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Publiziert: 08.10.2001 06:00

Doktoratsstudium in der Organischen Chemie
"Ein Doktorat ist kein Job"

Dass in der Organischen Chemie die Ansprüche an die Doktorierenden hoch sind, darüber ist man sich eigentlich einig. Erlebt und bewertet wird diese Situation aber sehr verschieden. Die Doktorierenden stimmen darin überein, dass die Bezahlung verbessert werden sollte.

Christoph Meier

Die Organische Chemie hat neben dem Ruf herausragend zu forschen auch den, dass das Doktoratsstudium sehr arbeitsintensiv ist. Dass letzterer nicht von ungefähr kommt, darauf weisen Äusserungen des VAC (Verein der Assistierenden an den chemischen Laboratorien der ETH Zürich)(1) gegenüber ETH Life hin. Gemäss diesen ist die Arbeitsbelastung in der Organischen Chemie wesentlich höher als in anderen Bereichen des Departements. Die Doktorierenden selbst schätzen den Aufwand folgendermassen ein: Organische Chemie 50-70, Anorganische/Technische Chemie 40-50 und Physikalische Chemie 40-55 Wochenstunden. Als Grund gibt der VAC an, dass in der Organischen Chemie der experimentelle Aufwand besonders hoch sei. Zudem werde von den Professoren, aber auch teilweise von den Doktorierenden selber, mehr Druck als anderswo gemacht.

Die Verhältnisse in der organischen Chemie

"Es wird kein Druck ausgeübt", meint François Diederich dazu. Diederich ist einer von fünf Professoren des LOC (Laboratorium für Organische Chemie), die sich ausgiebig Zeit nehmen, das Umfeld eines Doktoratsstudiums in ihrem Gebiet gegenüber ETH Life auszuleuchten. Im Gespräch stellt die Professorenschaft als erstes ihr Institut vor und weist auf die stolze Anzahl von 107 Doktorierenden hin. Von diesen kommen 54 aus der Schweiz, was darauf hindeute, dass das Studium durchaus auch für Schweizer attraktiv sei. Dass auch die Berufsaussichten nach einem Doktorat gut sind, legen die Daten über die Studienabgänger nahe. In Bezug auf die Finanzierung der Mitarbeitenden zeigt sich, dass in der Organischen Chemie 45 Prozent aus Drittmitteln erschlossen werden. In der ETH-weit diskutierten Lohnfrage stehen die Professoren vor einem Dilemma: Steigt das Budget nicht deutlich an, so könnten sie die Doktorierenden nur besser bezahlen, wenn deren Anzahl abnimmt. Eine Abnahme der Doktorierendenzahlen würde aber zu Lasten der Forschung gehen. Für die Akquirierung weiterer Drittmittel fehlt den Professoren nach eigenen Aussagen die ohnehin schon knapp bemessene Zeit.

Doktorierende werden nicht entlöhnt

Die Professoren sehen in Sachen Doktorierende-Entschädigung Handlungsbedarf bei der Schulleitung. Es sei deren Aufgabe, die 50-Prozent-Anstellungen besser zu honorieren. Nicht zu vergessen sei aber in diesem Zusammenhange auch, dass ein Grossteil der Doktorierenden im LOC als Assistierende tätig seien und dafür zusätzlich entschädigt würden. Mit einer so erreichten Anstellung von etwa 66 Prozent liegt man durchaus im Rahmen eines ETH-weiten Vergleichs. Die Professoren betonen aber auch, dass es falsch sei, von Lohn zu sprechen. Das den Doktorierenden bezahlte Geld sei als Stipendium aufzufasssen, welches für den Unterhalt während einer Ausbildung bezahlt werde. So betrachtet sei die Höhe des Betrags auch einigermassen angemessen. Dies zeige auch der Vergleich mit dem renommierten Caltech: Diese Hochschule zahle spürbar schlechter als die ETH, so Professor Erick Carreira.

Doktorväter

Wichtig sei auch, dass das Verhältnis der Professoren zu den Doktorierenden kein Angestelltenverhältnis darstelle. Der etwas antiquierte Begriff "Doktorvater" treffe eben zu, meint Professor Seebach. "Die Arbeit des Dozenten liegt im Spannungsfeld von Erziehung zur Selbständigkeit und Eigeninitiative", beschreibt sein Kollege Renato Zenobi die Beziehung. Er ergänzt: "Ein Doktorat ist kein Job." Professor Andrea Vasella meint dazu, dass bei einer solchen Beziehung gelegentlich auch Autoritätsprobleme zum Vorschein kämen. Verschärft werde die Situation dadurch, dass immer mehr Studierende den Sinn ihres Lebens über den Beruf suchen würden und tendenziell weniger belastbar seien, erläutert er weiter. Dass die Betreuung aber gut gelingt, schliessen die Professoren aus den vielen positiven Rückmeldungen, die sie von Absolventen und Absolventinnen erhalten.

"Wichtig ist der Output"

Angesprochen auf den grossen Zeitaufwand und den damit möglicherweise verbundenen Druck erwidert Renato Zenobi, dass die Diskussion um Arbeitsstunden sinnlos sei. "Wichtig ist der Output", fährt er fort und dieser sei je nach Doktorierendem sehr verschieden. Die Professoren machen darauf aufmerksam, dass sie bei Problemen auch jederzeit ansprechbar seien.

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organische Chemie Doktorat
Ein vertrauter Ort während des Dokorats: das Labor. gross

Ein möglicher Grund für einen grossen Zeitaufwand sieht Vasella darin, dass es während der Dissertation darum gehe, ein Problem perfekt zu lösen. Dieser Perfektionismus sei es, der viel Zeit benötige. Dafür besässe man aber am Schluss ein Bewusstsein für Überflüssiges. Um internationalen Standards zu genügen, müsse natürlich auch einiges verlangt werden können. Zudem könnten sich die Doktorierenden bezüglich Arbeitszeitaufwand auch ein Beispiel an den Dozierenden nehmen.

Abschliessend orten die Professoren Schwachpunkte im Stellenwert der Chemie in der Gesellschaft. Dies hänge auch mit der Schweizer Mittelschulausbildung zusammen: Die Naturwissenschaften, und insbesondere die Chemie, würden zusehends marginalisiert. Hier würde man sich vermehrtes Lobbying der ETH-Schulleitung wünschen, halten die Professoren fest .

Zufriedene Arbeitsgruppe

Wie sehen nun die Doktorierenden selbst ihre Situation? Nach den Professoren stand die Forschungsgruppe Seebach Red' und Antwort. Defizite werden bei der Bezahlung und vor allem bei den Unterschieden innerhalb und zwischen den Departementen ausgemacht. Ansonsten herrscht die Meinung vor, dass sich jeder unter Leistungsdruck stelle. Bei Antritt eines Doktorats wisse man, was auf einen zukomme. Die Doktorierenden zeigen sich auch überzeugt, dass ein ETH-Doktortitel in Organischer Chemie einen guten Leistungsausweis darstelle. Grundsätzlich sind sie mit ihrer Situation zufrieden und erachten die Betreuung als gut. Sie fügen aber noch an, dass sie nur für ihre Gruppen sprechen könnten.

Leben wie im Kloster

Dass nicht alle Doktorierenden der Organischen Chemie ihr Studium so sehen, stellt sich in weiteren Gesprächen mit nicht genannt sein wollenden Personen aus anderen Gruppen heraus. Angesprochen auf die Betreuung antwortet einer, dass in der Regel kein Kontakt stattfinde. Auf die Frage, ob Opfer für das Studium nötig sind, erwidert ein Doktorand: "Ein Doktorat in der Organischen Chemie gleicht einem Leben im Kloster. Wir werden wie Wissenschaftsmönche und -nonnen gehalten." Die Arbeitszeiten schätzen diese noch etwas höher ein als der Fachverein.

Halbe Löhne für Professoren?

Der VAC macht konkrete Verbesserungsvorschläge: So würde er eine Schlichtungsstelle zusätzlich zur bereits vorhandenen Ombudsstelle begrüssen, denn man sei noch zu sehr der "Willkür der Professoren" ausgeliefert. Der VAC dazu: "Es wäre gut, wenn man nicht unter Druck gesetzt werden dürfte, an den Wochenenden kommen zu müssen oder keinen Urlaub zu nehmen." Natürlich anerkennt auch der Fachverein, dass jede und jeder selbst seinen Doktorvater auswählen könne. An der ETH sei es zudem so, dass Professoren mit extrem harten Arbeitsbedingungen kaum noch Doktorierende fänden, die an der ETH studiert hätten.

In Bezug auf die Bezahlung lässt der Fachverein das Argument, man befände sich noch in der Ausbildung, nur beschränkt gelten. Schliesslich könnte man auch den Professoren nur eine halbe Stelle geben, da sich diese auch ständig weiterbildeten. Grundsätzlich bedürfe der Doktorierendenstatus einer Klärung. Bedenklich findet der VAC, dass manche Doktorierenden der OC fast keine Hobbies mehr pflegten, da sie anscheinend keine Zeit mehr dafür hätten. Ein momentan gerade herrschender Missstand sei, dass der Umzug des Chemie-Departements nicht als Argument für eine Verlängerung der Promotion herangezogen werden dürfe.

Wie auch immer das Doktorat in der Organischen Chemie an der ETH Zürich beurteilt wird, das Fach vermag zu begeistern. So schliesst auch der ‚Chemiemönch': "Trotz allem ist es traumhaft, Chemie machen zu dürfen."


Literaturhinweise:
Forschungsprojekte der Laboratorien der Organischen Chemie: www.rereth.ethz.ch/chem/organische/organische.prof_overview.html

Fussnoten:
(1) Verein der Assistierenden an den chemischen Laboratorien der ETH Zürich: www.vac.ethz.ch/



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