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ETH - Eidgenoessische Technische Hochschule Zuerich - Swiss Federal Institute of Technology Zurich
Rubrik: Mittwochs-Kolumnen
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Publiziert: 24.03.2004 06:00

Man sollte...

Von Martin Näf

Ich kann gar nicht verstehen, warum immer wieder beklagt wird, die junge Generation interessiere sich nicht mehr für Politik. Wenn ich im Tram sitze, höre ich regelmässig mit einem Ohr bei engagierten Diskussionen mit. Da werden fleissig Kulturzentren geplant, Gesetze abgeschafft und mehr Rechte gefordert, die Finger zielgerichtet auf Ungerechtigkeiten gelegt und Toleranz geübt. In den Cafeterias der Uni und ETH genau dasselbe Bild: Die Schwachstellen des Systems sind weit herum bekannt, und Ideen zur Verbesserung gibt es im Übermass - Aktion: 3 für 2, und dann noch eine extra! Man sollte und könnte so vieles verbessern! Natürlich informiert sich jedermann auch fleissigst über die aktuellen Vorgänge an der eigenen Institution - man schaue nur, wie viele Studierende in den Computerräumen täglich "ETH Life" lesen.

Zugegeben, das mit den Informationen war wohl etwas optimistisch. Die Informationskanäle vor allem innerhalb der Departemente laufen ein klein wenig anders: "Buschtelefon statt Intranet" beschreibt es wohl recht treffend. Wer sucht, der findet - oder besser, er oder sie kennt jemanden, der jemanden kennt, der oder die ein Teil der Infos hat. "Ravensburger Puzzle für Anfänger mit 5000 Teilen" kommt mir spontan in den Sinn...

Doch zurück zu den Ideen zur Verbesserung der Welt, oder vielleicht auch nur der eigenen Schule. Die freie Verfügbarkeit der Ideen - auch wenn natürlich alle alles selber viel besser wissen - macht Mut. Man müsste nur die ganzen Ideen sammeln, auf einen gemeinsamen Nenner bringen und Umsetzen, und schon wäre manches Problem gelöst. Prima.

Der geneigte Leser mag festgestellt haben, dass ich hier im Konjunktiv schreibe. Auch bleibt die "man" Form recht unverbindlich - womit ich wieder beim Titel der Kolumne angelangt bin. Die Emotionalität und das Engagement bei den Mittagsdiskussionen stehen im krassen Gegensatz zur Bereitschaft, auch tatsächlich etwas bewegen zu wollen. Mit "man" ist leider immer "jemand" gemeint, wobei die Option "ich" ausgeschlossen bleibt.

Die Hitparade der Ausreden, warum jemand anders die Arbeit machen soll, wird angeführt vom Spruch "ich habe keine Zeit". Stimmt. Zeit hat man nicht, man nimmt sie sich. Solange das persönliche Wohlergehen über dasjenige der Gesellschaft gestellt wird, hat man nie Zeit für Politik. Dabei liesse sich die Zeit für eine kleine Kommissionstätigkeit problemlos mit einem Kino-Besuch weniger pro Monat erkaufen. Zugegeben, für das Organisieren und Schreiben des "Survival Guides for Ph.D. Students" gingen ein paar Kino-Besuche mehr drauf.

Da kommt also die Frage nach dem Sinn und Motivation, und damit die Standardantwort "ich kann ja doch nichts ändern". Spätestens seit ich meinen Vorschlag aus einer Vernehmlassungsantwort fast wörtlich im Personalreglement wiedergefunden habe, weiss ich, dass das zumindest an der ETH nicht stimmt. Ach ja, die "60% Regelung" für Doktorierende kam auch nicht vom Himmel herab.


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Martin Näf, Doktorand der Informatik und derzeit "ETH Life"- Kolumnist.

Ich könnte die Liste der Entschuldigungen beliebig weiterführen und widerlegen, es bleibt immer beim selben Schema: Ja, es macht nicht immer Spass. Nein, die Türen sind nicht grundsätzlich verschlossen, und es ändert sich nichts, wenn man nicht selber den Anstoss dazu gibt. Das gilt sowohl im Kleinen wie auch im Grossen - Bundespolitik wird auch nur von normalen Menschen gemacht. Es muss auch nicht immer Politik sein. Wer schon versucht hat, ein Fest oder eine andere Dienstleistung für die Gemeinschaft zu organisieren, kennt die obigen Ausreden bei der Suche nach Mitstreitern zur Genüge.

Auch wenn die meisten Leser dieser Kolumne wohl bereits zum aktiven Prozent der Bevölkerung gehören, hoffe ich dennoch, einige mehr mit dieser Kolumne dazu angestachelt zu haben, dass man sich gelegentlich bei der Nase nimmt und aus dem "man sollte" ein "ich werde" macht.


Zur Person

Dass er Informatiker wird, stand für ihn immer fest. Martin Näf, Doktorand am ETH-Computer Graphics Laboratory hantierte schon als Elfjähriger mit einem programmierbaren Taschenrechner, mit 15 entwickelte er kommerzielle Software und verdiente damit sein erstes Geld. Dennoch: Technik in Reinkultur wäre ihm zuwenig. „Ich bin halt zu sehr auch Sinnesmensch“, sagt er. In der Virtual Reality hat er darum sein ideales Tummelfeld gefunden. Für seine Doktorarbeit hat Martin Näf die die Softwareschnittstelle zur Applikation von „The blue-c“ entwickelt, dem grossen ETH-Projekt, das den Weg zur Telekonferenz der nächsten Generation aufzeigt. Mit „blue-c“ kann man dereinst in Zürich eine Person auch dann dreidimensional begrüssen, wenn diese sich in Santa Barbara aufhält.

Leidenschaftlich betreibt Martin Näf sein Hobby, die elektronische Musik. Im hochgerüsteten Heimstudio produziert er Ambient-Klänge von beeindruckender Qualität. Im Frühjahr 2004 beginnt für ihn ein neuer Lebensabschnitt: dann wird er 30, und etwa gleichzeitig sollte seine Diss fertig sein. Nach neun Jahren ETH und viel Engagement für Gremien wie die AVETH, den SSD und die Unterrichtskommission des Departements Informatik hat Martin Näf nun einen Postdoc in fernen Landen im Visier.






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