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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 02.09.2004 06:00

Landesmuseums-Ausstellung über die moderne biologische Forschung
In den Genen lesen

Die aktuelle Ausstellung im Landesmuseum "Der gespiegelte Mensch" will die moderne biologische Forschung einem breiten Publikum zugänglich machen. Begleitend zur Ausstellung startet heute eine Veranstaltungsreihe zu kontroversen Themen der Biowissenschaften.

Von Jakob Lindenmeyer

Wie bin ich entstanden? Wie ist mein Körper gewachsen? Weshalb bin ich nicht grösser geworden? Wie kann ich sehen? Wozu braucht es Mann und Frau? Diese zum Teil philosophisch anmutenden Fragen werden gleich zu Beginn der Ausstellung in einem labyrinthartiger Parcours durch Bilder, Zitate und Multimedia-Installationen aufgeworfen.

Philosophie und Handfestes

Realisiert wurde die Ausstellung "Der gespiegelte Mensch - in den Genen lesen" von Life Science Zurich in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Landesmuseum. "Ziel war es, im Landesmuseum die neuste biologische Forschung und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft einem breiten Publikum auf anschauliche und sinnliche Weise zugänglich machen und in einen kulturellen Rahmen zu stellen", erklärt die Ausstellungsmacherin Petra Bättig-Frey von Life Science Zurich die Wahl des etwas unüblichen Ausstellungsortes.

Die weitere Ausstellung ist modular aufgebaut: Nach dem allgemeinverständlichen und philosophischen Einstieg wird dem Besucher als Grundlage fürs Verständnis der nachfolgenden Ausstellungs-Teile ein Animationsfilm über die Grundbegriffe der modernen biologischen Forschung präsentiert. Danach gelangt man im Zentrum der Ausstellung in einen zell-ähnlichen Raum mit biologischen Detail-Informationen und Video-Interviews zu fünf Modell-Organismen. Zum Schluss landet der Besucher im (Museums-)Labor und kann unter dem Mikroskop die Experimente gleich selbst durchführen oder eine Fermentationsanlage sowie ein Fischkino anschauen.

Vom Hefepilz zum Zebrafisch

Trotz der unendlichen Vielfalt der biologischen Arten konzentriert sich die Ausstellung auf fünf biologische Modell-Organismen: den Hefepilz Saccharomyces cerevisae, den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, die Taufliege Drosophila melanogaster und den Zebrafisch Danio rerio.

Stellvertreter für den Menschen

Die evolutionäre Verwandtschaft zwischen dem Menschen und diesen fünf Modell-Systemen wird klar, wenn man ihre Erbinformation vergleicht. Viele Gene sind während der Evolution vom Einzeller über Wurm und Fisch bis zum Menschen praktisch gleich geblieben. Doch wichtiger als die Konservierung der Struktur ist die Ähnlichkeit in der Funktion: Viele menschliche Krankheiten finden sich auch in den fünf Modell-Organismen wieder. Erkenntnisse über die Wachstumsprozesse bei der Taufliege Drosophila können beispielsweise in der Tumorbiologie verwendet werden, da beim Krebswachstum im Menschen gleichartige Gene aktiviert werden. Und die Aufklärung des Schicksals jeder einzelnen der 959 Zellen des Wurms Caenorhabditis elegans ermöglichte neue Erkenntnisse zu Alterungsprozessen beim Menschen.

Wegen der Universalität der grundlegenden Lebensprozesse und aufgrund ihrer Verwandtschaft können andere Organismen als Modelle für den Menschen dienen. Kriterien für die Wahl zum Modell-Organismen sind beispielsweise die leichte Haltung und Züchtbarkeit. Weltweit erforschen hunderte Forschungsgruppen diese Modell-Systeme bis ins kleinste Detail, in der Hoffnung, die gewonnen Erkenntnisse später auf den Menschen anwenden zu können.

Wegen Tierschutz keine Labor-Maus

Der Standard-Modell-Organismus der biomedizinischen Forschung ist die Labor-Maus. Aus hygienischen Gründen und Aspekten des Tierschutzes war es jedoch gemäss den Ausstellern nicht möglich, im Landesmuseum auch Mäuse auszustellen. Das Aquarium mit den Zebrafischen ist aber gerade für Kinder fast ebenso spektakulär und auch ästhetisch ansprechend (siehe Bild oben rechts).


Ausstellung "Der gespiegelte Mensch - in den Genen lesen"

Die Ausstellung im Landesmuseum (das Schloss beim Zürcher Hauptbahnhof) ist geöffnet von Dienstag bis Sonntag jeweils von 10-17 Uhr (Mittwochs bis 21:00) und läuft noch bis zum 2. Januar 2005. Öffentliche Führungen beginnen jeweils am Dienstagabend um 18:00. An Sonntagen und in den Schulferien stehen von 14-17 Uhr Studierende von Uni und ETH für Fragen zur Verfügung. Der Eintrittspreis beträgt 15 Franken. Kinder unter 16 Jahren zahlen nichts. Weitere Informationen zur Ausstellung finden sich unter: www.dergespiegeltemensch.ch




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Zebrafische sind nicht nur ästhetisch, sondern sie lassen sich dank ihren bis zu 100 Nachkommen pro Woche auch leicht und schnell züchten. gross

Neugier als Forschungsantrieb

Ergänzend zu den biologischen Hintergrundinformationen und den Dia-Projektionen zu den fünf Modell-Systemen erläutern im Zentrum der Ausstellung auf fünf Monitoren fünf junge Forscherinnen und Forscher von Uni und ETH in Video-Interviews ihre Forschungsprojekte mit diesen Modell-Organismen, sowie ihre Ziele und Motivation für die Biowissenschaft. Neben dem Forschungsalltag erzählen sie von ihrer Neugierde, vom Antrieb, durch ihre Forschung Neuland zu betreten, und sie erklären die Hinwendung zu ihrem Modell-System.

Biolabor im Museumsschloss

Die Ausstellung endet im Labor. Mit viel Aufwand wurden die alten Schlossräume des Landesmuseums zu einem modernen Biolabor umgerüstet. Da finden sich ein unermüdlich pipettierender Laborroboter, ein Fischkino und Mikroskope, mit denen die Besucher selbst aktiv werden können. Erst dank der Vergrösserung erhält man Einblick in die Fortbewegungsart der kriechenden Modell-Würmer oder in die feinen Unterschiede von Fliegenmutanten.

Im Schullabor des Landesmuseums kann der Besucher selbst aktiv werden. gross

Mit dem Mikroskop lassen sich zwar nicht gleich die anfänglich gestellten grundsätzlichen Fragen des Lebens beantworten, doch dem Besucher offenbart sich, wie die Wissenschaft sie zu beantworten versucht: Von der Frage über die Beobachtung zum Experiment. Die Kombination vieler einzelner Fakten fügt sich mit der Zeit zu einem Gesamtbild des menschlichen Wissens zusammen, um so grundsätzliche Fragen wie diejenige nach der Herkunft des Menschen zu beantworten.

Sinnvolle Konzentration

Da die Forschung auf dem Gebiet der Life Sciences stark expandiert, vermag die Ausstellung nicht viel mehr als in einigen ausgewählten und scharf umrissenen Gebieten an der Oberfläche zu kratzen. So gesehen ist die Konzentration auf fünf Modellorganismen eine notwendige Einschränkung und eine sinnvolle Auswahl aus den endlosen Weiten der Biowissenschaften.

Auslagerung der Kontroverse

Im Unterschied zur vorletztjährigen biowissenschaftliche Ausstellung im Landesmuseum – "Good bye Tomato - Good morning Rice!" (1) - fehlt beim "gespiegelten Menschen" die Thematisierung umstrittener Bereiche der biologischen Forschung, wie etwa gentechnisch veränderte Organismen, das Klonen, oder die Stammzell-Forschung.


Auswirkungen der modernen Biowissenschaften

Ziel der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung ist der Dialog über kontroverse Bereiche der Biowissenschaften. (2) Unter dem Patronat der Stiftung "Science et Cité" beginnen ab heute Abend jeweils am Donnerstag ab 19:00 Vorträge, Podiumsdiskussionen und Filmpräsentationen zu aktuellen Fragen der Gesellschaft an die biologische Forschung.

Unter dem Titel "Vom Elfenbeinturm zum gesellschaftlichen Diskurs" startet heute um 19:00 im Landesmuseum eine Podiumsdiskussion zum Nutzen der Forschung für die Gesellschaft unter anderem mit der ETH-Professorin Annette Oxenius und der Nationalrätin Christine Egerszegi. Am 11. November wird an der ETH kostenlos der Hollywood-Thriller GATTACA gezeigt, um danach in einer Podiumsdiskussion über den perfekten Menschen und die Auswirkungen einer genetischen Kontrollgesellschaft zu diskutieren. Ebenfalls an der ETH diskutieren am 16. Dezember ein Genetiker, ein Kinderarzt und ein Psychiater über den Einfluss der genetischen Ausstattung auf Charakter und Intelligenz des Menschen. "ETH Life" wird bis Ende Jahr über einige dieser Begleitveranstaltungen berichten.




Literaturhinweise:
Website der Ausstellung "Der gespiegelte Mensch": www.dergespiegeltemensch.ch

Fussnoten:
(1) „ETH Life“-Artikel „Genreis-Experiment im Museum“: www.ethlife.ethz.ch/articles/GoldenerGenreisimMu.html
(2) Das detaillierte Programm der Begleitveranstaltungen zur Ausstellung: www.dergespiegeltemensch.ch/_downloads/Begleitveranstaltungen_A4.pdf



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