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Publiziert: 15.11.2001 04:00

Mikrosensorsystem für Gase auf einem Chip
Eine elektronische Nasenlänge voraus

Auf einem einzigen Chip konnten ETH-Forscher sowohl Gassensoren als auch die Elektronik integrieren, welche zum Betrieb der Sensoren und deren Signalverarbeitung notwendig ist. Eine mögliche Anwendung dieses sowohl qualitativen wie quantitativen Mikrosensorsystems besteht in der Raumüberwachung hinsichtlich schädlicher oder giftiger Substanzen.

Von Christoph Meier

Die ETH Zürich hat einen guten Riecher entwickelt. Für diesen neuen Schnüffler kombinierten Forschende am Labor für Physikalische Elektronik (1) unter Leitung von Professor Henry Baltes in einer Zusammenarbeit mit den Universitäten Tübingen und Bologna Erkenntnisse der Chemie mit der Herstellungstechnologie von Silizium-Chips. Das Single-Chip-Sensorsystem, das diese Woche in "Nature" präsentiert wird, ist gerade mal 7 auf 7 Millimeter gross und kann somit auch mobil eingesetzt werden.

Dicht bepackter Chip

Der Aufbau des Mini-Analysesystems sieht folgendermassen aus: Der Sensorteil des Chips wird mit bestimmten Polymeren beschichtet, die wie ein Schwamm Gasmoleküle aus der Luft aufsaugen und einlagern. Die Einlagerung, die keine chemische Bindung darstellt, sondern nur auf physikalischen Wechselwirkungen beruht, führt zu einer Änderung der Polymereigenschaften. So werden spezifische elektrische Signale generiert, die an eine Auswerteeinheit übermittelt werden. Das heisst, dass die polymerbeschichteten Mikrosensoren chemische oder physikalische in elektronische Signale umsetzen - vom Prinzip her der menschlichen Nase sehr ähnlich. Die Signalverarbeitungselektronik und ein digitales Interface, das zur Signalübertragung zwischen Chip und Computer oder Mikrocontroller dient, befinden sich auch noch auf demselben Chip. Über das Interface kann der Chip auch gesteuert und die Chipfunktionen überwacht werden.

chip gasanalyse
Hatten den guten Riecher: Die Gruppe um Professor Baltes vom Labor für Physikalische Elektronik entwickelte das Mikrosensorsystems für Gasanalysen. gross

Die riechende Zunge

Von den Mikrosensoren gibt es drei verschiedene Typen auf dem Chip: Der erste ist eine schwingende Zunge, welche die Änderung der Masse registriert, wenn sich chemische Moleküle in das Polymer einlagern. Diese "Mikrowaage" ist so genau, dass sie Massenänderungen von weniger als einem Pikogramm messen kann. Schwere und wenig flüchtige Moleküle erzeugen hierbei hohe Signale.

Der zweite Typ basiert auf Temperaturänderungen. Wenn sich ein Molekül in das Polymer einlagert, wird Wärme frei. Im Gegensatz dazu wird Wärme verbraucht, um das Gasmolekül aus dem Polymer zu vertreiben. Diesen Effekt kennt man im Alltag von Kühlsprays und feuchten Feuerwehrschläuchen.

Der dritte Sensortyp misst die Änderung der elektrischen Kapazität, sobald sich Gasmoleküle in das Polymer einlagern, und ist deshalb sehr empfindlich auf polare Moleküle wie Wasser oder Alkohole.


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chip gasanalyse
Nur gerade sieben auf sieben Millimeter gross ist er. Doch der Chip enthält ein ganzes Mikrosensorsystem für Gase.

Quantitative Information und Grenzen

Mit der Variation der Polymere auf den verschiedenen Sensortypen lässt sich die Anzahl analysierbarer Gase erhöhen. Weiter können auch mehrere mit verschiedenen Polymeren beschichtete Sensorchips kombiniert werden, um mehr Information über die Analytgase zu erhalten. Das entstandene Signalmuster wird mit Hilfe von Mustererkennungsalgorithmen ausgewertet und auf diese Weise das Gas oder Gasgemisch identifiziert. Die Signalhöhe hängt dabei von der Anzahl der Moleküle ab, so dass sich die Konzentration des Stoffes in der Luft auch quantitativ bestimmen lässt - etwas was die menschliche Nase nicht, oder nur sehr beschränkt, kann.

Obwohl sehr leistungsstark, hat das System seine Grenzen. "Das Gerät weist nur Gruppenselektivität auf", schränkt der Miterfinder Andreas Hierlemann ein und erläutert weiter, dass sich damit Alkohole von Aromaten oder Aromate von Alkanen unterscheiden lassen, nicht aber die beiden Alkohole Methanol und Ethanol. Im Vergleich zur menschlichen Nase reagiert das System auf weniger Geruchsstoffe. Für eine verlässliche Analyse ist es auch nötig, dass eine Gasmischung nicht zu komplex ist. Ausserdem muss das System vorher auf die Erkennung der entsprechenden Gemische trainiert beziehungsweise kalibriert werden.

Perfektes Bier in einigen Jahre

An Einsatzmöglichkeiten für die Gas-Sensorchips mangelt es trotzdem nicht: So könnte zum Beispiel das krebserzeugende Perchlorethylen aus chemischen Reinigungsanlagen detektiert werden. Ein anderer Anwendungsbereich ist die Kontrolle bei der Biergärung oder allgemein bei Fermentationsprozessen sowie die Identifikation von Lösemitteln in Transportbehältern. Interessant ist der Chip auch dort, wo die menschliche Nase versagt. "Die menschliche Nase ist sehr sensitiv auf Gärungs- und Faulgase, doch das sehr giftige Kohlenmonoxid nimmt sie nicht wahr", bemerkt Hierlemann.

Bis der breit einsetzbare Chip aber Marktreife erlangt, braucht es noch einige Zeit. Andreas Hierlemann dazu: "Bis zu Kommerzialisierung rechnen wir mit mindestens zwei bis drei Jahren Product Engineering."


Fussnoten:
(1) Labor für Physikalische Elektronik: www.iqe.ethz.ch/pel/Welcome.html



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