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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 18.02.2003 06:00

ETH-Symposium „Elektromagnetische Verträglichkeit“
Ein weites (Frequenz-) Feld

Handys am Kopf, Elektrosmog in Wohnquartieren: elektromagnetische Strahlung ist unverzichtbar, bietet aber Stoff für Kontroversen. Denn über deren Auswirkungen gerade auf den menschlichen Organismus ist noch wenig bekannt. Anlässlich des grössten europäischen Symposiums zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV oder EMC für ‚electromagnetic compatibility’), das derzeit an der ETH im Gang ist, informierten Experten aus Wissenschaft und Behörden.

Von Norbert Staub

„EMC ist überall“ – Rüdiger Vahldieck, ETH-Professor für Feldtheorie, machte anlässlich einer gut besuchten Medieninformation gestern an der ETH zum Thema bewusst, dass im heutigen Alltag niemand von elektromagnetischer Strahlung verschont bleibt, auch wenn er ein Handyverächter sein sollte. Denn jedes elektrische Gerät produziert elektromagnetische Felder. Mit seiner Gruppe für Feldtheorie untersucht Vahldieck am Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenzelektronik, wie verschiedene elektromagnetische Felder sich überlagern und beeinflussen, und er studiert, wie Geräte gegen den Einfluss unerwünschter Strahlung „gehärtet“ werden können. Ein Beispiel von erwünschter Strahlung ist eine Telefon-Basisstation, die im ganzen Haus ein elektromagnetisches Feld erzeugen muss, um das in der Küche liegende schnurlose Telefon zu erreichen. Nicht erwünscht ist, wenn die Basisstation zum Beispiel den Mikrowellenherd in Gang setzt oder das Garagentor öffnet.

"Einzelstudien sind kein 'smoking gun'": WHO-Experte Michael Repacholi gross

Handy löst Airbag aus

Gar gefährlich wird’s bei folgendem Szenario: man telefoniert während des Autofahrens, und plötzlich wird der Airbag ausgelöst. Die von der Handy- und der Airbag-Elektronik erzeugten Felder sind sich hier ins Gehege gekommen. „Das ist tatsächlich schon passiert“, erklärte Vahldieck und illustrierte damit den Fall von fehlender elektromagnetischer Verträglichkeit, der künftig häufiger werden dürfte. Vom Bremssystem über den Abstandswarner bis zur Navigationshilfe: gerade in Autos breitet sich Elektronik rasant aus. Für solcherart „sensibilisierte“ Fahrzeuge können dann andere PWs, aber auch Hochspannungsleitungen oder sogar Satelliten zum Gefahrenherd werden.

Biologische und gesundheitliche Folgen

Ans Lebendige geht es, wenn über die biologischen und gesundheitlichen Auswirkungen der elektromagnetischen Strahlung nachgedacht wird. Beides ist sorgfältig auseinanderzuhalten, und das falle in der öffentlichen Diskussion oft schwer, sagte Michael Repacholi von der Weltgesundheitsorganisation WHO, der am EMC-Symposium den „Keynote-Speech“ abgab. Vorsicht sei geboten: „Ein nachgewiesener biologischer Effekt bedeutet noch keine gesundheitliche Schädigung“, hielt Repacholi fest. Bei Niederfrequenzfeldern, die etwa von Computern oder Hochspannungsleitungen verursacht werden, werden elektrische Ströme auf Organismen übertragen. Dabei können, je nach Stromstärke, Nerven und Muskeln stimuliert werden. „Es gibt aber keine Hinweise auf die Stichhaltigkeit von Hypothesen, wonach Niedrigfrequenzfelder Leiden wie Krebs oder Gedächtnisschwund verursachen“, stellte Repacholi fest. Entsprechende WHO-Studien seien aber im Gang.

Bei der Risikoeinschätzung verwies Repacholi auf das Internationale Krebsforschungsinstitut IARC in Lyon, einen Ableger der WHO. Dieses stuft die Gefahr, dass Niederfrequenzfelder karzinogen wirken könnten, immerhin als „möglich“ ein, als etwa gleich gefährlich wie Kaffee oder Autoabgase, aber erheblich weniger krebsfördernd als Tabak oder Asbeststaub (1).

Die Vermutung, wonach Kinder, die Niederfrequenzfeldern ausgesetzt sind, häufiger an Leukämie erkranken, sei heute zwar nicht zum vornherein auszuschliessen, aber weit entfernt von statistischer Eindeutigkeit.


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Untersucht, wie Geräte gegenüber unerwünschtem elektromagnetischem Einfluss "gehärtet" werden können: ETH-Professor Rüdiger Vahldieck. gross

Einzelstudien: kein „smoking gun“

Auch bei Hochfrequenzfeldern, die etwa von Handys und Handyantennen produziert werden, sind die gesundheitlichen Auswirkungen unklar. „Da Handys weltweit so schnell und enthusiastisch aufgenommen wurden, ist die WHO an möglichen Gesundheitsfolgen sehr interessiert“, sagte Michael Repacholi.

Entsprechend umfangreiche Forschungsprojekte hat die WHO dazu aufgegleist (2). In Tierversuchen wurden immerhin Verhaltensänderungen und Leistungabnahmen festgestellt. Die messbare Folge eines Handy-Frequenzfeldes ist ein Temperaturanstieg. Eine solche Erwärmung von 0,1 bis 0,2 Grad wird aber laut Repacholi vom Organismus üblicherweise problemlos kompensiert. „Eine Einzelstudie führt nie zum ‚smoking gun’“, hielt Repacholi fest. Nur der wissenschaftliche Gesamtüberblick verschaffe ein zuverlässiges Bild, und hier sei noch viel Arbeit zu leisten. Besorgten Zeitgenossen empfiehlt der WHO-Experte beim Handykauf auf die Einhaltung die internationaler Normen zu achten sowie die Verwendung von Handy-Kopfhörern.

Strahlenschutz: Schweiz im Hintertreffen

Mirjana Moser vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gab einen Einblick auf die Strahlenschutz-Bestrebungen in der Schweiz. „An sich ist eine gute Forschungsinfrastruktur vorhanden“, sagte Mirjana Moser. Was aber fehle, sei ein zentrales Krebsregister, wie es in nordischen Ländern bestehe und Ansätze zu einer Strahlenepidemiologie. Dass das Gebiet derzeit (noch) keine allzu grosse Lobby hat, zeigt der Umstand, dass ein Nationales Forschungsprojekt „Nichtionisierende Strahlung, Umwelt und Gesundheit“ bis jetzt nicht durchgekommen ist. „Wo es geht, sind wir zwar beteiligt, etwa bei den EU- und WHO-Projekten, aber die fehlenden Mittel setzen uns Grenzen“, so Moser.

Setzen sich für die Schweizer Strahlenforschung ein: ETH-Forscher Gregor Dürrenberger und Mirjana Moser vom Bundesamt für Gesundheit gross

Das BAG selbst macht derzeit eine Erhebung über gesundheitliche Beschwerden im Zusammenhang mit elektromagnetischer Strahlung. Ziel ist eine Folgestudie zur entsprechenden Hypersensibilität in der Bevölkerung.

Handybatterien gefährden Bakterien

Gregor Dürrenberger vom Institut für Feldtheorie und Höchstfrequenztechnik ist Geschäftsführer der Forschungsstiftung Mobilkommunikation. Die von der ETH und den Mobilfunkanbietern in der Schweiz getragene Stiftung fördert die Forschung zu Chancen und Risiken der Mobilkommunikation. (ETH Life berichtete (3)). Dürrenberger beleuchtete eine von der Stiftung finanzierte und soeben publizierte Studie zum Thema „Ferromagnetischer Mechanismus“ von Handy-Batterien. Gearbeitet wurde dabei mit Bakterien des Typs M.magnetotacticum, die sich via Nanomagnete im Erdmagnetfeld orientieren. Im menschlichen Hirngewebe finden sich damit vergleichbare biologische Nanomagneten.

Ausgesetzt dem Niederfrequenzfeld, das von einer Handy-Batterie erzeugt wird, zeigten die verwendeten Bakterien eine leicht höhere Sterblichkeit als nicht exponiete Bakterien. Dies sei „ein erster zaghafter Hinweis“, dass der Handygebrauch auch nicht-thermische Folgen zeitigen könne, sagte Dürrenberger. Die biologische Bedeutung dieser Beobachtung für den Menschen sei allerdings noch unklar, ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Auswirkungen. Im gleichen Versuchssetting hat sich übrigens gezeigt, dass der Einfluss von Hochfrequenz-Strahlung auf die Bakterien gleich Null ist.


Literaturhinweise:
Website des EMC-Symposiums 2003 an der ETH: www.emc-zurich.ch/

Fussnoten:
(1) Siehe dazu: http://monographs.iarc.fr/
(2) Angaben dazu finden Sie unter: www.who.int/peh-emf/en
(3) www.ethlife.ethz.ch/articles/mobilfunk.html



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