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Rubrik: Tagesberichte
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Publiziert: 06.02.2003 06:00

Jordaniens Prinz Hassan bin Talal verurteilt die Bekämpfung des Terrors mit Waffengewalt
Frieden statt Krieg

Der Prinz von Jordanien, Hassan bin Talal, hat am Dienstag an der GEP-Vorlesung an der ETH Zürich ein düsteres Weltbild gezeichnet: An die Stelle einer "Kultur des Friedens" trete mehr und mehr eine "Kultur des Krieges". "Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen", sagte Prinz Hassan in seinem Vortrag "A New World Order without Ideologies".

Von Marie-Theres Schaller

Prinz Hassan bin Talal trat nicht nur als Vermittler zwischen Ost und West ganz in der Tradition des jordanischen Königshauses auf, sondern auch als pointierter Kritiker der USA. Amerika habe die Welt als Teil seiner selbst betrachtet statt sich selbst als Teil der Welt. Die schreckliche Attacke vom 11. September 2001 zeige nicht so sehr die Verletzlichkeit der Weltmacht, sondern vielmehr ihre Isolation und Einsamkeit. 81 Prozent der Bevölkerung im Mittleren Osten sehen die Ursache des Anschlags in der amerikanischen Politik, die wesentlich zur wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich beigetragen hat. Viele Menschen fühlten, dass die USA ihre Macht und ihre Vorteile nicht zur Verringerung der weltweiten Armut und zur Förderung sozialer Gerechtigkeit eingesetzt habe, sondern just für das Gegenteil, sagte der Prinz.

Mit dieser Einschätzung geht Prinz Hassan bin Talal einig mit den Kritikern der amerikanischen Kriegstreiberei. Das Übel des Terrorismus kann nicht mit Waffengewalt gelöst werden. Das Problem muss an den Wurzeln angepackt werden: Diese sind sowohl die "unakzeptable" Kluft zwischen Nord und Süd, die Ungerechtigkeit auf dieser Welt, Analphabetismus und Nichtbeteiligung der Frauen an der Macht als auch die Umweltverschmutzung aufgrund fehlender internationaler Abkommen. "850 Millionen Menschen weltweit sind Analphabeten", hielt der Prinz fest, "70 Prozent davon sind Frauen". Wo die Hälfte der Menschheit marginalisiert und ausgegrenzt werde, könne keine Kultur der Bürgerrechte und der demokratischen Institutionen gedeihen. Der Kampf gegen diese "Unacceptables" sei heute die wichtigste Herausforderung.

Eigennutz oder Gemeinnutz?

Nach Ansicht des Prinzen stehen wir heute an einem Scheideweg: Entweder bewegen wir uns weiter auseinander und ziehen uns auf unsere Eigeninteressen zurück, oder wir rücken näher zusammen auf einem Fundament der Humanität. Dass Hassan bin Talal für letzteres einsteht, beweist er mit seinem Engagement in vielen Nicht-Regierungsorganisationen, in denen er sich seit Jahren für den Austausch zwischen Ost und West und für das Verständnis für die arabische Kultur und den Islam einsetzt.


Prinz Hassan bin Talal
Prinz Hassan bin Talal ist der jüngere Bruder des 1999 verstorbenen jordanischen Königs Hussein. Der 56-jährige Prinz genoss eine Ausbildung in Grossbritannien und machte seinen Abschluss in Oriental Studies am College in Oxford. Er bewegt sich sein langem auf der internationalen Bühne, was nicht zuletzt seinem Status als Kronprinz von Jordanien zu verdanken ist, den er erst kurz vor König Husseins Tod an dessen Sohn und jetzigen Regenten Abdallah verlor. Hassan bin Talal engagiert sich in mehreren internationalen Organisationen und Komitees, seit Dezember 2000 ist er Präsident des Club of Rome. Bei dieser Vereinigung handelt es sich um einen weltbürgerlichen Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Politikern und Wirtschaftsführern, welche sich die "Lage der Menschheit" zum Objekt gemacht haben. Der 1968 gegründete Club wurde erstmals berühmt mit Dennis Meadows Werk "Die Grenzen des Wachstums". Hassan bin Talal tritt seit Jahren als Vermittler zwischen Ost und West auf, wo er für das Verständnis für die arabische Kultur und den Islam wirbt. Zahlreiche Artikel und Bücher verfasste er zum Konflikt im Nahen Osten. (pd/sm)



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Besuch eines Prinzen an der ETH: Hassan bin Talal von Jordanien (Mitte) zusammen mit ETH-Präsident Olaf Kübler (links) und ETH-Alumni Präsident Eduard Brunner. gross

Angesichts der düsteren Weltlage, des drohenden Irak-Krieges und der instabilen Lage im Nahen Osten rief er dazu auf, die menschliche Würde zu respektieren. Heute viel mehr noch als zu früheren Zeiten seien eine Ethik der Solidarität und eine neue internationale Ordnung gefragt.

Jeder Weltordnung ist eine Ideologie inhärent, ist der jordanische Prinz überzeugt. Die allen Menschen gemeinsame Ideologie sei der Glaube, die Welt zu verbessern. Wenn Ideologien aber aus Ismen bestünden - Kommunismus und Sozialismus, Nationalismus und Faschismus, Kapitalismus und Liberalismus - drohten sie in Totalitarismus umzukippen. Das sei in der "neuen Weltordnung", in der sich Amerika zur imperialen Herrscherin erkoren habe, falsch gelaufen: "Ideologie droht Frieden in Krieg zu verwandeln und Stabilität in Anarchie".

Verurteilung des Terrorismus

Nicht ausnehmen von Ideologisierung will Prinz Hassan bin Talal seine eigene Herkunft. Wie Ideologien zur "Religion" werden können, so können Religionen in den Dienst von Ideologien gestellt werden, namentlich im Islamismus. So verurteilt der Prinz alle Terroristen, die sich hinter einer Religion verstecken. "Diese Leute tun nichts für die Religion. Im Gegenteil, sie haben die Waffen gegen das gläubige Volk erhoben."

Einmal mehr unterstrich Hassan bin Talal die Vereinbarkeit des Islams mit der Demokratie: Zu den fundamentalen Werten des Korans gehörten Gerechtigkeit, Güte, Weisheit und Mitgefühl. Diese seien universale Werte, die wir alle - gleich welcher Tradition wir angehörten - miteinander teilten. Bei der Konstituierung einer neuen "global governance" müssten die industrialisierten Nationen sich jedoch bewusst sein, dass die jüngste Entwicklung vieler Länder auf Unterwerfung beruht habe, auf dem Fehlen von Institutionen und auf dem Glauben an allein selig machende Geldzuwendungen.

Einverständnis unter den Kulturen

Dem Prinzen zufolge geht es heute darum, die Kultur des Anderen zu verstehen und zu respektieren. Die Wurzeln der Konflikte könnten mit Vernunft und im Dialog geortet werden. Weil Krieg zu Hass führe, bevorzuge er eine "pax dei" vor einer "pax americana". Was in den Entwicklungsländern auf Widerstand stosse, sei die Doppelbödigkeit des Westens, der die Ideale der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit predige, derweil aber auf dem internationalen Parkett sich mehr und mehr darüber hinwegsetze (Beispiel: Kyoto) und das Völkerrecht sowie die Menschenrechte verletze (Beispiel: Israel). Den Schlüssel zu einer gerechteren, freien Welt sieht Hassan bin Talal in der Erziehung und Bildung. Diese müssen jedem einzelnen auf dieser Welt zugänglich sein. "I participate, therefore I am", wandelte der Prinz das Descartessche Credo "Cogito, ergo sum" ab. In diesem Sinn sieht er auch die neue Weltordnung: demokratische Regierungen, in der humanitäre Werte durch Schulen, Medien und Gesetzgebung vermittelt werden.




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