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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 29.09.2005 06:00

ETH-Forschung für die NEAT
Von der Planung zum Betrieb

Am Bau der neuen Eisenbahn-Basistunnels durch die Alpen sind auch Forscher der ETH massgeblich beteiligt. Was die Hochschule zum Gelingen des Jahrhundertbauwerks beiträgt, zeigten ETH-Forscher am Mittwoch an einem Medienseminar auf.

Von Felix Würsten

Das Jahrhundertbauwerk NEAT (Neue Eisenbahn-Alpentransversalen) nimmt zunehmend Gestalt an. Beim Lötschberg-Basistunnel haben die Mineure bereits im April den Durchbruch (1) geschafft; und vom komplexen Röhrensystem am Gotthard ist inzwischen schon mehr als die Hälfte ausgebrochen. Die erfreulichen Fortschritte sind nicht nur das Verdienst von Planern, Ingenieuren und Bauarbeitern, sondern sie wurden auch durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten ermöglicht. (2) Welchen Beitrag die ETH Zürich zum Gelingen des Grossvorhabens leistet, zeigten Vertreter der Hochschule am Mittwoch an einem Medienseminar auf.

Minuziöse Abstimmung

Peter Teuscher, Vorsitzender der Geschäftsleitung BLS AlpTransit AG (3), rief gleich zu Beginn in Erinnerung, dass der alpenquerende Güterverkehr nach wie vor stark ansteigt. So wurden im Jahr 2004 international gesehen sechs Prozent mehr Güter über die Alpen transportiert als im Vorjahr. Die Inbetriebnahme des Lötschberg-Basistunnels, so Teuscher, sollte planmässig im Dezember 2007 erfolgen. Nachdem der Durchstich geschafft sei, stehe nun die komplexeste Phase bevor. Der Tunnel muss mit den nötigen Anlagen für den Betrieb ausgerüstet werden. Die Frage, welche Equipe wann in den Tunnel darf, erfordert eine minuziöse Abstimmung. Nur so kann der enge Terminplan eingehalten werden.

Am Gotthard ist man naturgemäss noch nicht so weit. Gegenwärtig kämpft man dort mit diversen geologischen Problemen, wie Heinz Ehrbar, stellvertretender Leiter Tunnel- und Trasseebau bei der AlpTransit Gotthard AG, (4) berichtete. So wurde etwa im Abschnitt Amsteg eine Tunnelbohrmaschine durch einen unerwarteten Einbruch blockiert; und bei der Multifunktionsstelle Faido erschwert das druckhafte Gestein den Mineuren immer noch das Leben. Der Vortrieb durch das nördliche Tavetscher Zwischenmassiv hingegen erwies sich bisher als verhältnismässig unproblematisch. Dies sei, so Ehrbar, nicht zuletzt auch auf neue Vortriebsverfahren zurückzuführen, die zusammen mit der ETH entwickelt wurden. Ehrbar zeigte sich denn auch zuversichtlich, dass das Bauwerk in rund zehn Jahren wie geplant in Betrieb gehen kann.

Problemfaktor Wasser

Gerade bei heiklen Passagen wie dem Tavetscher Zwischenmassiv oder der früher gefürchteten Pioramulde sind die Geotechniker gefordert. Mit Hilfe von speziellen Laborversuchen konnten ETH-Geotechniker zeigen, wie die kritischen Zonen durchquert werden können, erklärte Georg Anagnostou vom Institut für Geotechnik. (5) Beim Lötschberg galt es vor allem, die verkarstete Doldenhorndecke im Auge zu behalten. Die Tunnelbauer befürchteten, beim Vortrieb wasserführende Klüfte anzubohren. Simon Löw vom Geologischen Institut hat deshalb zusammen mit seinen Mitarbeitern ein Verfahren entwickelt, das einen sicheren Vortrieb durch die heikle Zone ermöglichte. (6)

Von dieser Stelle aus werden beim Gotthard Basistunnel die Arbeiten des Bauabschnitts Sedrun vorangetrieben. Der Zugang erfolgt über einen 800 Meter tiefen Schacht. (Bild: AlpTransit Gotthard AG) gross


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Ende April konnten die Mineure am Lötschberg den Durchschlag feiern. Voraussichtlich im übernächsten Jahr werden die ersten Züge durch den Lötschberg Basistunnel fahren. (Bild: BLS AlpTransit AG) gross

Ein besonders brisantes Problem beschäftigt die ETH-Geologen am Gotthard. Vor allem im Grossraum Sedrun könnte der Vortrieb des Basistunnels nahe gelegene Stauanlagen beeinträchtigen. Kritisch ist vor allem, wenn grössere Wassermengen in den Tunnel austreten, denn dies kann grossräumige Gesteinsverformungen verursachen. Die Tunnelbauer müssen deshalb bestimmte Gesteinsparameter im Auge behalten, damit sie rechtzeitig Gegenmassnahmen ergreifen können.

Mit Präzision durch den Berg

Gleichzeitig werden die entsprechenden Stauanlagen permanent überwacht, wie Hilmar Ingensand vom Institut für Geodäsie und Photogrammetrie erklärte. Zur Zeit prüfen die Geodäten, ob allfällige Bewegungen der Staumauern mit einem flächendeckenden Laser-Scanning erkannt werden können. Möglicherweise stellt dieses Verfahren eine interessante Ergänzung zu den bisherigen Messmethoden dar. Neue Ansätze für die Vermessung sind auch im Tunnel gefordert. (7) Der 57 Kilometer lange Gotthardtunnel muss mit einer Abweichung von wenigen Zentimetern ausgebrochen werden. Bei der Steuerung der Tunnelbohrmaschinen bedient man sich unter anderem Navigationshilfen, die üblicherweise in Flugzeugen eingesetzt werden. Auch beim Einbau der Schienen ist höchste Präzision gefordert. Damit die Züge dereinst mit 250 Kilometern pro Stunde durch die Tunnel brausen können, müssen die Schienen millimetergenau verlegt werden. Auch dies, so Ingensand, erfordere neue Ansätze bei der Vermessung.

Stabile und flexible Projektsteuerung

Neben diesen technischen Aspekten interessiert sich die Forschung auch für grundsätzliche Aspekte. Eine entscheidende Frage ist etwa, wie man Kosten und Termine bei Grossprojekten in den Griff bekommt, erklärte Hans Rudolf Schalcher vom Institut für Bauplanung und Baubetrieb. Im Falle der NEAT habe man innovative Instrumente entwickelt, die eine stabile Projektsteuerung ermöglichen. Dazu gehören etwas Werkzeuge für das Reporting oder die Qualitätssicherung. Trotz all diesen Bemühungen sind Mehrkosten und Verzögerungen bei der NEAT nicht zu vermeiden. Im Jahr 1998 ging man beispielsweise noch davon aus, dass der Gotthard-Basistunnel zwischen 2007 und 2011 fertig ist. Heute rechnet man damit, dass das Bauwerk im Jahr 2015 in Betrieb geht. Die meisten Verzögerungen und Mehrkosten, so Schalcher, seien jedoch nicht auf technische Schwierigkeiten oder Planungsfehler zurückzuführen, sondern auf Bestellungsänderungen und langwierige Genehmigungsverfahren.

Das Umfeld hat sich verändert

Langfristige Projekte wie die NEAT stellen die Verkehrsingenieure vor besonders grosse Herausforderungen – schliesslich wird ein Tunnel ja gebaut, um ein bestimmtes Marktbedürfnis abzudecken. Abzuschätzen, wie sich der Markt in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, sei jedoch nicht ganz einfach, erklärte Ulrich Weidmann vom Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme. Das europäische Umfeld hat sich beispielsweise seit Beginn der NEAT-Planungsarbeiten durch die Öffnung des Ostens markant verändert. Die Deutsche Bahn sah sich deshalb gezwungen, ihr Hochgeschwindigkeitsnetz neu auszurichten. Die Nord-Süd-Achse hat heute nicht mehr dieselbe Priorität wie früher.

Ein zweites Problem, so Weidmann, sei die rasante Entwicklung der Bahntechnik. Die Tunnelbetreiber müssen die Ausrüstung bestellen, lange bevor sie in Betrieb genommen wird. Ist die Anlage fertig gebaut, geht es schliesslich darum, die bestehenden Anlagen möglichst optimal zu nutzen und allenfalls durch weitere Bauten zu ergänzen. Auch hier können Verkehrsingenieure wichtige Impulse liefern. Damit allfällige Investitionen auch am richtigen Ort getätigt werden, setzen die Verkehrsplaner raffinierte Werkzeuge ein, mit denen der zukünftige Betrieb simuliert werden kann. (8)


Fussnoten:
(1) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Der Durchbruch ist geschafft" www.ethlife.ethz.ch/articles/LBDurchschlag.html
(2) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Eine einmalige Versuchsanlage" www.ethlife.ethz.ch/articles/loetschbergDS.html
(3) Homepage BLS AlpTransit: www.blsalptransit.ch
(4) Homepage AlpTransit Gotthard: www.alptransit.ch
(5) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Die kritische Phase beginnt" www.ethlife.ethz.ch/articles/LaborTZM.html
(6) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Kritischer Abschnitt sicher bewältigt" www.ethlife.ethz.ch/articles/NeatLoetschberg.html
(7) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Mit Präzision durch den Berg" www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/Vermessung.html
(8) Siehe auch "ETH Life"-Artikel "Auf die Sekunde genau" www.ethlife.ethz.ch/articles/tages/OpenTrack.html



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