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Rubrik: Campus Life
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Publiziert: 30.06.2003 06:00

GfS-Umfrage: Gentech-Skepsis, aber Präferenz in der Anwendung
Gentechnologie: Ja, sofern sie nützt

Bei Schweizerinnen und Schweizern herrscht heute mehr Skepsis gegenüber Gentech als 1998, dem Jahr der Abstimmung über die Genschutz-Initiative. Wo die Gentechnologie einen klar erkennbaren Nutzen bringt, etwa in der Medizin, weicht die Zurückhaltung einer klaren Akzeptanz. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage des GfS-Forschungsintituts, die am Freitag in Bern vorgestellt wurde.

Von Norbert Staub

Es ist ein Thema, bei welchem ideologische Einstellungen und Emotionen besonders stark hineinspielen. Zudem sucht seine inhaltliche Komplexität ihresgleichen. Bei der Bio- und Gentechnologie erkennt der Politologe Claude Longchamp, Leiter des GfS-Forschungsinstituts, eine „latente Überforderung“. Will man also herausfinden, wie die Bevölkerung darüber denkt, ist differenziertes Hinsehen gefragt. Klugerweise nichts anderes hatte die Interpharma, der Interessenverband der Schweizer Pharmaindustrie, im Sinn, indem sie das GfS-Forschungsinstitut mit der Durchführung einer umfassenden Befragung zur Gentechnologie beauftragte. Der aktuelle „Gentech-Monitor“ zeigt: Es gibt kein pauschales Für und Wider; zwischen der Grundhaltung der Befragten und der Einstellung zu Einzelfragen ist genau zu unterscheiden.

Trend zur Skepsis

Was die generelle Haltung zu Gentech betrifft, so tendiert die Schweizer Bevölkerung laut der Studie zur Skepsis, und zwar in zunehmendem Mass. 53 Prozent sind „eher gegen“ Bio- und Gentechnologie. Nur 27 Prozent sind „eher dafür“. Ein Fünftel ist unentschieden. Dies mag angesichts der richtungweisenden Ablehnung der Genschutz-Initiative 1998 vielleicht überraschen, doch Claude Longchamp erstaunt es nicht, dass das Stimmungsbarometer in Schweiz wieder denselben Wert wie vor der Genschutz-Abstimmungskampagne anzeigt.

Denn nach Abstimmungserfolgen sei nicht selten ein Gegentrend zu beobachten. Heute rechnen laut Longchamp 77 Prozent der Befragten damit, dass von der Gentechnologie Gefahren ausgehen können. Immerhin assoziieren zwischen 50 und 60 Prozent mit Gentech auch die Begriffe „Chance“ und „Fortschritt“.

Pragmatiker entscheiden

Generell kristallisieren sich drei ähnlich grosse Gruppen heraus – ein laut Longchamp „recht typisches“ Bild für die Einstellung zu Technologien. Je etwa dreissig Prozent blicken konstant optimistisch, respektive pessimistisch in die Zukunft und liefern auch entsprechend kohärente Antworten. Ein Anteil von vierzig Prozent nimmt eine pragmatische Mittelposition ein, die sich fallweise und – besonders wichtig - je nach ersichtlichem Nutzen unterscheiden kann. Wenn man also auf einzelne Bereiche fokussiert, ändern sich die Mehrheiten schnell. Das zeigt sich vor allem bei den grossen Hoffnungen, die auf die Anwendung der Gentechnologie in der Medizin gesetzt werden. Solche hegen über 60 Prozent aller Befragten. Geht es um die Bekämpfung schwerer Krankheiten wie Krebs, springt die Zustimmung zur Gentechnologie gar auf über 80 Prozent.

Ein analoges Bild zeigt sich bei der Frage, ob Stammzellforschung erlaubt sein soll. Unterm Strich ergibt sich ein knappes Ja (42 Prozent dafür, 37 Prozent dagegen, 21 Prozent unentschieden). In gewissen Bereichen – so in der Reparaturmedizin – findet die Stammzellenforschung gar ein überwältigendes Mehr: 80 Prozent. „Generell gilt: Optimismus und Mainstream gehen einher, wenn es um die Bewertung von Gentechnologien in der Humanmedizin geht“, bilanziert das GfS-Institut.

Nein zu Gentech-Nahrung

Die Haltung zum Einsatz von Gentech im ausserhumanen Bereich ist geprägt von breiter Skepsis der Bevölkerung punkto Anwendung in der Landwirtschaft. Zwei Drittel lehnen dies eher ab. Zentraler Ausdruck davon ist die bei gleich vielen Befragten fehlende Bereitschaft, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu konsumieren.

Nur ein Fünftel würde Gentech-Lebensmittel konsumieren wollen – ein Tiefstwert, der letztmals 1997 erreicht wurde. Hier ortet Longchamp eine der „wichtigsten Blockaden“, welche die Haltung gegenüber Gentech in der Landwirtschaft allgemein bestimme.


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Die Einstellungen zur Gentechnologie müssen differenziert betrachtet werden: Claude Longchamp vom GfS-Forschungsinstitut gross

Freisetzungen nur von Forschung akzeptiert

Die Anwendung von Gentechnologie bei Pflanzen findet allerdings dann eine Mehrheit (55 Prozent), wenn sie zum Abbau des Dünger- und Pflanzenschutzmittel-Einsatzes beitrüge. Aus ETH-Sicht zentral ist die Haltung zu Freilandversuchen. Auch hier kehrt sich der Trend, wenn es ums Detail geht. Denn bleiben solche Versuche strikt auf Forschungszwecke beschränkt, so erscheinen sie mit 46 Prozent Ja zu 44 Prozent Nein laut Longchamp als „knapp akzeptabel“. Klare zwei Drittel jedoch wollen nichts von Freisetzungsversuchen wissen, wenn sie als Vorstufe für kommerzielle Nutzungen dienen.

Die Forschung geniesst bei der Bevölkerung bei aller Skepsis gegenüber dem Thema generell Kredit. Dass die die Gentechnologie für die Pharmaforschung eine Basis darstellt, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, wird von mehr als der Hälfte der Befragten gesehen und akzeptiert. Etwas unter 50 Prozent unterstützen die entsprechende Forschung von Agrochemie-Unternehmen.

"Hin- und hergerissen"

Umstritten sind Patentierungsfragen. Auch hier gilt, dass die Begründung über die Forschung am akzeptiertesten ist. Noch einmal ein Blick zur Medizin: Akzeptiert sind hier sowohl Grundlagen- wie angewandte Forschung (zu 58, bzw. 66 Prozent) und das Bestreben, das Spitzenniveau der Forschung in der Schweiz zu wahren (54 Prozent).

Alles in allem, hielt Longchamp fest, bleibe die Bevölkerung zwischen Pro und Kontra Gentechnologie „hin- und hergerissen“. Spontan reagiere sie eher negativ. Namentlich bei der grünen Gentechnologie wachse die Kritik im Zeitvergleich an. "Mit einer knappen Mehrheit von 46 zu 44 Prozent, die sich für Freilandversuche ausspricht, solange sie strikt auf die Grundlagenforschung beschränkt bleiben, ist die Forschung keineswegs auf der sicheren Seite", erklärt Claude Longchamp gegenüber "ETH Life". "Wenn die ETH und die anderen Forschungsanstalten die Akzeptanz der Schweizer Bevölkerung in diesem Punkt nachhaltig erhöhen wollen", so Longchamp weiter, "müssen sie ihre Anstrengungen darauf richten, die Grundhaltung zur Gentechnologie zu verbessern".

Knackpunkt persönlicher Nutzen

Für ihn liefere die Studie zwei aufschlussreiche Resultate, sagt ETH-Kommunikationschef Rolf Probala. „Eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer will, dass die Forschung zur Gentechnologie den nötigen Spielraum bekommt“, so Probala. Er sehe aber auch, dass es die grüne Gentechnologie heute schwerer hat als auch schon. „Dies liegt vor allem daran“ so Probala, dass für eine Mehrheit der Bevölkerung der Nutzen von gentechnologisch veränderten Pflanzen nicht erkennbar ist. Ohne erkennbaren persönlichen Nutzen wollen sich die Menschen jedoch nicht auf die Risiken einer neuen Technologie einlassen.“ Für die ETH gelte es, trotz des grossen öffentlichen Vertrauensbonus bei noch mehr Menschen das Vertrauen zu schaffen, dass die Forschung Antworten auf Fragen rund um die grüne Gentechnologie geben kann. Probala: „Dazu braucht es einen offenen und kontinuierlichen Dialog“.


Literaturhinweise:
Website des GfS-Forschungsinstituts mit den Details zum aktuellen „Gentech-Monitor“ 2003: www.gfs.ch/gen.html



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