprochen werden kann. Schneckenstudie relativiert Gleich im Anschluss daran berichtete Friederich jedoch von einer Toxizitätsstudie mit subtropischen Schnecken, die gegenteilige Resultate aufwies. Der Vertreter der Chemieindustrie zeigte sich dadurch noch nicht beunruhigt. Für Friederich besteht kein Grund, am „no risk“ zu zweifeln. Vorerst werden die Schnecken im Rahmen einer eigenen Studie der Chemischen Industrie auf ihre Bisphenol-A-Verträglichkeit geprüft. Dazu aufgefordert wurde sie durch die zuständige EU-Behörde, denn diese stellt die Resultate der betreffenden Schneckenstudie ebenfalls in Frage. "Zu einfache Rechnung" Voten aus dem Publikum machten deutlich, dass die Rechnung wie sie Friederich vorgestellt hat, zu einfach ist. Wie stellt sich zum Beispiel das Risiko dar, wenn - wohl berechtigterweise - von einem Chemikalien-Cocktail ausgegangen würde? Friederich verwies in diesem Zusammenhang auf das Problem der Priorisierung von Schadstoffen. Zudem seien bereits Studien bezüglich eines Stoffes enorm teuer. Immerhin würde Dow Chemical ihr eigenes Produkt untersuchen. Heinz-Jochen Poremski, Wissenschaftlicher Direktor Fachgebiet Meeresschutz des Umweltbundesamtes Berlin, plädierte für einen deutlich tieferen Grenzwert, nämlich für 0,5 (PEC/PNEC-Verhältnis), da Messungenauigkeiten und Schwankungen miteinbezogen werden müssten. Die Schneckenstudie beweise eindeutig, dass grösste Vorsicht bei der Anwendung von Grenzwerten angebracht sei. Statistiken hinterfragen Hans-Peter Koller von der EAWAG plädierte für eine globale Vorgehensweise bei der Abschätzung und Eindämmung von Risikofaktoren im aquatischen Ökosystem. Er befand, dass die OECD diese Aufgabe in Angriff nehmen sollte, da sie die richtige Körperschaft dazu sei. Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied könne als Vorbild eine härtere Linie und strengere Vorgaben verlangen. Schliesslich forderte Koller die Forscher und Industrie auf, nicht blindlings statistischen Resultaten zu glauben. In den Referaten sei deutlich geworden, dass solche Auswertungen allein nicht genügen, um Risiken abzuschätzen. Es müsse nach weiteren Auswahlkriterien gesucht werden; und dies heisse für die Zukunft: Es gibt weiteren wissenschaftlichen Handlungsbedarf.
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Literaturhinweise:
Fussnoten:
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