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Rubrik: Im Gespräch
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Publiziert: 07.06.2001 06:00

ETH-Forscher finden in Hühnern ein ähnliches Prionprotein wie beim Rind
Tiermehlproblem ins Ausland verlagert

Forschende der ETH Zürich stellten beim Huhn eine ähnliche Struktur des Prionproteins wie bei Rindern fest. Dieses Resultat erwähnte Biophysiker Kurt Wüthrich kürzlich in einem Vortrag - ohne zu ahnen, welche Reaktion er damit auslöste. - "Nun droht der Hühnerwahn" titelte die SonntagsZeitung. Wüthrich nimmt Stellung, mahnt zur Vorsicht und kritisiert, den auch heute noch bedenklichen Umgang mit Tiermehl im Ausland.

Von Regina Schwendener

Die ETH-Forschungsgruppe um Professor Kurt Wüthrich hat am Institut für Molekularbiologie und Biophysik herausgefunden, dass die Struktur des Prionproteins beim Huhn sehr ähnlich ist wie beim Rind oder anderen Säugetieren. Die wissenschaftlichen Resultate sind noch nicht publiziert, aber Bemerkungen zum Forschungsergebnis machte Kurt Wüthrich kürzlich in einem Vortrag vor dem Cercle des Chefs de Cuisine in Zürich, als er versuchte die Sorgen der Zürcher Küchenchefs in Bezug auf BSE und Rindfleisch etwas zu mildern. Aus den Ausführungen Wüthrichs schloss die SonntagsZeitung, dass sich nun zum Rinder- der Hühnerwahn gesellen könnte (1). - Panikmache? "Die Schlagzeilen machen nicht wir Wissenschaftler", meint Wüthrich trocken. "Ich verstehe die Sorge der Konsumenten. Ich glaube aber, dass diese in Bezug auf den Verzehr von Geflügel sicher nicht grösser sein muss als beim Verzehr von Fleisch irgendwelcher Säugetiere", so der Biophysiker.

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Wüthrich: "Die Schlagzeilen machen nicht die Wissenschaftler." gross

"Altlasten nicht zu befürchten"

"Die Zeit des Generationenwechsels von Hühnern ist kurz. Da wird kaum noch ein vor dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Tiermehlfütterungsverbot geborenes Huhn bei uns auf den Tisch kommen", vermutet Professor Wüthrich. Damit dürften in der Schweiz mögliche Altlasten bereits verspeist sein. Aufgrund der Forschungsergebnisse, die nun in einer wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht werden, empfiehlt Wüthrich, dass bei den Hühnern die gleichen Vorsichtsmassnahmen beim Einsatz von Fleisch in der menschlichen Nahrungskette gelten müssen wie bei Säugetieren - Schafen, Pferden, Schweinen oder Geissen. "Es scheint mir wichtig, dass wir im jetzigen Moment nicht einfach Rindfleisch oder Hühnerfleisch verteufeln, sondern dass wir ganz sachlich auf die potenzielle Gefährdung hinweisen, die weiter verbreitet sein könnte als wir heute wissen", so Wüthrich. In diesem Zusammenhang weist er darauf hin, dass er Kenntnis davon erhalten habe, dass Tiermehl, das in der Schweiz nicht mehr verfüttert werden darf, jetzt auf den Philippinen zur Zucht von Crevetten verwendet werden soll, die dann ja bekanntlich auch wieder auf europäischen Tellern landen – wie die Hühner aus China.

Was ist ein Prion?

Prion ist der Name für ein infektiöses Teilchen wie ein Bakterium oder ein Virus. Niemand kann bis heute mit Sicherheit sagen, was ein Prion ist. Kurt Wüthrich betont, dass man überhaupt noch sehr wenig über die Vorgänge verstehe, welche die Prionen-Krankheiten auslösen, ausser, dass nur Organismen erkranken können, welche selbst die gesunde Form des Prionproteins produzieren.


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Forschende der ETH Zürich stellten beim Huhn eine ähnliche Struktur des Prionproteins wie beim Rind fest.

Hier stelle sich in der sehr langen Inkubationszeit – Jahre bis Jahrzehnte - ein grosses Problem. So könne im Moment nur vermutet werden, dass es eine nicht bekannte Anzahl von Lebewesen gibt, die angesteckt sein könnten, aber noch keine Ansteckungssymptome zeigen würden. Die bisher angewandten Methoden zum Nachweis einer Prion-Erkrankung beschränkten sich auf den toten Organismus. Wüthrich weist auf die grosse Bedeutung der Entwicklung neuer Methoden hin, mit denen eine Diagnose schnell und zuverlässig am lebendigen Körper durchgeführt werden könnte.

Tatsachen und Hypothesen

Den Forschenden stellt sich auch insofern ein grosses Problem, als sie nicht wissen, welche Funktion ein gesundes Prionprotein im gesunden Körper ausübt. Kenntnis der natürlichen Funktion des Prionproteins könnte neue Hinweise über die Art und Weise geben, wie die Prionen-Krankheiten entstehen. Wüthrich erklärt, dass das Prionprotein wie anderen Proteine im Körper laufend auf- und abgebaut wird. Im gesunden Körper werden die Abbauprodukte ausgeschieden, zum Beispiel über den Harn. Sobald eine Prionen-Krankheit ausgebrochen sei, findet man das Prionprotein in zusammengeklumpter Form in Ablagerungen im Hirn. Es wird also nicht mehr ausgeschieden . "Das ist eine ganz klar bewiesene Tatsache", betont der Biophysiker. Was aber nicht bewiesen ist, ist die sogenannte ‚Nur-Protein-Hypothese‘, nach der die zusammengeklumpte, veränderte Form von Prionproteinen der krankheitsauslösende Teil der Ablagerungen im Hirn ist. Wüthrich weiter: "Wir verfolgen mit unserer Arbeit eine Richtung, die sich darauf abstützt, dass die Anwesenheit von gesunden Prionproteinen im Organismus die Voraussetzung dafür bildet, dass der Organismus erkranken kann." Er gehe nun von der Annahme aus, dass grundsätzlich jeder Organismus infiziert werden kann, der ähnliches Prionprotein erzeugt wie das Rind oder der Mensch, erklärt Wüthrich. Um das Ausmass der möglichen Gefährdung besser abschätzen zu können, werden die Strukturen der Prionproteine einer grösseren Auswahl von Tieren untersucht und verglichen. Das Prionprotein des Huhns ist nun die erste Struktur, die nicht von einem Säugetier stammt.

Wie hält es Kurt Wüthrich selbst mit dem Genuss von Fleisch? – Hühnerfleisch weniger, Rind lieber, aber wenn, dann vor allem in den USA. "Das hat jedoch kulinarische Gründe", gesteht er abschliessend lachend.


Literaturhinweise:
Freitags-Interview mit dem Prionenforscher Kurt Wüthrich vom 8.Dez.2000: "Ansteckung übers Schwein nicht ausgeschlossen": www.ethlife.ethz.ch/interview/show/BSEInterviewmitWthr.html
Freitags-Interview mit dem Prionenforscher Adriano Aguzzi zum Rinderwahnsinn: "Die Gefahr lauert im Menschen": www.ethlife.ethz.ch/interview/
DRS1: Sendung Espresso: Kurt Wüthrich und das Bundesamt für Veterinärwesen zum "Hühner-Wahnsinn": www.drs.ch

Fussnoten:
(1) SonntagsZeitung vom 3. Juni 2001: "Nun droht der Hühnerwahn": www.sonntagszeitung.ch



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