ETH Life - wissen was laeuft

Die tägliche Web-Zeitung der ETH Zürich - in English

ETH Life - wissen was laeuft ETH Life - wissen was laeuft
ETH Life - wissen was laeuft
Home

ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Tagesberichte
English Version English Version
Print-Version Drucken
Publiziert: 11.11.2005 06:00

Podium zum Gentech-Moratorium
Forschung befürchtet Abbau

Während die einen von den Gefahren der grünen Gentechnologie überzeugt sind, reden die anderen von Chancen für die Landwirtschaft und die Bevölkerung. Beide Gruppen werfen einander vor, Fakten unter den Teppich zu kehren. Am letzten Dienstag konnten Befürworter und Gegner des Gentech-Moratoriums an der ETH ihre Argumente auf den Tisch legen.

Peter Rüegg

„Ich könnte alle Argumente von Frau Genner übernehmen, aber mit der genau gegenteiligen Schlussfolgerung“, sagte Alexander J. Zehnder in seinem Schlussvotum der Podiumsdiskussion an die Adresse der Grünen Nationalrätin. Diese argumentierte, man solle bei der Abstimmung über das Gentech-Moratorium für eine kleinräumige Landwirtschaft in der Schweiz stimmen. Die Schweizer Bevölkerung müsse sich überlegen, wie mit dieser Landwirtschaft noch genügend Wertschöpfung betrieben werden könne, damit die Betriebe davon leben könnten.

Zehnder folgerte daraus jedoch das Gegenteil: „Ich möchte der Schweiz die Option lassen, später das volkswirtschaftliche Potenzial der Gentechnologie nützen zu können“. Die Schweiz habe bereits ein strenges Gentech-Gesetz, das den Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen regle. „Hinter diesem stehen wir“. Die Bevölkerung solle das Moratorium ablehnen, „weil es uns Fesseln anlegt und Zukunftsoptionen wegnimmt“, so der Präsident des ETH-Rates.

Moratorium würgt Pflanzenwissenschaften ab

Die Frage, ob das Gentech-Moratorium, welches am 27. November zur Abstimmung kommt, die Forschung behindert, wurde am letzten Dienstag auf einem Tages-Anzeiger-Podium an der ETH heiss diskutiert. Gegen das Moratorium traten Wilhelm Gruissem vom Institut für Pflanzenwissenschaften und Alexander J. Zehnder, Präsident des ETH-Rats, an. Auf der Befürworterseite standen Cesare Gessler, ebenfalls vom Institut für Pflanzenwissenschaften, und die Grüne Nationalrätin Ruth Genner. Publizistikwissenschaftler Heinz Bonfadelli kam die Rolle des Mittlers zu. Das Gespräch leitete Tagi-Redaktorin Bettina Mutter.

Für Wilhelm Gruissem war klar: das Moratorium ist forschungsfeindlich. Er sprach von Frustrationen eines Wissenschaftlers, der sich durch die drohende Zwangspause von fünf Jahren beim Anbau von GVO-Produkten in der Schweiz in seiner Forschungsfreiheit eingeschränkt fühle. Und auch, dass sich immer weniger Studenten für Pflanzenwissenschaften interessieren würden, weil diese hierzulande keine Zukunft habe; die Expertise, die man in der Schweiz aufgebaut habe, werde mit dem Moratorium verschwinden. Bis 15 Studenten müssten jährlich ausgebildet werden, um den Standard zu halten. Die Schweiz gehöre heute bei den Pflanzenwissenschaften zu den zehn Besten der Welt.

Andere Meinung aus gleichem Haus

Anderer Meinung ist Cesare Gessler, Pflanzenwissenschaftler am gleichen Institut wie Gruissem. „Dieses Podium ist das beste Argument für ein Moratorium“, sagte er. Man streite sich hier über eine Technologie. Die Initiative aber spreche von Produkten, die heute für die Konsumenten kaum Vorteile bringen würde. Profitieren würde einzig die Agroindustrie „à la USA“. „Ich sehe kein Gentech-Produkt, das in der Schweiz angebaut werden sollte“, meinte Gessler.

Diese fünf Jahre sollten seiner Meinung nach dazu dienen, sich darüber zu unterhalten, welche Produkte Sinn machen würden und welche die Bevölkerung akzeptieren könne. „Dass die Forschung leidet, kann ich nicht unterstützen“, betonte der Wissenschaftler. In seiner Gruppe, die sich mit gentechnisch veränderten Äpfeln befasse, würden noch immer enthusiastische junge Leute arbeiten. Diese würden bewusst mit den Produkten ihrer Arbeit nicht ins Feld gehen, weil sie die Ängste der Bevölkerung wahr- und ernst nehmen würden.

Auf einem Auge blind

Beide Seiten warfen einander vor, relevante Studien, welche die Risiken der grünen Gentechnologie aufdecken respektive die Harmlosigkeit beweisen, nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. Genner stellte sich auf den Standpunkt, dass sich die Forschung den Risiken zu wenig angenommen hätte, insbesondere der Frage, ob Koexistenz von GVO und konventionellem Anbau möglich sei. Entscheidende Daten, wie weit Felder getrennt werden müssten, lägen noch nicht vor.


weitermehr

Wilhelm Gruissem lehnt die Gentech-Initiative, die ein fünfjähriges Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen in der Schweizer Landwirtschaft fordert, als forschungsfeindlich ab. gross

Diesen Vorwurf liess Gruissem nicht gelten. An der ETH habe es Versuche gegeben mit der Auskreuzung von Mais. Diese zeigten, dass der Pollenflug nach 10 Metern kaum mehr nachweisbar sei. „Das war Koexistenzforschung, aber die Daten werden von den Gentech-Gegnern ignoriert“, sagte er. Ausserdem habe der Freisetzungsversuch der ETH mit gentechnisch verändertem Weizen zu 80 Prozent aus Biosicherheitsforschung bestanden.

(K)eine Frage des Geldes

Gruissem vertrat zudem die Meinung, dass der Kampf um GVO nicht an der Urne, sondern über den Geldbeutel entschieden wird. Er zitierte eine Studie, bei der als Gentech-Food deklarierte Pommes Frites billiger angeboten wurden als konventionelle. Prompt kauften die Leute fast ausschliesslich GVO-Pommes. Das gleiche sei bei Brot beobachtet worden.

„Ob sich Gentech-Food durchsetzt, ist keine Frage des Geldes“, widersprach Heinz Bonfadelli, „die Konsumenten wollen wählen“. Und Cesare Gessler doppelte nach: „Gentechnisch-veränderte Produkte sind wahrscheinlich nicht billiger als koventionelle“. Man solle nicht über Kosten diskutieren, sondern darüber, welche Produkte sinnvoll seien und welche nicht.

Bevölkerung im Dilemma

Die kommende Abstimmung ist offener als diejenige über die Genschutz-Initiative von 1998. Das machte Bonfadelli klar. Damals hätten es Forschung und Industrie besser verstanden, die Entwicklungen der Gentechnologie ins rechte Licht zu rücken. Diesmal überwiege die Skepsis, gerade bei Leuten mit hohem Bildungsniveau, die ansonsten forschungsfreundlich seien.

Nach der letzten GfS-Umfrage befürworten 47 Prozent der Befragten das Moratorium. Dies zeige, dass die Meinung der Bevölkerung ambivalent ist. Einerseits sei der Nutzen der roten Gentechnologie in der Medizin anerkannt. Die grüne Gentechnologie stosse jedoch in allen Befragungen auf mittlere bis starke Ablehnung. „Die Wahrnehmung der Risiken ist entscheidend“, betonte der Medienwissenschaftler. Offenbar würden Eingriffe in das Erbgut der Pflanzen als widernatürlich betrachtet und die Leute sähen keinen Nutzen darin. Überrascht habe ihn aber, wie wenig die Medien über das Moratorium berichtet hätten, und wenn, dann hätten sie getreulich rapportiert, was die Interessensgruppen verbreiten liessen.




Sie können zu diesem Artikel ein Feedback schreiben oder die bisherigen lesen.




!!! Dieses Dokument stammt aus dem ETH Web-Archiv und wird nicht mehr gepflegt !!!
!!! This document is stored in the ETH Web archive and is no longer maintained !!!