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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 11.05.2005 06:00

Polymesse: Begegnungs-Plattform für Firmen und Studierende
Jahrmarkt der Fertigkeiten

Zum 19. Mal ist im Hauptgebäude der ETH die Polymesse im Gang, wo sich Studierende über Karrieremöglichkeiten orientieren und erste Kontakte mit der Firmenwelt knüpfen können. Einige Unternehmen haben diese Rekrutierungsmesse - sie dauert noch bis Donnerstag, 12. Mai - zur Chefsache erklärt: Sie entsenden Mitglieder des höchsten Kaders zum Gespräch mit den Studierenden an die ETH.

Norbert Staub

„Seit Januar waren wir voll mit den Vorbereitungsarbeiten zur Polymesse beschäftigt," sagt Luc Vuilleumier, „Kopf“ von Forum&Contact, einer Kommission des VSETH, die das momentane Stelldichein der Unternehmen im ETH-Hauptgebäude organisiert hat. Die Polymesse ist die jährlich stattfindende Drehscheibe par excellence, wo Firmen und ETH-Studierende miteinander ins Gespräch kommen können. Die eigentliche Messe wird von 80 Firmen und gut 500 ihrer Vertreter bestritten, welche die 40 Messestände in der Haupthalle und in den Seitenhöfen während drei Tagen im Turnus besetzen. Dazu kommt die Referatsreihe „Polyvortrag“ (dieses Jahr mit 22 Events) sowie „Polytraining“, eine Serie von Seminaren zum Berufseinstieg. Neu finden alle Recruitinganlässe an der ETH unter dem Dach „Polycareer“ statt, das von den ETH juniors und Forum&Contact getragen wird.

Kür der studentischen Freiwilligenarbeit

Für den Aussenstehenden erstaunlich ist, dass dieser Grossanlass, dessen Realisierung viel Know-how erfordert, neuerdings ausschliesslich in studentischer Hand ist. „Es ist schon die Kür meines studentischen Engagements im VSETH“, bekennt Vuilleumier. Er hat den Anlass zum ersten Mal mit organisiert, steht kurz vor dem Abschluss seines Maschineningenieur-Studiums und musste dieses zugunsten der Polymesse in den vergangenen Monaten etwas auf Eis legen. „So kurz vor Studierende liegt das noch einigermassen drin“, so Vuilleumier. Es sei vor allem Begeisterungsfähigkeit, die jemand für diesen Managementjob, der ja freiwillig übernommen wird, mitbringen müsse. Dazu die Fähigkeit, lösungsorientiert zu denken - und Stressresistenz. Diese sei etwa gefragt bei der Überwindung des Nadelöhrs „Anlieferung im Hauptgebäude“ oder auch im Umgang mit Unternehmen, die auch mal schlicht Unmögliches verlangen.

– Und es braucht sicher auch Überzeugung für die Sache. Es beeindrucke ihn, wie viel Aufwand die Unternehmen für dieses Treffen betreiben, sagt Vuilleumier. So werden ganze Lastwagenladungen mit aufwendigem Präsentations- und Messematerial aus dem Ausland an die Rämistrasse gebracht, ganz zu schweigen von den teilweise hochkarätigen Gesprächspartnern. Von der Firma Shell beispielsweise kam für eine Präsentation der Karrieremöglichkeiten im Konzern mit Kurt Döhmel der Deutschland-Chef aus Hamburg an die ETH. Ein Manager, der einen Organismus mit 7000 Angestellten führt. Dazu drei Mitarbeitende, welche zu spezifischen Rekrutierungsfragen Red und Antwort standen.


Vom Öl- zum Energiekonzern

(nst) Shell betätigt sich in 145 Ländern, hat 120'000 Mitarbeitende, macht 337 Milliarden Dollar Umsatz pro Jahr, investiert jedes Jahr zirka 15 Milliarden und hat 25 Millionen Tankstellenkunden pro Tag. Der Weltkonzern ist aber dabei, seine Geschäftsfelder auf die langfristig eintretende Erschöpfung der fossilen Energieträger einerseits und den Kyotoprozess andererseits auszurichten, wie Shell-Deutschlandchef Kurt Döhmel gestern erklärte. Bis 2050, so Döhmel, werde der Anteil erneuerbarer Energie am Weltverbrauch auf rund ein Drittel anschwellen – auf der Basis einer voraussichtlichen Verdoppelung bis Verdreifachung des Gesamtenergiebedarfs. Verständlich, dass der Energieriese (etwa neben dem noch stark expandierenden Sektor Flüssiggas) auf die Erzeugung erneuerbarer Energien fokussiert. Vor 30 Jahren schon begann bei Shell die Entwicklung und industrielle Fertigung von Solarzellen. „Heute stammt jede fünfte Solarzelle weltweit von Shell“, sagte Kurt Döhmel. Konkurrent BP hat übrigens etwa den selben Marktanteil.

Der Konzern engagiert sich auch in der Windenergie und der Brennstoffzellen-Technik. In den USA treibe man mit Unterstützung der Regierung den Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes voran. Als ebenso wichtig erachtet Döhmel den Bereich Biogas und –treibstoffe. Da überrascht es nicht, auch bei Shell arbeiten zu können, „ohne es mit dem Öl zu tun zu bekommen“, wie ein Student es sich erhoffte. Die Affäre um die durch Umweltschützer verhinderte Versenkung der Shell-Ölbohrplattform Brent Spar vor genau zehn Jahren mag zu dieser Entwicklung zumindest atmosphärisch beigetragen haben (1).




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Reger Austausch über den Schritt ins Berufsleben: Polymesse-Betrieb in der ETH-Hauptalle und den angrenzenden Höfen. gross

ETH-Diplom: Kein Freipass für eine Karriere

„Ich denke, den Studierenden ist zu wenig bewusst, dass ein ETH-Abschluss noch lange kein Eintrittsbillet für eine Karriere in einer renommierten Firma oder einem internationalen Konzern bedeutet“, sagt Luc Vuilleumier; auch wenn vor allem im Technologiesektor die ETH als eine der Top-Adressen betrachtet wird. „Ich höre immer wieder, dass es zwar genügend Bewerbungen gibt. Doch die eigentlich gesuchten Talente fehlen den Unternehmen trotzdem“, so Vuilleumier. Er findet, generell sollte das Bewusstsein der Studierenden für das „Danach“ und dafür, was ausserhalb der Hochschulmauern erwartet wird, höher sein: „Studierende sollten sich besser verkaufen“. Dasselbe gelte aber auch für einzelne Unternehmen. Es gebe zum Beispiel Schweizer Industrieunternehmen, die Absolventen kaum Szenarien einer Entwicklung anböten. Da sei es nicht erstaunlich, wenn die Rekrutierung nicht wunschgemäss verlaufe.

Aus Hamburg und Aberdeen zur Kontaktaufnahme mit Studierenden an die ETH gereist: die Shell-Vertreter Kurt Döhmel, Vicky Jones, Yasmin Rieger und Adam Tubb (v.r.). gross

Rekrutierung: Chefsache geworden

Diesbezüglich nichts anbrennen lassen will Kurt Döhmel. Warum ist er eigentlich persönlich an die ETH gekommen? „Wissen Sie, die Rekrutierung ist in technologieorientierten Unternehmen wie Shell zur Chefsache geworden“, sagte der oberste Shell-Manager Deutschlands gestern gegenüber „ETH Life“ anlässlich seiner Präsentation des Konzerns, die zu Recht den Titel „Mehr als nur Öl“ trug und gut 50 Interessierte in den Hörsaal lockte. Die ETH gehöre mit ihren hervorragend ausgebildeten Studierenden zu den ganz wichtigen Reservoirs an Talenten für Shell. Es sei für das Unternehmen in Europa immer schwieriger, die benötigten intellektuelle Ressourcen zu bekommen. Döhmel selbst ist von Haus aus Ingenieur mit je einem Diplom in Schiffsbetriebstechnik und Regelungstechnik, und seit 1968 dabei. Er hat eine Karriere gemacht, die nach seinen Worten „typisch für Shell“ ist: zahlreiche Auslandsaufenthalte gehörten dazu sowie ein Wechsel vom Einsatz in der Technologie zum Management.

Rettungsschwimmer für Anfänger

Erwartet werde wie in jedem internationalen Konzern eine hohe Bereitschaft, in verschiedenen Ländern zu arbeiten. Und die Bereitschaft zur Veränderung: Auf Kaderstufe brauche es neben technischem bald einmal auch Management-Know-how, betonte der Shell-Manager. Praktika, ein dreistufiger Bewerbungsprozess und „Recruiting Days“ sind Wegmarken für Kandidaten, die ins Unternehmen einsteigen wollen. „Ein Trainee-Programm haben wir nicht, im Unterschied zu manch anderer Firma – wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Übernahme von Verantwortung die beste Schule ist“, so Döhmel. Allerdings laufe man nicht Gefahr, im unbekannten Gewässer zu ertrinken. „Rettungsschwimmer helfen Anfängern stets ans rettende Ufer.“


Literaturhinweise:
Website der Polymesse: www.recruiting.ch/polymesse

Fussnoten:
(1) Vgl. dazu ein kürzlich in der "Zeit" erschienenes Interview mit Kurt Döhmel: www.zeit.de/2005/18/Shell-Interview_neu



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