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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 07.02.2003 06:00

Kolloquium des Departements Forstwissenschaften
Stürmische Erneuerung des Waldes

Die verheerenden Waldschäden nach den schweren Stürmen «Vivian» und «Lothar» haben eine Vielzahl von Forschungsprojekten ausgelöst. Diese ermöglichen interessante Einblicke, wie sich ein Wald nach einer schweren Schädigung wieder erholt.

Von Felix Würsten

Gut drei Jahre ist es nun her, seit der Orkan «Lothar» im Dezember 1999 mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 170 km/h über die Schweiz brauste. Nach dem Sturm «Vivian» im Februar 1990 war es bereits das zweite Mal innerhalb von 10 Jahren, dass grosse Flächen an Wald zerstört wurden. Für die Forstwissenschaften stellen die beiden Stürme «Lothar» und «Vivian» eine günstige Gelegenheit dar, die Waldentwicklung nach einer Sturmschädigung zu studieren. Über Resultate dieser Forschungsarbeiten berichteten letzten Montag fünf Referenten an einem Kolloquium des Departements Forstwissenschaften, darunter auch eine junge Forscherin und ein junger Forscher, die am Wettbewerb des SFV und der SANW teilnehmen. (s. Kasten).

Junger Wald löst Totholz ab

Andrea Kupferschmid von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) untersucht am Gandberg im Kanton Glarus, wie sich ein Gebirgswald nach einer schweren Schädigung durch Sturm und Borkenkäferbefall erholt (1). Die Forscherin möchte die Frage beantworten, ob der geschädigte Wald seine Schutzfunktion in den nächsten Jahrzehnten noch erfüllen kann. Sie hat dazu ein Computermodell entwickelt, mit dem die Waldverjüngung auf den verschiedenen kleinräumigen Standorten simuliert werden kann. Die Berechnungen deuten darauf hin, dass die jungen Bäume am Gandberg genügend schnell wachsen, um die langsam abnehmende Schutzfunktion des vermodernden Totholzes in einigen Jahrzehnten übernehmen zu können. Das Modell hat allerdings noch einige Schwächen, wie Kupferschmid einräumte. So wird der Verbiss durch Wildtiere - am Gandberg besonders ausgeprägt – noch nicht in die Berechnungen einbezogen.

In eine ganz andere Richtung zielt die Arbeit von Fabian Meyer vom Botanischen Institut der Universität Basel (2). Er hat zusammen mit seiner Gruppe kurz nach dem Sturm Lothar bei insgesamt 1600 Fichten an mehr als 100 Standorten Holzproben entnommen. Anhand dieser Proben hat Meyer nun untersucht, ob die Holzqualität einen Einfluss auf die Sturmresistenz eines Baumes hat. Wie Meyer darlegte, wirkt sich der anthropogen verstärkte Stickstoffeintrag und die erhöhte CO2-Konzentration in der Atmosphäre indirekt auf die Holzqualität aus. Die Untersuchungen zeigen nun, dass Bäume, die auf Grund dieser Einflüsse in den Jahren vor dem Sturm ein überdurchschnittlich schnelles Wachstum erlebten, bei einem Sturm eher brechen als normal wachsende Bäume.

Brombeeren als Wachstumshemmer

Drei weitere Referenten stellten in einem zweiten Teil des Kolloquiums grösser angelegte Forschungsprojekte vor. Nach den beiden grossen Stürmen wurden auf verschiedenen Versuchsflächen die Waldverjüngung über mehrere Jahre hinweg minuziös verfolgt. Dabei stand die intensiv diskutierte Frage im Vordergrund, ob sich das Räumen des Sturmholzes positiv oder negativ auf die Waldentwicklung auswirkt. Die Frage lässt sich auch heute nicht pauschal beantworten.


Wettbewerb für den Nachwuchs
«Stürme überall» lautet des Motto des 183. Jahreskongresses der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften (SANW) am 9./10. Oktober 2003 in Freiburg. (3) Ein Ziel dieses Kongresses ist es, Nachwuchsforscher und -forscherinnen stärker in die wissenschaftliche Gemeinschaft einzubinden. Der Schweizerische Forstverein (SFV) hat in diesem Zusammenhang einen Wettbewerb für junge Forschende ausgeschrieben. In einem mehrstufigen Verfahren werden zur Zeit diejenigen Kandidaten und Kandidatinnen ausgelesen, welche am Jahreskongress ihre Arbeit in einem Kurzreferat vorstellen dürfen.



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Die Versuchsfläche Zweisimmen, zweieinhalb Jahre nach dem Sturm Vivian. Die Vegetation hat sich noch nicht an die neuen Verhältnisse angepasst. (Bilder: Documenta Natura) gross

Die Versuchsfläche Schwanden gut 10 Jahre nach dem Sturm Vivian. Die Vegetation aus Himbeeren und Weideröschen hat das liegengelassene Holz schon weitgehend überwachsen. gross

Immerhin zeigte sich, dass bei den von Lothar geschädigten Waldstücken im Mittelland auf den geräumten Flächen nach wenigen Jahren erwartungsgemäss viel mehr neue Bäume wachsen als auf den belassenen Flächen, wie Christoph Angst von der WSL erklärte (4). Ein Grund dafür ist, dass auf den belassenen Flächen mehr Brombeerstauden gedeihen, die das Wachstum der jungen, kleinen Bäume behindern. Allerdings breiten sich heute auf den geräumten Flächen die Beerenstauden immer mehr aus, so dass eine Angleichung der Verhältnisse stattfindet.

Besonders brisant ist die Frage "Liegenlassen oder Räumen" bei Gebirgswäldern, da diese häufig eine wichtige Schutzfunktion übernehmen. Aus Schutzgründen ist sofortiges Räumen nach einem Sturm in der Regel nicht angebracht, wie Walter Schönenberger von der WSL auf Grund der Untersuchungen auf den Vivian-Schadenflächen zeigte. (5) (6) Sowohl auf den geräumten als auch auf den belassenen Flächen leben deutlich mehr Tierarten als im normalen Gebirgswald. Da auf den geräumten und den belassenen Flächen nicht die gleichen Tierarten leben, ist es aus Sicht der Biodiversität günstig, wenn in einem Schadensgebiet belassene und geräumte Flächen kombiniert werden.

Akzeptanz bei der Bevölkerung

Philippe Rätz vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) schliesslich stellte die Resultate einer Untersuchung vor, die sich mit den sozialen, ökonomischen und politischen Aspekten der Sturmschäden befasste. (7) Die Bevölkerung ist offenbar im Grossen und Ganzen mit dem Vorgehen der Behörden nach den beiden Stürmen einverstanden. Mit ein Grund für diese positive Beurteilung ist wohl, dass die Nutzung der Wälder als Erholungsraum kaum eingeschränkt wurde. Die Forscher stellten allerdings fest, dass in der Öffentlichkeit immer noch falsche Vorstellungen über die Bedeutung von Stürmen für die Waldentwicklung vorherrschen.

Bei den Vertretern der Forstwirtschaft stiess die von Forschern und Behördenvertretern ausgegebene Losung, «Lothar» als Chance zu verstehen und vermehrt Sturmholz liegen zu lassen, anfänglich auf wenig Verständnis. Die Debatte, in welchem Mass das gefällte Holz sofort entfernt werden soll, dürfte auch beim nächsten schweren Sturm wieder entbrennen. Die am Montag vorgestellten Ergebnisse bestätigen, dass es auf diese Frage keine einfache Antwort gibt, sondern dass von Fall zu Fall die verschiedenen Aspekte gegeneinander abgewogen werden müssen. Die wissenschaftlichen Grundlagen dazu stehen nun immerhin zur Verfügung.


Fussnoten:
(1) Informationen zum Projekt: www.wsl.ch/staff/andrea.kupferschmid/Gandberg-de.html
(2) Informationen zum Projekt: www.unibas.ch/botschoen/07/19/e.shtml
(3) Website des SANW-Jahreskongresses: www.unifr.ch/sanw-JK03/inhalt.html
(4) Informationen der WSL zum Sturm Lothar: www.wsl.ch/forest/lothar/welcome-de.ehtml
(5) Informationen zum Thema Waldentwicklung nach Windwurf: www.wsl.ch/programme/walddynamik/wdwind-de.ehtml
(6) Publikation "Vivian’s Legacy in Switzerland – Impact of windthrow on forest dynamics": www.wsl.ch/lm/publications/newpub-de.ehtml
(7) Informationen des BUWAL zum Thema Lothar: www.umwelt-schweiz.ch/buwal/de/fachgebiete/fg_wald/



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