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Rubrik: Mittwochs-Kolumnen |
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Zugzwang |
Anders Hagström Die ETH Zürich hat sich die Internationalisierung der Lehre, insbesondere der Graduiertenstufe, auf die Fahne geschrieben. So what? – hatte die ETH doch immer eine ausgeprägt internationale Ausrichtung. Im 19. Jahrhundert waren zeitweise bis zu sechzig Prozent der Diplomstudenten (Studentinnen waren äusserst rar) aus dem Ausland. Heute sind mehr als die Hälfte aller Doktorierenden nicht-schweizerischer Nationalität. Bei den Professorinnen und Professoren ist der Anteil noch grösserer. An europäischen Hochschulen sind internationale Programme auch nichts Neues. So hat unsere IDEA-League-Partnerin TU Delft schon 1997 MSc-Programme auf Englisch eingeführt – nota bene: pre-Bologna. In Frankreich ist der Katalog der «formations en langue anglaise» an den Universitäten und«grandes écoles» mittlerweile 130 Seiten dick. Und jetzt kommt auch die ETH Zürich mit Master-Studiengängen auf Englisch. «Big deal» also? Ziemlich gross ist der Deal schon. Denn die ETH hat nicht vor, zusätzliche, separate Programme für ein ausländisches Publikum anzubieten. Vielmehr sind wir dabei, unseren ganzen Lehrbetrieb zu internationalisieren. Dies bedeutet eine grosse Umstellung für Dozierende und Studierende, aber auch – und insbesondere – für den administrativen Bereich. Denn anders als die Doktorierenden, die meistens durch ihre Anstellung von einer persönlichen Betreuung profitieren können, sind die antretenden Masterstudierenden noch keiner Forschungsgruppe zugeordnet. Ebenso sind ihre Bedürfnisse in manchen Fragen des ETH-Studiums durch die regulären Dienstleistungen schlecht abgedeckt. Das Studienangebot ist nicht das Problem. Mit dem letzten Wintersemester haben die ersten neun Masterprogramme gestartet, davon vier mit Englisch als hauptsächlicher Unterrichtssprache. Nächsten Herbst folgen sechzehn weitere Studiengänge, davon fünf neue, spezialisierte Masters. Hingegen schienen im letzten Herbst manche Dienstleistungen für die neuen «graduate students» noch vom Jubiläumsmotto «welcome tomorrow» geprägt. Auf den grossen Schub im kommenden Herbst sollte die Hochschule besser gerüstet sein. Eine dringende Verbesserung besteht darin, die Abläufe zwischen den Departementen und der Zulassungsstelle zu optimieren. Nur so können wir grössere Zahlen von ausländischen Masterbewerbungen meistern. Ende März schaltet das Rektorat eine neue Webplattform online. Sie soll die Website für internationale Studierende, www.study.ethz.ch, ergänzen und den Eintritt ins Masterstudium aus dem Ausland erleichtern.
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Im kommenden Herbst werden dann die ersten Wohnhäuser für ausländische Masterstudierende in Betrieb genommen. Damit soll der künftigen indischen ETH-Masterstudentin die fast unlösbare Aufgabe erspart bleiben, ein Zimmer in einer Zürcher WG von Bangalore aus zu finden. Die Unterstützung im Umgang mit Behörden (Stichwort Migrationsamt), das Stipendienwesen, die Zweisprachigkeit von Weisungen und Reglementen, die Webapplikationen für den Lehrbetrieb sind weitere Baustellen, auf denen sich in diesem Jahr erste Resultate präsentieren werden. Ich habe manchmal das Gefühl, die ETH sei ein Schnellzug, der schon in voller Fahrt ist, während die Geleise erst gelegt werden. Die Bahnarbeiten müssen schneller ans Ziel kommen als der Zug. Das ist wohl, was man Zugzwang nennt?
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