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Rubrik: Tagesberichte |
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Alumniporträts: Stillstand ist Rückschritt |
Mit Unternehmergeist und Courage hat der ehemalige ETH-Maschinenbaustudent seinen Weg gemacht. Doch bei aller Geschäftigkeit: Als passionierter ETH-Alumnus kommt Joachim Wendel zum Polyball, wann immer er Zeit dazu findet. Ein weiterer Beitrag unserer lockeren Serie von Porträts über Alumni der ETH. Von Marion Morgner "Leben ist Aktivität", sagt Joachim Wendel. Positiver Stress macht Spass. So sieht das der 43-jährige. Die Begeisterung fürs Dinge-Bewegen schwingt auch in seiner Stimme mit. Temperamentvoll erzählt Joachim Wendel von seinem Werdegang und ist sich beim Blick in die Zukunft sicher: "Da gibt’s noch jede Menge zu entdecken." Erst zur Marine, dann an die ETH Im deutschen Solingen in der Nähe von Düsseldorf aufgewachsen, hatte der junge Joachim schon direkt nach der Schule den ersten "Aktivitätsschub". Wo geht man am besten hin, um im wahrsten Sinn des Wortes seinen Horizont zu erweitern? Zur Marine. Joachim Wendel verpflichtete sich für vier Jahre und machte eine Ausbildung zum Schiffstechnischen Offizier. Dass er danach nicht zuhause um die Ecke studieren wollte, war klar. Die ETH in Zürich hatte er sich ausgeguckt, und nach bestandener Aufnahmeprüfung konnte es mit dem Maschinenbaustudium losgehen. Das war 1980. Für Joachim Wendel, als Nicht-Schweizer und Nicht-Wochenend-Heimfahrer, bot die Fachschaft für Maschinenbauer (AMIV) Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen. "Die Schweizer gehen nicht unbedingt auf einen zu", ist seine Erfahrung, "man muss sich schon selber bemühen." Ausserdem waren viele Studenten aus Zürich oder Umgebung und hatten längst einen festen Freundeskreis für sich aufgebaut. Kein Wunder also, dass die Fachschaft ein Sammelbecken für ausländische Studierende und Auslandsschweizer war. Viele gute Erinnerungen hat Joachim Wendel an die Zeit bei der AMIV, bei der er Vizepräsident für Kultur und Kontakte, VPK2 , war. Sei es an den Cocktail-Kurs an der Fachschule für Barmixer oder an die "International Week", bei der sich Maschinenbaustudenten aus ganz Europa trafen. Suche nach dem Kernproblem Zu Beginn des Studiums hatte Professor Thomann vom Institut für Strömungslehre den Studenten gleich gesagt, "wo der Hase lang läuft". "Die Tatsache, dass Sie hier an dieser Universität aufgenommen worden sind, zeigt, dass Sie gut sind. Nicht jeder von Ihnen wird Vorstandsvorsitzender werden, aber wir wollen Ihnen beibringen, wie sie Probleme so lange untergliedern können, bis sie lösbar werden." Diese Worte hat Wendel noch immer im Gedächtnis. Er glaubt, dass diese Strategie heute noch aktuell ist. Vielleicht sogar aktueller denn je. Er erläutert, wie er sie für sich interpretiert: "Es gibt eine Theorie, nach der hinter jedem Problem, das sich in vielen Einzelproblemen darstellt, immer ein zentrales Problem steht. Wenn man nur dieses zentrale Problem und nicht all dessen Auswirkungen löst, entfallen viele Folgeprobleme von alleine."
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Aufgabe der Wissenschaft sollte seiner Auffassung daher heute sein, zum Beispiel bei komplexen Themen wie BSE, nicht die Politiker mit einer Flut von Einzellösungen zu versorgen, sondern das grosse Problem solange aufzuteilen, bis das dahinter liegende Kernproblem gefunden ist. Dass dies in gewisser Weise ein frommer Wunsch ist, dessen ist sich Joachim Wendel bewusst: "Ich weiss, wenn das auch in der Praxis so schön einfach wäre, hätten wir es wohl alle leichter," schmunzelt er. Vorläufig angekommen Nachdem er in den letzten fünfzehn Jahre drei Mal den Job gewechselt hat, obwohl er nach dem Studium glaubte im familieneigenen Unternehmen eine Lebensstellung zu haben, ist Joachim Wendel nun angekommen. Vorläufig zumindest. Die Teilhaberschaft an einer Informationstechnologie-Firma gibt ihm den Freiraum, den er früher als Angestellter vermisst hat. Das Unternehmen entwickelt CAQ-Software (CAQ = Computer aided quality assurance) für die produzierende Industrie zur Unterstützung des Qualitätsmanagements. Bei seinen beruflichen Wechseln musste sich Joachim Wendel jedes Mal völlig neu ausrichten. Hierbei hat er durchaus ein paar Federn gelassen, wie er unumwunden zugibt. Als Maschinenbauer in der IT-Branche zu arbeiten, ist nicht gerade naheliegend und verlangte ihm eine Menge Flexibilität und Energie ab. "Ich bemühe mich immer, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern aktiv an das Problem heranzugehen." Er hat sich in solchen Umbruchssituationen stets gefragt: "Was kann ich mit meinem Wissen anfangen, wer könnte an meiner Qualifikation interessiert sein und wie sind die Rahmenbedingungen? Müsste ich zum Beispiel mit meiner Familie dafür umziehen?" Rückblickend ist seine Angst vor der eigenen Zukunft unberechtigt gewesen. Und heute ist er sich sicher: "Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn unter den Millionen Jobs, die es in Deutschland und anderswo gibt, nicht auch für jeden, der eine Stelle sucht, das Passende dabei ist." Die Schweiz verfolgt ihn Obwohl Joachim Wendel nun wieder in seiner Heimatregion Solingen Wurzeln geschlagen hat - die Schweiz scheint ihn nicht loszulassen, und er kehrt gerne immer wieder zurück. So hat er Geschäftskontakte zu Schweizer Uhrenherstellern, die ihre Produkte mit der Spezialsoftware von Wendels Unternehmen prüfen. Sogar seine Frau hat Joachim Wendel indirekt über die Schweiz kennen gelernt. Sie stammt ursprünglich wie er aus Solingen, hat jedoch einmal in Zürich für ein Jahr als Radiologieassistentin gearbeitet. Bevor sie sich damals auf den Weg machte, brachte eine gemeinsame Freundin sie und Joachim Wendel zusammen. "Der war auch in der Schweiz, der kann dir sicherlich nützliche Tipps geben", hiess es. Drei Tage vor ihrer Abfahrt trafen sie sich das erste Mal. Und dann? Ein Jahr Hin- und Herfahrerei, anschliessend Heirat und heute zwei Kinder. Benedict, fünf Jahre und Jacqueline, zwei Jahre.
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