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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 05.12.2002 06:00

Doktorat? Es geht auch anders

Von Mathias Egloff

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Seit ich selber welche schreibe, lese ich häufiger Kolumnen. So auch die letzte Mittwochskolumne von Mathematik-Professor Richard Pink (1), in der er auf die Schreiberin der Kolumne davor (Katja Wirth) reagiert hat. Auf seine Kolumne möchte ich nun meinerseits antworten. Die von Richard Pink ins Feld geführte Unterteilung in Assistierende und Doktorierende ist ziemlich unerheblich, ja geradezu akademisch. Daraus eine Begründung abzuleiten für die Höhe des Salärs, finde ich - gelinde gesagt - kühn, wenn es jemand tut mit einem Professorenlohn, der an der ETH über 250'000 Franken pro Jahr einschenkt.

Niemand wird allen Ernstes bestreiten wollen, dass Doktoriende in ihrem Fachgebiet kompetenter sein können als ihre Doktorväter oder -mütter. Und genauso gut wissen wir, dass die akademische Laufbahn Phasen der Selbstausbeutung mit sich bringt, wenn sie sich nicht gar darin erschöpft. Ein erfolgreicher Molekularbiologieprofessor hat es mir und seinen Assistenten gegenüber einmal so gesagt: Die Doktoranden stehen im Labor und machen die Forschung, und die Professoren telefonieren den ganzen Tag in der Welt herum. Man darf mir glauben, dass ich nicht Gefahr laufe, die Wichtigkeit solcher Telefonate zu unterschätzen, aber der Satz nimmt eben auch eine realistische Einschätzung vor von dem, worum es hier geht: wissenschaftliche Arbeit, egal wie man sie nennt, wird vom Mittelbau verrichtet. Punkt. (Wer noch Zweifel hat, sollte sich z.B. vorstellen, wie gut Spitäler wohl funktionieren ohne Assistenzärzte.)

Es ist deshalb verdienstvoll von Katja Wirth, sich in diesem labilen System, bei dem sich fast alle Randbedingungen für den Mittelbau laufend verschlechtern, in die Tabuzone Lohn gewagt zu haben. Ich glaube auch, dass der Lohn keinen überragenden Anteil an der Motivation hat zu doktorieren. Wenn er aber so klein ist, dass er weitere Verzichte mit sich bringt, dann wird es irgendwann eng. Es wäre aber nicht nachhaltig, darauf zu bauen, dass die Zeiten immer mal wieder so schlecht sind, dass man genügend Assistierende findet.

Etwas erstaunt bin ich ob der Aufforderung des Professors an das Milchmädchen, sich an der eigenen Nase zu nehmen. Neige ich doch entschieden dazu, ihre Rechnung als weit realistischer zu erachten. Am Ende eines Doktorats ist man eben schon viel zu alt, um gegenüber seinen Altersgenossen noch aufholen zu können; die verdienen, seit sie 16 sind.

Nein, die seriösen Studien gehen davon aus, dass Studieren eine sehr schlechte Bildungsrendite abwirft. Besser sind Berufslehren und kürzere Weiterbildungsqualifikationen. Am besten sind Ausbildungen on the Job - ausser an den Hochschulen. Wenn man obendrein noch eine Familie hat, womöglich noch mit Kindern, ist man mit einem Assistierendenlohn auch Mitte dreissig noch armutsgefährdet. Als Verkäuferin bei der Migros hätte man wenigstens ein garantiertes Mindesteinkommen von 3'500 Franken.


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Mathias Egloff gross

In Wirtschaft und Verwaltungen wird heute auf Doktortitel fröhlich gepfiffen, genau wie auf militärische Dienstgrade. Worauf es hingegen ankommt, sind methodische Kenntnisse und Erfahrung im Projektmanagement. Dafür ist ein Doktorat sicher keine schlechte Voraussetzung, aber es geht auch anders.

Und die Aussichten auf Stellen im akademischen Bereich? In meinem Jahrgang hatten etwa 120 Studierende Biologie angefangen. Jetzt, 20 Jahre später ist noch immer keineR in Zürich ProfessorIn (weder an der Uni noch an der ETH, und sonst wo weiss ich auch niemand). Ich schätze mal, dass einige Dutzend Professuren neu besetzt wurden in dieser Zeit im Bereich Biologie auf dem Hochschulplatz Zürich. Die Aussichten auf eine Professur stehen also aktuell für einEn StudienanfängerIn bei Null. Und da die meisten meiner KommilitonInnen wohl auch 40 Jahre alt geworden sind, ist der Sack jetzt wahrscheinlich zu, denn mit 40 muss man schon Professor sein, um es noch zu werden.


Zur Person
Der 40-jährige Winterthurer Mathias Egloff hat an der Uni Zürich Zoologie studiert. Seine Welt waren jahrelang die Fische, genauer: der Barsch oder Egli. In seiner Dissertation ging es um das Überleben der Eglilarven und die Rolle, die der erste Vorgang der Schwimmblasenfüllung darin spielt. Sein Engagement für Umwelt- und Konsumfragen führte Mathias Egloff zum WWF: dort erstellte er den Schweizer Teil des “Water and Wetland Index", eine von Managementmethoden abgeleitete europaweite Erhebung über den Zustand von Gewässern und Feuchtgebieten. Weiter engagierte Egloff sich bei der Gründung der Labels „Marine Stewardship Council“ und „fair-fish“. Sein heutiges Wirkungsfeld sind die Systemdienste der ETH, wo er auf die Betreuung von Mac-Usern spezialisiert ist - und nicht weniger Herzblut investiert.



Die ETH-Life-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung. Diese muss nicht mit der Haltung der Redaktion übereinstimmen.

Fussnoten:
(1) Die Kolumne "Assistieren und Doktorieren - eine überfällige Begriffsklärung": http://www.ethlife.ethz.ch/articles/kolumne/rpinkkol3.html



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