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Rubrik: Campus Life |
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Bundesrätin Dreifuss am Collegiums-Jubiläum „Wissen muss geteilt werden“ |
Ihr Interesse für das Functional Genomic Center von Uni und ETH liess sie mit etwas Verspätung eintreffen - dann war Bundesrätin Ruth Dreifuss aber da und überbrachte die Gratulationen zum fünften Geburtstag des „schon fast schulpflichtigen“ Kindes, wie Beiratspräsident Gerd Folkers das Collegium Helveticum der ETH in der Sternwarte bezeichnete. Von Norbert Staub „Wissen, das nicht geteilt wird, verwandelt sich in Erniedrigung für jene, die davon ausgeschlossen bleiben“, mahnte Ruth Dreifuss in ihrer Ansprache vor über 100 Gästen im Collegium. Phänomene wie der grosse Erfolg extremer Rechtsparteien in Europa könnten als Folge dieser gefährlichen Zweiteilung gesehen werden: „Die intellektuelle Moderne, basierend auf Wissen, Forschung und Kultur, ist in der Gesellschaft nur in der Minderheit“, so Ruth Dreifuss. Die Wissenschaft trage eine hohe Verantwortung als sozialer Integrationsfaktor.
Fehlendes Demokratiebewusstsein Das sei eine der Herausforderungen für das Collegium, denn „leider ist unsere Gesellschaft noch nicht bereit für diese Aufteilung des Wissens“, und Naturwissenschaftler, die sich erdreisten, sich mit Kultur zu beschäftigen, würden nicht selten von ihren Peers schief angesehen. „Die heutige Wissenschaft ist demokratisch, nur weiss sie es noch nicht“, meinte die Bundesrätin provokativ. Für den Forschungserfolg hänge künftig viel davon ab, wie sich Wissen in die anderen Disziplinen einerseits, in Politik und Gesellschaft andererseits integriere. Das Collegium Helveticum habe hier seine grosse Aufgabe. Metaperspektive vermeiden Gleicher Meinung zeigte sich auch ETH-Präsident Olaf Kübler, der in seiner Bilanz über die fünf Jahre die internationale wissenschaftliche, kulturelle und wissenschaftspolitische Ausstrahlung des Collegiums herausstrich.
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Forschung müsse sozial gut verankert sein, um nachhaltig gedeihen zu können. Die Reflexion der wissenschaftlichen Grundlagen sollte allerdings „nicht aus einer Metaperspektive, sondern aus der Sicht der konkreten Forschungsfelder selber“ erfolgen, so der ETH-Präsident. Für die Zukunft wünscht sich Kübler eine stärkere Zusammenarbeit mit der Universität Zürich, und dass das Collegium vermehrt in den Lehrkörper beider Hochschulen ausstrahle. Eine Replik auf Snow Helga Nowotny, die als Collegiumsleiterin im Sommer altershalber zurücktritt, blickte zurück auf vier Jahre Leitung einer „einmaligen Einrichtung“, auch wenn „die ETH sich deren Bedeutung nicht immer bewusst“ sei. Das Collegium sei gleichzeitig wertvolles Erfahrungsfeld für die Stipendiaten, „transdisziplinäres Labor“ für Graduierte aller Disziplinen und als solches eine lebendige Antwort auf Snows These von den „Zwei Kulturen“. Auch Helga Nowotny verwies auf die von Bundesrätin Dreifuss betonte Scharnierfunktion: Das Collegium sei zum Integrationsfaktor für die Hochschule in die Gesellschaft geworden.
„Das Collegium ist kein Ort für ausgesprochene Eigenbrödler“, erzählte Marianne Sommer, die sich vor zwei Jahren als Kollegiatin mit Primatologie und Linguistik beschäftigte. Der permanente Dia- und Polylog „unter Exoten“, welche die Transdisziplinarität auf ihre Fahne geschrieben hätten, sei ein Hauptmerkmal des Collegiums – entsprechend sei sie „heute noch am Verdauen“ all dessen, was sie damals aufnahm. Marianne Sommer forscht heute am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Bis zur Berufung der Nachfolge wird ab Oktober interimistisch Peter Rieder, Professor für Agrarökonomie und langjähriger Präsident der ETH-Planungskommission, das Collegiums-Ruder übernehmen. |
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