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Rubrik: Frontpage Beyond New Public Mismanagement |
Published: 15.11.2006 06:00 Modified: 14.11.2006 22:52 |
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Leonhard Kleiser Wiä’s usecho isch z’Polytike (1) – das habt Ihr, werte Hofgesellschaft, in diesen närrischen Zeiten den Nachrichtenkanälen –- post festum auch diesem – entnehmen können. Das Drama hat sich mit atemberaubender Geschwindigkeit bis Anfang November auf das spektakuläre Ende hin entwickelt. Die regulären Geschäfte liefen und laufen unbeeinträchtigt weiter, aber der Schock sitzt uns noch in den Gemütern. Und einige Tolggen unlöschbarer Tinte werden in ein paar Reinheften bleiben, die nicht zuzuweisseln sind. In närrischen Zeiten leben wir in der Tat, wenn Untergebene sich selbst und ihre Institution unter Aufbietung enormer Anstrengungen gegen eine ungeeignete Führung verteidigen müssen. Der ETH-Rat teilt mit, man wolle die Lehren aus dem Vorgefallenen ziehen und das Auswahlverfahren für die Nachfolge des zurückgetretenen Präsidenten möglichst rasch einleiten. „Und es soll geprüft werden, ob am Verfahren Korrekturen vorzunehmen sind.“ (2) Das „ob“ verwundert. Es ist wohl sonnenklar, dass nach dem Drama, das im erzwungenen Rücktritt des Präsidenten kulminierte, der ETH-Rat nicht einfach zur gehabten Tagesordnung übergehen kann. Mit Staunen erfahren wir posthum, dass man bewusst einen „high risk“-Kandidaten gewählt hatte. Es muss uns beunruhigen, wenn der Chefkoch, der uns diese saure Suppe hauptverantwortlich eingebrockt hat, diesbezüglich wenig Einsicht zeigt (wohin mangelnde Einsicht führen kann, haben wir ja doch gerade erlebt). Ungläubig hören wir ihn sagen, die Wahl von Ernst Hafen sei kein Fehler gewesen, und ungerührt in die Mikrophone sprechen: „Me hät des Risiko gnoh, un jetz isch halt des Risiko zgross worde“ (wer hat es denn gefüttert?), um wenig später treuherzig weiterzufahren „… un mer wärde au oni wiiteres wiiterhin äs Risiko näh“ (3) . Müssen uns da nicht die Ohren klingeln und die Alarmsirenen schon wieder angehen? Auf eine derart ausgeprägte „Risikofreude“ würden wir noch so gern verzichten! Wenn schon Gambling, dann bitte im Spielcasino und auf private Rechnung. Die Forderungen der Professorenschaft nach Mitwirkung in dem Findungsprozess liegen auf dem Tisch und sind publik (4) : Einsitz in der Wahlkommission und Befragungen der Spitzenkandidaten. Darüber hinaus ist es höchst dubios, wenn der Chef der – mit allerlei Methoden – um dieselben Mittel konkurrierenden kleinen Schwesterschule in der Wahlkommission sitzt und auch dort die Gelegenheit erhält, die Fäden zu ziehen. Guter Rat ist teuer, heisst es – hoffen wir, dass guter ETH-Rat nicht unbezahlbar ist. Das einfache Narrengemüt fragt sich mit Verwunderung: heisst das „Aufsichtsgremium“ denn so, weil die Untergebenen es beaufsichtigen müssen? Wie bei den Hausaufgaben der Studenten gilt doch auch auf den Führungsebenen: Gut gemeint ist noch nicht gut gemacht – die Zensuren werden vergeben für den eingeschlagenen Weg und das erreichte Ergebnis. Noch einen GAU im Kraftwerk ETH können und wollen wir uns nicht leisten; die Rechnungen für den ersten sind noch nicht bezahlt (5) . Die Wahl eines Präsidenten sollte sich, mutatis mutandis, im übrigen an bekannten Grundsätzen orientieren, die schon für Professorenwahlen gelten. Ich zitiere vier Stellen aus einem vor Jahresfrist in der NZZ erschienenen Artikel: 1. „Mit Leitungsfunktionen in grösseren Bereichen sind in wachsendem Masse auch Führungs- und Sozialkompetenzanforderungen verbunden, deren Vernachlässigung sich rächen kann.“ … 2. „Werden nicht alle diese Dimensionen sorgfältig und gleichwertig geprüft, entstehen Überraschungen, die in besonders sensiblen Umfeldern (…) leicht zu dramatischen Auflösungen von Anstellungsverhältnissen führen.“ … 3. „Ein aktives Berufungsmanagement mit kurzen, klaren Dienstwegen erleichtert die erfolgreiche Entscheidung. Dabei spielt die Berufungskommission eine Schlüsselrolle. Sie ist so zusammenzusetzen, dass sowohl Fach-, Fachgruppen-, Führungs- und allgemeine Aspekte und externe Kompetenz zum Tragen kommen.“ … 4. „Dabei ist zu bedenken, dass erstklassige Berufungskommissionen erstklassige Leute vorschlagen, während zweitklassige Berufungskommissionen aus Konkurrenzangst erfahrungsgemäss drittklassige Leute vorschlagen.“ … Dem will ich hier nicht mehr hinzufügen als: Ich zweifle an einer menschlichen Gabe zur Prophetie - aber manchmal können einem sogar Zweifel an den eigenen Zweifeln kommen … – Ach ja, die Quelle? „Die Verantwortung für gute Professoren – Bedeutung und Kontext von Berufungsverfahren“, Autor: Prof. Ernst Buschor, „Seit Januar 2004 Vizepräsident des ETH-Rats (30-Prozent-Pensum)“ (6) . Einschlägiges Wissen ist also auch im ETH-Rat vorhanden. Waren oder sind die 30 Prozent vielleicht nicht ausreichend? Einige allgemeine Bemerkungen zu exekutiver Tätigkeit, auch innerhalb der ETH, seien hier angefügt.
Ein guter Slogan von "ETH 2020" hiess passend: Power to Competence, Entscheidungsbefugnisse dahin, wo die Sachkompetenz liegt. Umgekehrt gilt auch: wo Macht ist, muss die nötige Kompetenz vorhanden sein oder kooptiert werden. Die Einrichtung beratender Kommissionen ist eine gute Praxis, wenn deren Empfehlungen vor den Entscheidungen auch zu Rate gezogen (und nicht einfach im Papierkorb versorgt) werden. An der ETH ist ein ungeheures Kompetenzpotential vorhanden, von dem sich ein guter Teil auch aktivieren lassen sollte, wenn endlich Ernst gemacht würde mit einer administrativen Entlastung. (Ein „Rat der Vierhundert“ aus Professoren und führenden Stabsmitarbeitern als „ETH Think Tank“ wurde der Schulleitung bereits zu Jahresbeginn vorgeschlagen.) Leider gibt es nicht wenige Beispiele, bei denen den genannten Grundsätzen guter Praxis nicht Folge geleistet wurde, letztlich zum Schaden aller. Wenn sich fachlich-sachlicher Kompetenzmangel und Machtarroganz paaren, führt das meist zu keinem guten Ende. Demonstrationsexperimente bekommen wir immer wieder vorgeführt. Und noch eins: Filz ist gut für Hüte – nicht aber für die Besetzung von Arbeitsgruppen, Wahlkommissionen, Evaluationsteams und Aufsichtsgremien. Zum Schluss noch ein Mümpfeli auch für die Asterix-Fangemeinde. Bekanntlich war Obelix als Kleinkind in Miraculix’ Zaubertrank-Kessel gefallen und dadurch lebenslang mit übernatürlichen Kräften ausgestattet. Wenn nun es zutrifft, dass unser Osterwaldelix ebenso schon seit jungen Jahren vom Zaubertrank der „ETH-Kultur“ durchdrungen ist, und er mit Gugerlix und seinen Mannen zusammenspannt, so können wir mit grosser Zuversicht in die nähere Zukunft schauen. Er wird sich dann auch weder im abschüssigen Gelände des Zürcher Häldeliweges noch bei starken westlichen Winterstürmen die Butter vom ETH-Brot stehlen lassen. Kommenden Samstag ist ETH-Tag. Ich stelle mir vor, dass dann das eine oder andere Glas irdischen Tranks auf eine stabil verwurzelte, erfolgreiche, gesunde, moderne, einige und starke ETH gehoben werden wird: Vivat, Crescat, Floreat!
I Footnotes:
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