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Rubrik: News
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Publiziert: 16.06.2005 06:02

Alumni Business Event mit Jakob Kellenberger
Alarmierendes Wachstum

(fw) Wie man ein Unternehmen erfolgreich auf Kurs hält, darüber berichten hochkarätige Manager jeweils an den regelmässig stattfindenden ETH Alumni Business Events. Gestern Mittwoch stand nun für einmal ein aussergewöhnliches "Unternehmen" im Vordergrund. Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), berichtete vor den Ehemaligen, wie die Hilfsorganisation die Herausforderungen bei humanitären Aktionen in Konfliktgebieten bewältigt. "Über die Hälfte unseres Budgets wenden wir für direkte Hilfsoperationen auf", erklärte der frühere Schweizer Staatsekretär. "In vielen Konfliktgebieten sind wir die einzigen, die Zugang zu den gefährlichen Regionen haben."

In den letzten Jahren ist das IKRK stark gewachsen. "Mitte der achtziger Jahre arbeiteten 1800 Menschen für das IKRK. Dieses Jahr sind es mehr als 17'000." Wäre das IKRK ein normales Unternehmen, so wären diese Zahlen durchaus erfreulich. Doch für Jakob Kellenberger sind sie alarmierend, zeigen sie doch, dass sich die humanitäre Situation in den letzten Jahren verschlechtert hat.

Mehr Bürgerkriege

Tatsächlich operiert das IKRK heute in einem stark veränderten Umfeld. "Gegenwärtig gibt es keinen aktiven zwischenstaatlichen Krieg", erklärt Kellenberger. "Dafür sind wir in zahlreichen Bürgerkriegen engagiert." Solche Konflikte zeichnen sich durch verschiedene Besonderheiten aus. "Im Bürgerkrieg wird mehr gelitten als gekriegt", meint Kellenberger pointiert. "Die Konfliktpartien gehen sich häufig aus dem Weg und vermeiden die direkte Konfrontation. Dafür operieren sie umso rücksichtsloser auf dem Rücken der Bevölkerung. 90 Prozent der Opfer sind Zivilisten, grösstenteils Frauen, Alte und Kinder." Die Parteien in solchen Konflikten haben zum Teil keine Ahnung von den Regeln des Völkerrechts, zum Teil foutieren sie sich auch ganz einfach darum. Erschwert wird die Arbeit der Hilfsorganisation oft auch durch den Umstand, dass mehrere Parteien mit unklaren Kommandostrukturen beteiligt sind.

Zwischen den Fronten

Will man als Organisation erfolgreich in einer Krisenregion helfen, muss man die Konflikte auf der lokalen Ebene sorgfältig studieren. Ein besonderes Spannungsfeld ergibt sich heute durch die Rivalität der islamischen und der westlichen Welt. "50 Prozent der Ausgaben tätigen wir in islamischen Ländern", erklärt Jakob Kellenberger. "Gleichzeitig wird unsere Organisation grösstenteils vom Westen finanziert." Vor diesem Hintergrund sei es eine grosse Herausforderung, nicht in den Verdacht einseitiger Parteinahme zu geraten. "Kürzlich wurden wir in einer Publikation des amerikanischen Senats verdächtigt, anti-amerikanisch zu sein. Am gleichen Tag beschuldigte uns eine Zeitung in Khartum, wir seien pro-amerikanisch."


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Jakob Kellenberger, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). gross

Druck von der Basis

Als grossen Vorteil betrachtet Kellenberger, dass das IKRK auf der obersten Führungsebene nur aus Schweizern besteht. "Damit können wir uns zeitraubende politische Diskussionen ersparen. Allerdings wird die mono-nationale Zusammensetzung gerade von den Amerikanern zunehmend mit Argwohn betrachtet."

Auf der operationellen Ebene sei eine der grössten Herausforderungen, zu entscheiden, wie lange die Mitarbeiter in einem Konfliktgebiet bleiben sollen. "Wir spüren in der Zentrale in Genf einen enormen Druck der Mitarbeiter, die auch in kritischen Phasen unbedingt im Land bleiben wollen. Aus diesem Grund wichen wir im Fall des Irak auch schon zwei Mal von unseren Grundsätzen ab. Obwohl Mitarbeiter von uns erschossen wurden, blieben wir im Land, wenn auch mit reduziertem Engagement."

Ganz zum Schluss zeigte Kellenberger auf, dass das IKRK in gewissen Bereichen doch mit ähnlichen Problemen kämpft wie normale Unternehmen auch. "Es gibt heute viel mehr Akteure im humanitären Bereich als früher, und wir stehen im Wettbewerb mit anderen Organisationen. Wir brauchen deshalb ein klares Profil, um uns abzugrenzen, und wir müssen uns auf unsere Stärken konzentrieren."




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