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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 23.02.2005 06:00


Frauen und Technik? – Frauen und Technik!

Gott sei Dank gehören Sprüche wie "Frauen und Technik – zwei Welten prallen aufeinander!“ längst der Vergangenheit an. Vorstellungen wie "arbeitende Mütter sind Rabenmütter“ sind längst passé, ebenso wie die Meinung, man(n) kann nur Karriere machen, wenn ihm frau den Rücken freihält. Oder irre ich mich da? Ist hier nicht eher der Wunsch Mutter (oder vielleicht auch Vater) des Gedankens? Nein, sicher nicht.

Allerorts, sowohl in der Schweiz als auch zum Beispiel in Deutschland, gibt es viele Projekte, die Mädchen und junge Frauen zur Wahl eines technischen Berufs, egal ob als Lehrberuf oder mit Studium, ermutigen sollen. "Maidli-Tag“, "Girls-Day“, "Techno-Girls“, "Mittelschülerinnen-Tag“, wie auch immer: engagierte Projekte, motivierte Organisatoren und Organisatorinnen sind bereit, die Anzahl weiblicher Kräfte in der Technik zu fördern. "Mädchenförderung“ in Schulen zum Beispiel wird in den Augen vieler bereits sogar schon wieder als ungerecht gegenüber Jungen beurteilt. Also - wo sind die steigenden Zahlen der weiblichen Studierenden in den Ingenieurfächern, allen voran Maschinenbau, Elektrotechnik und Bauingenieurwesen? Warum liest man immer noch in den Medien von "einsamen Kämpferinnen an der Spitze“, von der "immer noch dünnen Luft - besonders in Schweizer Chefetagen“? Warum sind immer noch nur lediglich 7 Prozent der Professoren an der ETH weiblich, obwohl 22,5 Prozent der Doktorierenden und 29,1 Prozent der Studierenden weiblich sind (Zahlen aus dem Jahresbericht 2003 der ETH Zürich)?

Sie haben die gleiche Ausbildung, doch bei der Karriere ziehen sie den Kürzeren: Frauen in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern sind beruflich im Schnitt weniger erfolgreich als ihre männlichen Kollegen. Sie tun sich beim Berufseinstieg und beim Stellenwechsel schwerer und hinken den Männern auch im Job hinterher: Sie haben seltener Führungspositionen und verdienen im Schnitt (immer noch) weniger.


Zur Autorin

Sie ist es gewohnt, ihren Weg abseits des Mainstream zu gehen. Aufgewachsen in der Lüneburger Heide, war Rita Hermanns Stengele eigentlich ein Sozialberuf vorgezeichnet. Sie entschied sich aber für ein Bauingenieur-Studium in Braunschweig, als eine von damals ganz wenigen Frauen. An die ETH kam sie Ende der achtziger Jahre über ihr Spezialgebiet Altlastensanierung und Deponietechnik, das in der Schweiz rasch an Aktualität gewann. 1992 erfolgte das Doktorat im Fachbereich Geotechnik, dann der Schritt in die Wirtschaft und 1997 die Berufung zur ETH-Assistenzprofessorin für Umweltgeotechnik. Mit dem Tonmineralogischen Labor der ETH führte Rita Hermanns Stengele einen ausgewachsenen Betrieb mit fünf Doktoranden.

Kürzlich hat die Mutter einer zehnjährigen Tochter eine neue Aufgabe angepackt: die Übernahme des Zürcher Beratungsbüros für Geotechnik, Altlasten und Umwelt FriedliPartner AG. Rita Hermanns Stengele engagiert sich zudem im Vorstand des SVIN (Schweizerischer Verband der Ingenieurinnen) und beim SIA (Schweizer Ingenieur- und Architekten-Verband), wo ihr Interesse speziell dem Nachwuchs gilt. Einblick in die unterschätzte Reichhaltigkeit ihres Berufs zu geben, das sei ein Ziel, das sie auch mit Besuchen in Primarklassen (im Rahmen des v.a. von der Migros getragenen „KidsInfo“) zu erreichen versucht. Mehr weiblicher Einfluss würde der nach wie vor männlich geprägten Bauwelt gut tun, meint sie. Parkhäuser, Unterführungen und andere Infrastruktureinrichtungen würden anders aussehen, wenn bei deren Konzeption mehr Frauen mitreden könnten.




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ETH-Life-Kolumnistin Rita Hermanns Stengele ist neben ihrer Lehrtätigkeit am Institut für Geotechnik Mehrheitsaktionärin am Zürcher Beratungsbüro für Geotechnik, Altlasten und Umwelt FriedliPartner AG.

Und das, obwohl Frauen, zumindest in Deutschland (in der Schweiz wird es ähnlich aussehen), gemäss ersten Ergebnissen eines Projektes an der Technischen Universität in Darmstadt die besseren Startbedingungen haben: Ihre Abiturnote ist in der Regel besser, sie waren öfter im Ausland und sie kommen häufiger aus einem Ingenieur- oder naturwissenschaftlich geprägten Elternhaus als Männer. Trotz vielseitiger Anstrengungen ist es Fakt, dass viele Frauen, wenn sie sich für Kinder entscheiden, einen Karriereknick in Kauf nehmen. Nehmen müssen? Eines der Probleme im Spannungsfeld zwischen Familie/Kind und Beruf sind sicher immer noch die Betreuungsengpässe von Kindern, nicht nur in der Kleinkindphase. Ermutigend sind hier die Projekte in Zürich, weitere Krippenplätze zu schaffen. Doch auch im Schulalter fehlen Betreuungsmöglichkeiten an allen Ecken und Enden. Würden die Zahlen von Frauen in technischen Berufen tatsächlich steigen, wenn diese Probleme gelöst wären? Will unsere Gesellschaft diese Gleichstellung wirklich? Manchmal wage ich, dies zu bezweifeln. Warum werden Männer immer noch als "Softis“ oder als "zu wenig ehrgeizig“ angesehen, wenn sie zum Beispiel nach der Geburt ihres Kindes das Arbeitspensum reduzieren möchten, und sei es nur um 20 Prozent? Warum wird es Frauen, die Teilzeit arbeiten, nicht gerade leicht gemacht, in Führungspositionen zu gelangen? Warum werden Modelle, wie das Top-Sharing, nicht in höherer Anzahl umgesetzt?

Trotz alledem: Ein Ingenieur-Studium lohnt sich für Frauen meiner Meinung nach auf jeden Fall. Im Job werden Frauen von einem höheren Frauenanteil profitieren. Je mehr Frauen in solchen Berufen Fuss fassen können, desto weniger ist die Arbeitskultur männlich geprägt.

Wie kann man nun also Mädchen und junge Frauen ermutigen, einen so vielseitigen Beruf wie Ingenieurin zu ergreifen? Viele Mädchen meinen, Frauen und Technik passen nicht zusammen. Dabei muss man im Ingenieurberuf, gerade wenn man eine Leitungsfunktion inne hat, mit Menschen umgehen, führen und ein Team organisieren können. Das sind Dinge, in denen Frauen im Allgemeinen sehr gut sind. Ganz wichtig jedoch: Es braucht (sichtbare) Vorbilder! Und es gibt mittlerweile viele von ihnen: in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und sicher bereits auch in vielen Familien, in denen dieses Rollenverständnis vorgelebt wird.

Ich bin gern Ingenieurin. Ich engagiere mich gern in den eingangs erwähnten Projekten zur Nachwuchsförderung im Allgemeinen und Frauenförderung in technischen Berufen im Speziellen, und ich bin sicher, dass, wenn alle am gleichen Strick ziehen, wir auch gute Erfolge erzielen werden. Selbst kleine Erfolge sind Erfolge!




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