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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 24.03.2004 06:00

Umweltwissenschaften: Neue Strukturen
Gemeinsam stark

Seit Anfang Jahr sind die ehemaligen Departemente Forstwissenschaften und Umweltnaturwissenschaften vereint unter einem Dach, dem Departement für Umweltwissenschaften (D-UWIS). Im kommenden Jahr wollen die Fusionspartner sich mit den Departementen Agrar- und Lebensmittelwissenschaften sowie Erdwissenschaften zu einem gemeinsamen "Zentrum für Umwelt und natürliche Ressourcen" zusammenfinden.

Von Michael Breu

Von einem Kompetenzzentrum für Umweltforschung und für nachhaltige Entwicklung ist die Rede, von einer eigentlichen multidisziplinären Hochschulgemeinschaft. Denn seit dem 1. Januar 2004 ist es soweit: Die Departemente Forstwissenschaften (D-FOWI) und Umweltnaturwissenschaften (D-UMNW) haben sich zum Departement Umweltwissenschaften (D-UWIS) vereint. "Eine Steuerung in Richtung Nachhaltigkeit kann nur erreicht werden, wenn gründliche Kenntnisse über das Funktionieren der natürlichen Umwelt und der Interaktion des Menschen mit Umweltprozessen vorhanden sind", findet Huw C. Davies, erster Vorsteher des neuen Departements Umweltwissenschaften und Professor für Physik am Institut für Atmosphäre und Klima. "Dieses Wissen muss ergänzt werden mit der Kenntnis von gesellschaftlichen Zielvorstellungen im Hinblick auf ein Problem sowie dem Wissen, wie der Ist-Zustand in einen Soll-Zustand übergeführt werden kann."

Idee Grüner Bereich

Die Fusion ist Resultat eines Prozesses, der schon 1994 einsetzte. Damals erteilt der ETH-Rat den Auftrag, eine Restrukturierung der systemorientierten Naturwissenschaften vorzuschlagen. Ziel: zehn Prozent der Ressourcen der Bereiche Agrar-, Forst-, Umweltnatur- und Erdwissenschaften einzusparen. Die Kommission, die sich um die Fragen kümmert, untersucht verschiedene Szenarien, darunter ein gemeinsames Grundstudium und das Zusammenlegen von Agrar- und Forstwissenschaften. Als 1998 die Professur für Natur- und Landschaftsschutz von Klaus C. Ewald vom D-FOWI zum D-UMNW wechselt, wird die Idee der Fusion wieder aufgegriffen. Eine Kommission unter Leitung von Hans Rudolf Heinimann, ETH-Professor für forstliches Ingenieurwesen, macht den Vorschlag, die Bereiche Agrar- und Lebensmittelwissenschaften mit den Forstwissenschaften zusammenzulegen und neu auszurichten.

Eine Vernehmlassung ergibt, dass die vorgeschlagene Fusion nicht breit mitgetragen wird. Sie führt jedoch zur Idee des "grünen Bereichs", worauf die Schulleitung schliesslich am 28. November 2000 das Projekt "Umweltsysteme" lanciert. Eine Struktur, welche jene Fachgebiete umfasst, die sich mit der Umwelt, der nachhaltigen Entwicklung sowie der Nutzung und Bewahrung land- und forstwissenschaftlicher Ressourcen und den Strategien zur Bewältigung der damit verbundenen Risiken auseinandersetzen.

"Knowing-Doing-Gap" überbrücken

Auf den 1. Januar 2004 kommt es dann wirklich zu einem Zusammenschluss: Forst- und Umweltnaturwissenschaften fusionieren. Und im Jubiläumsjahr 2005 werden sich die Departemente Agrar- und Lebensmittelwissenschaften sowie Erdwissenschaften mit dem neuen D-UWIS zum "Zentrum für Umwelt und natürliche Ressourcen" zusammenfinden.


Wurzeln

(mib) Die Wurzeln des neuen Departements reichen bis zu den Anfängen der ETH: Der Grundstein für die "Forstschule" wird 1855 gelegt. 1885 folgt die Errichtung der "Centralanstalt für das forstliche Versuchswesen" Durch ihr Wirken wird die "Zürcher Schule" die "angesehenste forstliche Lehr- und Forschungsstätte der Welt", heisst es in der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der ETH Zürich. 1979 folgt die Gründung des Instituts für Wald- und Holzforschung, welches elf Jahre später ein Departement wird. 1998 wird es – nun als Departement Forstwissenschaften – neu strukturiert. Geburtsjahr der ETH-Umweltnaturwissenschaften ist 1986, als der Vorsteher der Abteilung Naturwissenschaften der ETH gemeinsam mit dem Direktor der Eawag (1) und einer Kommission aus vier Mittelbauangehörigen einen Umwelt-Studiengang entwickelt. Der Wunsch kommt zu einer Zeit, als Umweltschutz in aller Munde ist, aber auch Tschernobyl (April 1986) und Schweizerhalle (Oktober 1986). Bereits im Herbst 1987 wird der Studiengang Umweltnaturwissenschaften eingeführt, und statt der erwarteten 20 bis 30 Studierenden schrieben sich 130 Studierende für den neuen Studiengang ein. Drei Jahre später kommt es zur Gründung des Departements Umweltnaturwissenschaften.




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Drängende Umweltprobleme können nur bereichsübergeifend gelöst werden. Die neuen ETH-Strukturen im Bereich Umwelt tragen dem Rechnung. gross

"Es gibt in der Forschungsagenda wichtige Themen, die bereichsübergreifend gelöst werden müssen", sagt Hans Rudolf Heinimann, Studiendelegierter für Forstwissenschaften im neuen Departement. Aus Sicht der Forstwissenschaften zählt er dazu die nachhaltige Landnutzung im internationalen Umfeld. Ein weiteres wichtiges Thema für das überdepartementale Zentrum wird der Bereich Umwelt und Gesundheit sein, und den dritten Bereich umschreibt der Heinimann mit "knowing-doing-gap", der Kluft zwischen Wissen und Handeln.

Hier sind die Sozialwissenschaften gefordert. Dem Thema Transformationswissen hat sich Roland W. Scholz, ETH-Professor für Umweltnatur- und Umweltsozialwissenschaften, Privatdozent für Psychologie der Universität Zürich und stellvertretender Vorsteher des D-UWIS gewidmet. Zusammen mit Harald A. Mieg, Professor für Mensch-Umwelt-Beziehungen, betreut er das "Transdisciplinarity Lab", einen Think Tank für nachhaltige Entwicklung. In diesem Labor werden seit zehn Jahren Fallstudien erarbeitet, die ein wichtiger Bestandteil des Studiums in Umweltnaturwissenschaften sind (2). Eingegliedert ist das "Transdisciplinarity Lab" in das Institut für Mensch-Umwelt-Systeme, dem auch Franz Schmithüsen, Professor für Forstpolitik und -ökonomie, angehört. "Wir wollen verstehen, wie Umwelt wirkt und wie Umwelt und die darin Beteiligten interagieren", bringt Scholz sein Ziel auf eine einfache Formel. Als Beispiel führt er Studien zum Abfallmanagement an, welche zum Teil wesentliche Verhaltensveränderungen auslösten (3).

Multidisziplinarität als Lösung

Studiendelegierter für Umweltnaturwissenschaften ist René Schwarzenbach, ETH-Professor für Umweltchemie, Mitglied der Eawag-Geschäftsleitung und Vorsitzender der interdepartementalen Unterrichtskommission. Er sieht die Vorteile des neuen Departements und des angestrebten Zentrums in den vielen Synergien, welche ein ganzheitliches Betrachten des Umweltbereichs erlaubten. "Unser Anspruch ist, Weltspitze zu sein, wir wollen das nationale und internationale Umweltforschungszentrum werden", betont Schwarzenbach. Zentrale Handlungsfelder der Zukunft seien unter anderem der nachhaltige Umgang mit der Ressource Wasser, die Vermeidung des Biodiversitäts-Verlustes und die Verhinderung einer weiteren Klimaerwärmung. Politische Themen also, welche die ETH-Forscher mit wissenschaftlicher Grundlagenarbeit anstossen wollen.

Huw Davies findet: "Als Antwort auf diese Herausforderungen verfolgt das D-UWIS in Forschung und Lehre einen systemorientierten Ansatz. Die multidisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht es, die abiotischen, biotischen und anthropogenen Prozesse einzelner Umweltsysteme auf der Ebene ganzer Ökosysteme bis hin zu mikroskopischen Skalen zu untersuchen.“ Durch den Einbezug von sozial- und geisteswissenschaftlichen sowie technischen Disziplinen könnten zudem auch die Mensch-Umwelt-Interaktionen sowie das Management von Öko- und Landschaftssystemen integriert werden. Ab Wintersemester 2006/07 sollen nun am D-UWIS zwei Masterstudiengänge angeboten werden: in Umweltnaturwissenschaften sowie in Wald- und Landschaftsmanagement.

Koordinierte Lehre

Auch der Bachelorstudiengang ist neu, denn die Agrar- und Lebensmittelwissenschaften, die Erdwissenschaften sowie die Umweltwissenschaften gestalten ihre Bachelorstudiengänge nun gemeinsam. "Diese decken sich in grossen Teilen und fördern das disziplinenübergreifende Denken und Arbeiten."– Eine „Chance für alle Beteiligten“, betonen Hans Rudolf Heinimann und René Schwarzenbach.


Literaturhinweise:
Weitere Informationen finden Interessierte unter: www.env.ethz.ch

Fussnoten:
(1) Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz in Dübendorf.
(2) Erst kürzlich präsentiert wurde die Untersuchung "Mobilität und zukunftsfähige Stadtentwicklung: Freizeit in der Stadt Basel". Vgl. dazu den ETH Life bericht „Fahren für die Freizeit“ vom 12. Februar 2004: www.ethlife.ethz.ch/articles/uns_basel.html
(3) So konnten Studierende mit einer gezielten Infokampagne im Zürcher Multiplex-Kino "Cinemax" das Abfallverhalten der Kinogäste verbessern. Vgl. dazu den ETH Life-Bericht „Alles im Eimer“ vom 9. Dezember 2003: www.ethlife.ethz.ch/articles/abfallstudie.html



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