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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.11.2006 06:00

7. International Security Forum in Zürich
Neue Antworten auf neue Risiken

Am 7. International Security Forum in Zürich tauschten sich 500 Fachleute aus Forschung, Politik, Diplomatie und Militär über die aktuelle Fragen der Sicherheitspolitik aus. Angesichts der von "privatisierter" Gewalt geprägten Bedrohungslage seien die Herausforderungen an die Sicherheitspolitik gewachsen, meint im Gespräch mit "ETH Life" ISF-Organisator Andreas Wenger. Er ist ETH-Professor für Sicherheitspolitik.

Norbert Staub

„Seit dem Ende des Kalten Kriegs und des unzweideutigen Konkurrenzverhältnisses zwischen Ost und West hat sich zunehmend herauskristallisiert, dass staatliche Strukturen keine Garantie mehr dafür sind, um die Sicherheit einer Bevölkerung zu gewährleisten“, sagt Andreas Wenger, ETH-Professor für Sicherheitspolitik im Gespräch mit „ETH Life“. Als Leiter des Center for Security Studies der ETH Zürich war er federführender Organisator des 7. International Security Forum (ISF), das letzte Woche in Zürich stattfand. (1) Es ist der wichtigste Anlass zur Sicherheitspolitik in der Schweiz und versammelte an drei Tagen rund 500 Experten aus der ganzen Welt, die über die zentralen Herausforderungen unserer Zeit an die internationale Sicherheitspolitik diskutierten.

Schwer zu definierende Gefahren

Das Phänomen Terrorismus mit seinen zahlreichen Varianten bestimmt heute zu einem gewichtigen Teil die internationale Agenda, bewaffnete Konflikte in strukturschwachen oder zerfallenden Staaten lassen Menschen auch innerhalb eines Landes zu Flüchtlingen werden, auf eine sprunghaft anschwellende Süd-Nord-Migration reagieren Regierungen mit einiger Hilflosigkeit, und regelmässige Angriffe auf Informatik-Netzwerke mit massiven wirtschaftlichen Schäden zeigen, dass die komplexe Infrastruktur von Industriegesellschaften äusserst verletzlich ist.

Vor diesem Hintergrund diskutierten die Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Diplomatie und Militär am ISF unter dem Titel „New Risks and Threats: The Challenge of Securing State and Society“ über die zentralen Herausforderungen an die Sicherheitspolitik. „Als Bedrohung bezeichnen wir von Staaten ausgehende Gefahren mit einigermassen klar umrissenen Akteuren, Absichten und Potenzialen“, erläutert Andreas Wenger. Das Gewicht dieser traditionellen Bedrohungsszenarien nehme ab, im Gegenzug würden die neuen Risiken zunehmen.

Deren Urheber seien nicht oder nur schwer zu identifizieren. Dasselbe gelte für die Kapazitäten, über welche sie verfügen, und die verfolgten Ziele. „Angesichts 'privatisierter’ Gewalt müssen sich sicherheitspolitische Überlegungen ausser auf staatliche Strukturen zunehmend auf die Gesellschaften aiusrichten“, meint Wenger. „Denn sie gilt es ja vor den neuen Gefahren wie Bio- oder Infoterror zu schützen.“

Staatliche versus private Aufbauhilfe

Ein wichtiger Diskussionspunkt am ISF war denn auch die Schnittstelle zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren in Krisengebieten. Wenger: „NGOs spielen immer stärker in den Wiederaufbau von Kriegs- und Katastrophengebieten hinein. Damit sich ein fruchtbares Miteinander ergibt, muss die Rolle der nicht-staatlichen Players besser definiert werden.“


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Vermittelten Einblicke in zentrale Themen aktueller Sicherheitspolitik (von links): Sir Hilary Synnott, Gary Hart und Ronald D. Asmus.

Einen Eindruck davon, vor welch gigantischen Aufgaben man im Brennpukt Irak steht, gab am ISF Sir Hilary Synnott, einer der Hauptreferenten. Er war Regionalkoordinator der Übergangsverwaltung im südlichen Irak. Diese war zuständig für den gesamten zivilen Aufbau in diesem Gebiet. Synnotts Ausführungen hätten klar gemacht, wie wenig Zeit man sich im Vorfeld des Einmarschs nahm, um die zivile Nachkriegsordnung zu planen. - Die desaströsen Folgen sind bekannt. „Man hat auf Seiten der USA kaum etwas über die irakische Gesellschaft und Kultur gewusst“, so Wenger. Nun finde man sich in einer bürgerkriegsähnlichen Situation, in der man diesen Prozess schmerzvoll und unter grossem Aufwand nachholen müsse. Die (fehlende) Bedeutung, die man lokalen Fragen für die internationale Sicherheitspolitik zumisst, thematisierte im Zusammenhang mit schwachen und zerfallenden Staaten auch Jacques Pitteloud, Leiter des Zentrums für Internationale Sicherheitspolitik im Berner Aussenministerium.

Die internationalen Beziehungen stärken

Ein weiterer Hauptreferent war Ronald D. Asmus, Direktor des Transatlantic Center des German Marshall Funds in Brüssel. Asmus plädierte für eine Stärkung der internationalen und vor allem der westlichen Institutionen, was ab 2008, nach der von Bush, Blair und Chirac geprägten Ära möglich sein könnte. „Sein Referat unter dem Motto 'Reconstituting the West’ hat in spannender Weise die gegenwärtige inneramerikanische Debatte reflektiert“, sagt Andreas Wenger. Mit Asmus, einem Angehörigen der Demokratischen Partei, zeichneten sich erstmals die Konturen einer Politik ab, die künftige Alternativen zum Unilateralismus der Administration von George W. Bush biete. In ähnlicher Weise wie Asmus argumentierte Gary Hart, ehemaliger US-Senator und Präsidentschaftskandidat. Weder einzelne Staaten noch allein militärische Macht könnten Sicherheit langfristig herbeiführen. Hart schlug vor, dass globale Sicherheit als „globaler Gesellschaftsvertrag“ verstanden werden solle.


Literaturhinweise:
Website des International Security Forum: www.isf.ethz.ch/

Fussnoten:
(1) Unterstützt wird das alle zwei Jahre stattfindende Treffen von den Departementen Schmid (VBS) und Calmy-Rey (EDA). Weitere Partner sind das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Genfer Zentrum für Demokratische Kontrolle der Streiträfte (DCAF), das Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung (GICHD), das Institut des Hautes Etudes Internationales (HEI) in Genf, das IKRK und die Partnerschaft für den Frieden von NATO und 20 Patrnerstaaten, unter ihnen die Schweiz.



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