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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 13.11.2002 06:00

Management Symposium 2002 an der Fachhochschule Winterthur
Genet(h)ik in der Bilanz

Ein Mais, der sich erfolgreich gegen Schädlinge wie den Maiszünsler verteidigt; Arabidopsis thaliana, der Senfpflanze verwandt, die mit Arsen verseuchte Böden zu reinigen vermag; eine Tomate, deren Haut nach Wochen noch glatt und glänzend wie ein Kinderpopo ist: Wo also ist das Problem? - An einer Podiumsdiskussion anlässlich des Management-Symposums der Zürcher Hochschule Winterthur trafen Optimisten und Kritiker der Gentechnologie aufeinander.

Von Ariane Schaffer

Eine schöne neue Welt wurde dem Publikum im einführenden Referat von Richard Braun, Präsident von GenSuisse und Berater der BIOLink, Bern, vorgestellt. Das Publikum, viele gestandene Manager aus Industrie und Wirtschaft, lauschte am letzten Donnerstag gebannt den Ausführungen über die schier grenzenlosen Anwendungsmöglichkeiten der Biotechnologie.

Diese Suppe ess’ ich nicht

Grenzenlos? Vier Fachleute - Petra Bättig-Frey vom Institut für Pflanzenwissenschaften an der ETH Zürich, Hans-Peter Schreiber, Präsident der Ethikkommission an der ETH und Vorsitzender des Ethikrates von Novartis International, Arthur Einsele, Head of Public Affairs, Syngenta International AG und Kaspar Schuler, Geschäftsleiter Greenpeace Schweiz - stellten sich unter der Moderation von Ellinor von Kauffungen den Fragen, die sich an der Schnittstelle von wirtschaftlichem Interesse, Forschergeist und ethischen Bedenken ergeben.

"Sich von spekulativen Risiken nicht terrorisieren lassen", riet Hans-Peter Schreiber von der Ethikstelle der ETH Zürich. gross

Dass sich die Kontrahenten zu ihren Aussagen gratulieren würden, war nicht zu erwarten. “In der Schweiz gibt es kein einziges gentechnisch verändertes Produkt”, monierte denn auch Arthur Einsele an die Adresse von Greenpeace. Kaum höre man in der Öffentlichkeit von einem solchen Nahrungsmittel, “treten die Aktivisten etwa als Poulets verkleidet (bei Brathähnchen) vor die Läden. Sie verbreiten nur Angst und verschwinden wieder.” Unbestreitbar ist, dass in der Schweiz gentechnischen Produkten gegenüber eine grosse Skepsis vorliegt. Ist dies einfach die Angst vor dem Unbekannten? Doch erst die fast schüchterne Frage aus dem Publikum, was denn eigentlich so umstritten sei, vermochte die Diskussion auf den Punkt zu bringen.

Knackpunkt Überschreitung der Artgrenze

Man muss sich vor Augen halten: die DNS wurde erst vor rund 50 Jahren entdeckt, seit 1975 sind Eingriffe ins Genom möglich. Mit der neuen, Artgrenzen überschreitenden Technologie standen plötzlich sehr schnell sehr viele Möglichkeiten offen, an die man früher nicht zu denken wagte. Wenn Richard Braun die herkömmliche Pflanzenzucht mit langsam, unpräzis und begrenzt, die Zucht mit gentechnischen Mitteln jedoch mit schnell, gezielt und unbegrenzt charakterisiert, so lohnt es sich, dieses “gezielt” etwas genauer anzuschauen. Sicher ist die Zielsetzung bei der Herstellung einer gentechnisch veränderten Pflanze klar. Auch wird eine klar definierte Gensequenz auf die zu verbessernde Pflanze übertragen. Doch nicht immer übernimmt das fremde Gen - wenn die Insertion überhaupt erfolgreich ist - auch die gewünschte Funktion. Das Gen kann stumm bleiben, oder seltener, die Pflanze bildet Eigenschaften aus, etwa runde statt gezackte Blätter, die nicht beabsichtigt waren und die harmlos oder auch nicht sein können. Gerade die vielen still begrabenen Projekte zeigen immer wieder die Unberechenbarkeit natürlicher Systeme.


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Hier Forschungsoptimismus, dort Skepsis in Bezug auf allfällige langfristige Folgen der Gentechnologie: Arthur Einsele (Syngenta), Petra Bättig-Frey (ETH-Institut für Pflanzenwissenschaften), Ellinor von Kauffungen (Moderation), Hans-Peter Schreiber (Ethikstelle der ETH) und Kapar Schuler (Greenpeace, v.l.). gross

So weit, so gut. Aber hat nun diese neue Technik spezifische Risiken oder sind diese vergleichbar mit denen traditioneller Pflanzenzüchtung?

Verschiedene Arten von Risiken

Nach Hans-Peter Schreiber gibt es, wie bei jeder anderen innovativen Technik auch, verschiedene Arten von Risiken. “Es gibt erkennbare Risiken, hypothetische und auch rein spekulative”.

Gerade von den spekulativen, von denen man heute noch nichts wisse, dürfe man sich nicht terrorisieren lassen, sagte Schreiber. Vertreter der Pflanzenforschung stellen die hypothetischen Risiken gerne in den Rahmen, wie er sich auch bei der herkömmlichen Pflanzenzüchtung zeigt. So treten Auskreuzungen mit wilden Verwandten, toxische und allergene Stoffwechselprodukte sowohl bei Pflanzen aus traditioneller Züchtung wie auch bei genmanipulierten Pflanzen auf, meinte Petra Bättig-Frey. (Siehe auch Kasten.)

Moralisch vertretbare Eingriffe?

Doch darf das, was machbar ist, auch gemacht werden? Mit der Sichtweise Hans-Peter Schreibers, nach der wir in einer säkularen, pluralen und modernen Gesellschaft leben, in der es keine Grenzen für Innovationen gebe, ausser es sei mit Schäden zu rechnen, mochte sich Greenpeace-Geschäftsleiter Kaspar Schuler nicht einverstanden erklären: “Wir verbreiten diese neue Technologie unheimlich rasant in der ganzen Welt”, so Schuler. Der wertneutrale Zugang zur Natur, wie er in den christlichen Gesellschaften vorhanden sei, dürfe nicht auf andere Gesellschaften übertragen werden.

Die Geister, die wir riefen

... liessen sich nicht mehr in die Flasche zurückstopfen, warnte Arthur Einsele. “Wir können doch nicht weltweit die gentechnologische Forschung verbieten.” Nicht hier in der Schweiz würden die entscheidenden Entwicklungen gemacht, sondern in den USA und vielleicht bald auch in China. “Wenn wir mitreden wollen, müssen wir forschen, forschen, forschen.”


Irreversible Ausbreitung von Genen?
Anlässlich der Podiumsdiskussion sehr kontrovers diskutiert wurde das Beispiel von herbizidresistentem Raps, der in Kanada versuchsweise angebaut wurde und durch Pollenflug auf benachbarte Felder auskreuzte. Wie beurteilt Petra Bättig-Frey vom ETH-Institut für Pflanzenforschung diesen Fall? “Es handelte sich ursprünglich um drei herbizidresistente Sorten, zwei gentechnisch veränderte und eine traditionell gezüchtete Sorte. Tatsächlich fand man nach zwei Jahren Pflanzen, die gegen alle drei Herbizide resistent waren. - Eine zusätzliche Übertragung der Herbizidresistenz etwa auf Bodenbakterien durch horizontalen Gentransfer ist auszuschliessen, bringt diesen Mikroorganismen auch keinen selektiven Vorteil. - Auch wild lebendem Raps, der irgendwo abseits herbizidbesprühter Felder steht, dürften diese Resistenzen wohl keinen zusätzlichen Nutzen bringen. Diese Pflanzen würden vermutlich über die Jahre hin verkümmern, das Gen aussterben. Und selbst Pflanzen mit allen drei Resistenzen ist natürlich mit anderen Herbiziden durchaus noch beizukommen.”





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